Replay. Jon PanЧитать онлайн книгу.
kurz mit dem Kugelschreiber vor sich herum und hielt ihn dann wie eine Zigarette zwischen seinen Fingern. »Und zwar geht es um ihre Versetzung nach Freising.«
»Davon weiß ich ja noch gar nichts.« Kim fühlte sich überrumpelt.
»Ja, es ist ein kurzfristiger Entscheid, aber unumgänglich«, sagte Lehner.
Wollte er sie loswerden? Oder hatte man auch in der Direktion bemerkt, dass er sich zu viel um Kim kümmerte – zuerst im Guten und dann im Schlechten – und daraus die Konsequenzen gezogen?
»Ab wann soll ich versetzt werden?«, fragte Kim.
»Vom nächsten Monat an.« Er dachte nach, ließ den Kugelschreiber fallen. »Ja, es ist schade, dass wir uns nicht besser verstanden haben.«
»Ich benötige dringend einige Tage Urlaub«, sagte Kim. »Möglichst bald, wenn das ginge?«
Lehner nahm zuerst wieder den Kugelschreiber in die Finger, bevor er darauf reagierte. »Warum tragen Sie den gewünschten Urlaubstermin nicht ein?«, fragte er. Nur, er hatte sie schon richtig verstanden. Und doch setzte er hinzu: »Sie sind doch lange genug bei uns, um zu wissen, wie das funktioniert.«
»Ich will die Tage gleich einziehen, ab sofort.«
»Ab sofort?«, wiederholte er. »Das ist gar nicht üblich. Wir sind momentan ziemlich im Druck.«
»Es ist sehr wichtig für mich«, betonte sie.
»Fototermine?«, fragte er, wobei er ein teilnahmsloses Gesicht machte.
»Nein, natürlich nicht«, antwortete sie. »Es geht um eine Familienangelegenheit.«
»Gut«, sagte er zu ihrem Erstaunen. »Wenn Sie sich mit Frau Seiler absprechen können, von mir aus.« Frau Seiler war Astrid.
Wieso verhielt sich Lehner plötzlich so? Hatte das mit Kims Versetzung zu tun? Gab er auf, endlich, nach all den Jahren? Lehner, der Mann, der ihr anfänglich viel mehr Freiheiten eingeräumt hatte als allen anderen Mitarbeiterinnen. Der dann schon bald einmal damit anfing, auch sein persönliches Interesse an ihr zu zeigen. Der versteckte Einladungen ausgesprochen und schließlich versucht hatte, sie in seine Wohnung zu locken!
Kim war nie auf ihn eingegangen. Typen wie Lehner konnte sie nicht ausstehen.
»Teilen Sie es mir mit, wenn Sie sich mit Frau Seiler einigen konnten!«, fügte Lehner hinzu.
Für Kim war die Sache schon klar. Trotz der angekündigten Versetzung. Nun fühlte sie sich gut.
Montag und Freitag widmete sich Pauly immer einem ausgiebigen Krafttraining. Er blieb dann jeweils noch ein bis zwei Stunden länger im Fitness-Center.
Heute war Montag. Pauly lag in der Bauchpresse, drückte die Knie gegen die gepolsterte Rolle. Sein nackter, muskulöser Oberkörper glänzte vor Schweiß. Die enge Turnhose schnitt in die durch die Anstrengung aufgeblähten Oberschenkel ein. Sein Puls raste an der Grenze von hundertsiebzig Schlägen in der Minute – für sein Alter die optimal bevorzugte Trainings-Frequenz. Durch die zusammengebissenen Zähne drückte er Luft, vermischt mit einigen kurzen Lauten, aus sich heraus. Die gut geölten Ketten der verchromten Maschine rollten über fast widerstandslose Zahnräder. Gewichtplatten hoben und senkten sich. Muskeln und Adern schwollen an.
Der Raum, in dem er trainierte, war groß. An der einen Wand gab es eine ganze Spiegelfront. Das Klima wurde gleichmäßig gehalten. Rote Backsteine und dunkelbraunes Holz sollte beruhigend wirken. Fenster gab es keine.
Hier trainierte jeder für sich. Hände umfassten gummierte Holme. Bizeps und Trizeps wurden entwickelt, Brustmuskeln verhärteten sich unter Belastung.
Pauly holte nochmals aus, stürzte sich in die erschwerten Kniebeugen, die seine Trainingsmaschine verlangte. Er wechselte oft willkürlich das Gerät, wollte sich einfach erschöpfen. »Ich werde mich besiegen«, schien sein Wahlspruch zu sein.
Plötzlich stand Kim vor Pauly, der seine Bewegungen unterbrach. »Was willst du?«, fragte er.
Sie trug eine weite Hose aus dünnem Stoff, dazu ein gelbes T-Shirt, einen roten Seidenschal und eine graue Jacke aus feinem Leder. Sie hatte sich eine schwarze Tasche über die Schuler gehängt.
»Was willst du?«, fragte er nochmals, denn es war nicht üblich, dass Kim im Fitness-Center auftauchte.
»Ich will dich abholen«, sagte sie. »Wir können ja etwas essen gehen.«
Pauly stieg von der Plattform herunter, rieb sich mit dem Handtuch das Gesicht ab. »Essen ist immer gut«, bemerkte er.
Kim machte einige Schritte und schaute sich um.
»Muss das denn sein?« Pauly regte sich plötzlich auf. »Ich habe dir doch schon mal gesagt, dass Leo es nicht gerne sieht, wenn du mit deinen hohen Absätzen den Boden ruinierst.«
»Entschuldige!« Sie schüttelte verständnislos den Kopf. »Ich habe ja ganz vergessen, wie heilig hier drinnen alles ist.«
»Was trägst du mit dir herum?«, fragte Pauly.
»Ein Laptop«, antwortete Kim.
»Wozu?« Pauly legte sich das Handtuch um den Nacken. Er hatte für Kim nur einen verständnislosen Blick übrig. »Ich gehe mich duschen«, sagte er und ging davon.
Kim verließ den Raum ebenfalls und wartete im Flur, gleich neben der Anmeldung, auf Pauly.
Die Tür neben ihr wurde geöffnet, und Leo trat heraus. Vermutlich hatte er Kim durch das Sichtfenster der Anmeldung gesehen. Die beiden kannten sich kaum, duzten sich aber.
»Wartest du auf Nino?«, fragte Leo.
Kim nickte.
»Und – wie geht's dir so?«
»Gut«, erwiderte Kim mit abwesendem Gesichtsausdruck.
»Schön.« Leo grinste. »Dann grüß mal Robert von mir«, sagte er, grinste nochmals und war weg.
Kim begriff sofort: Leo wusste, dass sie mit Robert, dem Fotografen, geschlafen hatte. Sie ging nach draußen an die frische Luft.
Zehn Minuten später kam Pauly. »Was ist? Gehen wir jetzt essen?«, fragte er.
»Natürlich«, antwortete Kim leicht gereizt.
»Mit dem neuen Laptop?« Pauly wollte sie provozieren.
Sie schwieg.
»Sag mal, willst du nicht endlich ins Bett kommen?« Pauly stand, nur mit einem engen Slip bekleidet, unter der Schlafzimmertür und blickte vorwurfsvoll zu Kim, die am großen Tisch im Wohnraum saß. Sie hatte den neuen Laptop vor sich, umgeben von Manuskriptseiten.
»Stör mich nicht!«, sagte Kim, ohne die Tipperei zu unterbrechen.
»Wozu schreibst du die ganze Sache ab?«
Kim unterbrach und schaute ihren Freund an. »Es wäre viel zu riskant, das gefundene Manuskript original an Rozeck zu schicken«, erklärte sie. »Also schreibe ich es ab, ändere auch den Titel und gebe dich als Autor an.
»Mal angenommen«, sagte Pauly, der noch immer dastand, »dieser Agent will denjenigen sehen, der den Mist hier angeblich geschrieben hat. Ich meine damit: mich!«
Kim zündete sich eine Zigarette an. »Daher braucht es eben einen guten Plan«, sagte sie. »Vor allem musst du den Mund halten und nichts rumerzählen.«
»Das passt mir nicht«, sagte er. »Du verlangst etwas, das ich mir erst gründlich überlegen möchte. Was du vor hast, ist sowieso Betrug.«
»Wieso soll es Betrug sein, wenn man sich um etwas bemüht, das derjenige, der es ursprünglich geschaffen hat, nicht mehr haben will? Das kann dem dann egal sein. Sonst hätte er es ja nicht wegzuschmeißen brauchen.«
»Gut, die Sache hat tatsächlich im Abfall gelegen. Aber so einfach ist es auch wieder nicht. Es ist ein Ausdruck auf Papier. Das wurde sicher auf einem Computer geschrieben,