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SILBER UND STAHL. Nicole SeidelЧитать онлайн книгу.

SILBER UND STAHL - Nicole Seidel


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der quirligen Jungs. Ihm folgten die 6-jährigen Zwillinge Petrad und Paulad. Gustad war vier. Dann gab es noch ein Zwillingspaar mit 3 Jahren: Andward und Alfward. Der jüngste mit einem Jahr hieß Martrad. Die Mutter Elevin gebar alsbald ihrem Mann Conrad Mühlenbach eine ach so sehr gewünschte Tochter, die die glücklichen Eltern Sabryn tauften.

      Die ersten Jahre verliefen mehr als glücklich, doch dann erkrankte das Mädchen unbekannt. Es begann, als sie 6 Jahre wurde. Mit jedem Monat der verstrich nahm ihre Vitalität ab. Sabryn wollte nicht mehr spielen, blieb irgendwann nur noch im Haus und siechte immer mehr vor sich hin. Sie wurde dünn, blass und apathisch.

      Der Müller Conrad grämte sich immer mehr, denn das kleine Mädchen war sein Ein und Alles. Jeder Arzt, jeder Heiler, jeder Alchemist und jeder Zauberer der des Weges kam musste sich das Kind ansehen. Aber niemand konnte seinen Zustand ändern. Als sie neun wurde, lag Sabryn nur noch in ihrem Bettchen und starrte apathisch an die Decke, näher dem Tod als dem Leben.

      In seiner großen Verzweiflung suchte Conrad schließlich die alte Hexe Alesandretta im nahen düsteren Wald auf.

      „Das Mädchen ist verflucht!“ geiferte die Vettel. „Bevor sie zehn wird, wird sie sterben. Willst du dieses Unheil von ihr nehmen, musst du ein großes Opfer bringen.“

      „Alles was nötig ist werde ich tun, um mein Herzschatz zu retten!“ beschwor der Müller Conrad.

      „So soll es sein. Baue in einem Monat sieben Särge. Bringe diese Särge zur schwarzen Burgruine auf der anderen Seite dieses Waldes. Dann lege vor einer Vollmondnacht lebend je einen deiner Söhne hinein. Sperr sie dort ein und verlasse diesen Ort noch am gleichen Tag und kehre nie mehr dorthin zurück! Ist die Nacht dann vorüber und wurde dein Opfer angenommen, ist der Fluch von Sabryn genommen und sie wird ein gesundes, hübsches Mädchen werden.“

      „All meine Söhne?!“ Müller Conrad war aschfahl geworden.

      Die Vettel stand über ihm und kratzte mit ihren dürren Finger über sein Gesicht. „Das Mädchen wird sterben, unternimmst du nichts!“

      Der Mann sprang auf und floh aus dem düsteren Häuschen der Hexe und ritt zurück zu seiner Mühle. Tagelang überlegte er hin und her. Doch als er sein geliebtes kleines Mädchen so reglos daliegen sah, schloss er sich in seiner Scheune ein und hämmerte und sägte was das Zeug hielt.

      Doch als er dann zwei Wochen später die sieben Kisten auf einen Wagen lud, überraschte ihn seine Frau Elevin. „Conrad, was hast du da die ganze Zeit über gemacht. Was ist das? Sind das“ – sie betrachtete die Kisten genauer – „etwa Särge?“

      „Geh mir aus dem Weg, Weib. Und lass mich tun was ich tun muss!“

      „Was musst du tun?“

      „Unser kleines Mädchen retten.“ Conrad hievte den letzten Holzsarg auf die Ladefläche des Wagens und spannte eine Plane darüber. Dann schob er wortlos seine Frau zur Seite und setzte sich auf den Kutschbock und befahl den zwei Zugpferden anzutraben.

      Die Müllerfrau schaute ihm nach. Sie hatte genau die Anzahl der Särge gezählt: sieben. Dann blickte sie mit feuchten Augen über den Hof und sah ihre sieben Söhne spielen.

      Bald brach der Abend an und Elevin Mühlenbach saß in ihrem Schlafgemach und weinte. Vor wenigen Minuten hatte ihr Mann Conrad die sieben Jungs eingesammelt und war mit ihnen fortgefahren. Sie ahnte, wo er sie hinbringen würde – dorthin, wo er die Särge gebracht hatte. Sie hielt ein weißes Taschentuch auf dem Schoss und da tropften sieben blutige Tränen in es hinein.

      „Mein Leid ist unsagbar groß und unerträglich, legt mein Mann unsere sieben Söhne in diese Särge. Heilige Erdgöttin hilf mir dieses Unheil abzuwenden! Die schwarze Nacht soll sie schlucken, bevor meine sieben Söhne den Tod finden. Sieben Jahre will ich warten auf sie. Sieben Jahre leiden und Trauer tragen. Sieben Jahre nicht verzagen bis die sieben Söhne kehren heim zu mir.“

      „Wo fahren wir hin, Vater?“ fragte Martrad der jüngste, der vor fast vier Monaten zehn geworden war.

      „Ich will euch einen geheimen Ort zeigen.“

      Eine halbe Stunde später waren alle acht auf dem Wagen an der schwarzen Ruine angekommen. Sie hieß so, weil die Mauerüberreste schwarz vom Ruß waren. Doch im Hauptkomplex war ein Raum unversehrt geblieben.

      „Wer lebte hier mal?“ wollte Gustad wissen.

      „Das weiß niemand mehr.“ Der Vater holte einen Wasserbeutel hervor und reichte ihn seinen Söhnen. „Stillt erst mal euren Durst, meine Söhne. Bitte – trinkt alle.“ Und der Beutel ging reihum. Der Vater hatte vorsorglich ein Betäubungsmittel ins Trinkwasser gegeben, das alsbald seine Wirkung tat und alle sieben Jungen in Schlaf versetzte.

      Er brachte jeden einzelnen hinüber in den dunklen Raum, wo er auch die Särge aufgestellt hatte. Eine Fackel erhellte spärlich vom Eingang her den mit wenig Unrat belegten Raum. Jeden Sohn legte er in einen der Holzsärge und nagelte den Deckel mit vier Nägeln zu. Draußen setzte die Dämmerung ein, als der Müller das geschwärzte Gebäude verließ, die Fackel nahm er mit. Sein Tempo zurück war wesentlich langsamer, als auf dem Hinweg.

      Die untergehende Sonne verschwand hinter den Baumwipfeln und hüllte die schwarze Ruine in Dunkelheit. Drinnen lagen schlafend sieben unschuldige Buben in absoluter Finsternis. Ein sanfter Windhauch wirbelte Laub auf und vom Himmel herab stieß ein schwarzer Schatten auf den Eingang der Ruine zu. Die Schwingen des Vogels rauschten und sein dreifaches „Krah!“ durchbrach die Ruhe schaudernd. Doch niemand sah, wie der Rabe durch die Öffnung flog und auf dem ersten Sarg nieder sank. Die Jungen darin schliefen noch und hörten somit nicht das viermalige Klopfen des Schnabels. Jedes Klopfen löste einen Nagel und das Schlusskrähen vollzog die Verwandlung – unsichtbar im tiefsten Dunkeln verborgen. Dies wiederholte der einsame Rabe noch sechs Mal an jedem einzelnen Sarg. Dann flog er so unerwartet fort, wie er gekommen war.

      Die Nacht brach herein. Eine einsame krumme Gestalt folgte einem schmalen Pfad, eine Öllampe in der Hand haltend, die ihr den Weg leuchtete. Die Gestalt, die sich des Nächtens so heimlich durch den Wald schlich war keine geringere als die alte Hexe Alesandretta. Und ihr Ziel waren die verkohlten Mauern der schwarzen Ruine.

      Ein kratziges Kichern entrann sich ihrer faltigen Kehle, als die alte Frau die sieben Särge im Raum stehen sah. „Ah, lecker! Das wird ein Festmahl für mich geben!“ Denn die Vettel Alesandretta dürstete es schon lange nach frischem, jungem Menschenfleisch.

      Sie ging an den vordersten Sarg heran und ihre langnaglige Klauenhand griff den Sargdeckel und zog ihn mit einer unglaublichen Kraft nach oben, die man der Alten nie zugetraut hätte. Doch der Sarg im Innern war leer – die dunkle Bewegung im finstersten Eck übersah sie.

      „Was?!“ schrie sie auf und rannte zum nächsten Sarg. Ein Griff, ein Krachen und wieder lag kein Junge darin.

      Sie lief zum nächsten, griff den Deckel und zog ihn auf – auch hier kein Bube.

      Beim vierten flog der Deckel fort und ein schwarzer Schatten flatterte ihr ins Gesicht. Wild fuchtelte die Alte den Vogel von sich. „Fort, du Höllenvieh!“ Da flogen drei weitere Schatten aus den bereits offenen Särgen: Raben.

      „Ah! Man hat mich reingelegt!“ schrie Alesandretta und stolperte aus dem Raum. „Man hat mich um meinen Lohn gebracht!“ grummelte die Alte, während sie fluchend den Weg zurück lief.

      Die vier Raben flatterten einige Zeit aufgeregt ihm Raum umher, bis sie sich um die Öllampe versammelten und sich gegenseitig besichtigten.

      „Bist du das – krah – Edelward?“ wurde der größte unter ihnen gefragt.

      „Krah, ja. Und du – Gustad?“

      Wieder ein Nicken. „Krah – was ist mit uns geschehen?“

      Da klopfte es aus den restlichen drei Särgen und ersticktes Krähen war daraus zu hören. Die vier verwandelten Rabenbrüder halfen ihren drei Brüdern aus den Holzkisten heraus, sie mussten nur noch je die Deckel zur Seite schieben – was sie


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