Эротические рассказы

Das geringste Nachlassen der Aufmerksamkeit. Klaus UlaszewskiЧитать онлайн книгу.

Das geringste Nachlassen der Aufmerksamkeit - Klaus Ulaszewski


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Es gab dort eine kleine Bühne, auf der sie vor vielen Jahren einmal ein Gastspiel gegeben hatte. Augenblicklich erinnerte sie sich wieder an die inspirierende Atmosphäre, die das über 100 Jahre alte Klinkergebäude ausgestrahlt hatte.

      Kurz entschlossen hatte sie sich als neue Mitbewohnerin beworben und wurde zu einem ›Casting‹ - wie die WG das Vorstellungsgespräch nannte - eingeladen. Sämtliche WG-Mitglieder waren gekommen, um einen persönlichen Eindruck von ihr zu gewinnen. Als man während der Hausbesichtigung den noch immer existierenden Veranstaltungssaal betrat, enterte sie spontan die Bühne und spielte als ›Grusche‹ eine ergreifende Szene aus Brechts ›Der kaukasische Kreidekreis‹. Der begeisterte Applaus signalisierte ihr sowohl künstlerische Anerkennung als auch die Aufnahme in die Gemeinschaft.

      Nun stand ihr Umzug unmittelbar bevor und Tommy hatte ihr versprochen, sie beim Verstauen ihres Haushalts zu unterstützen. Am übernächsten Morgen würde der Umzugswagen vor der Tür stehen und sie die geliebte Wohnung, in die sie vor fast fünfundzwanzig Jahren eingezogen war, verlassen. Damals war sie festes Ensemblemitglied des Stadttheaters und somit unkündbar geworden, womit ihr Vagabundendasein, das den ständigen Intendantenwechseln geschuldet war, endlich ein Ende hatte. Aber auch wenn sie sich auf den Amtshof freute, die Aufgabe der Wohnung fiel ihr schwer. Schließlich hatte sie hier die ersten zwölf Jahre lang mit ihrem ebenfalls schauspielernden Ehemann zusammen gelebt. Nach dessen unerwartetem Tod hatte sie die Wohnung als einen Ort der beständigen Verbundenheit, der ihr Kraft und Zuversicht spendete, betrachtet. Nie hätte sie geglaubt, dass sie diesen Ort jemals aufgeben würde. Doch inzwischen hatte sie hier länger alleine als zusammen mit ihrem Mann gelebt und die Gründe, warum sie gerne geblieben wäre, hatten immer weniger mit ihren Erinnerungen an ihn zu tun.

      Tommy war ein Nachbarsjunge, dessen Mutter bei einem Verkehrsunfall ihr Leben verloren hatte. Gerade einmal acht Jahre alt war der kleine Tommy damals.

      Auch Hilde hatte ihre Mutter früh verloren. Sie war vier Jahre alt, als ihre Mutter an einer seltenen Krankheit starb. Den Namen der Krankheit hatte sie vergessen, was sie manchmal bekümmerte. Dann kramte sie in ihren Erinnerungen, aber es wollte ihr einfach nicht mehr einfallen.

      Sie war ungewollt kinderlos geblieben. Die Mutterrolle war die einzige ihr versagt gebliebene, die sie gerne mit Leben noch gefüllt hätte. Und da sie zu dieser Zeit ihr Arbeitspensum altersbedingt reduziert hatte und die Probenpausen sowieso zu Hause verbrachte, kümmerte sie sich um den Jungen, sobald der fürsorgliche, aber in seinem Beruf zeitlich eingespannte Vater Unterstützung benötigte. So war sie für Tommy über viele Jahre hinweg eine einfühlsame Tagesmutter und später, als er zum Jugendlichen wurde, die immer ansprechbare und hilfsbereite Tante.

      Sie war etwas aufgeregt. Früher, als Tommy noch ein kleiner Junge war, hatten sie sich fast täglich gesehen. Jahre später, als er mit seiner ersten Clique unterwegs war, reduzierte sich ihre gemeinsame Zeit, aber selbst da schaute Tommy zuverlässig ein-, zweimal in der Woche herein. Vor einem Jahr gab es dann den großen Einschnitt. Tommy war nie ein herausragender Schüler. Aber in der elften Klasse ließen seine Leistungen dermaßen nach, dass man sie, selbst mit dem größten Wohlwollen, nur noch als katastrophal bezeichnen konnte. Sein Vater sah bald nur noch eine Möglichkeit, um Tommy wieder in die Spur zu bringen. Er schickte ihn in ein abgelegenes, für seinen konservativ autoritären Führungsstil berühmtes und seine streng ausgerichteten Aufenthaltsbedingungen berüchtigtes Internat. Das bedeutete: Ein Jahr Internatsaufenthalt ohne Heimaturlaub – was sogar für die Weihnachtstage galt.

      Zu ihrer großen Erleichterung konnte sie in dieser Zeit Kontakt zu Tommy halten. Er hatte sie mit einem Computer-Tablet, samt dazugehöriger Einführung in die Welt der digitalen Kommunikation, auf den technisch neusten Stand gebracht. Sie skypten regelmäßig, ihrer Ansicht nach aber etwas zu selten. Jetzt war das Jahr vorbei, Tommy hatte sich gefangen und durfte wieder zurück an seine alte Schule, wo er nach den Sommerferien sein Abschlussjahr beginnen würde.

      Und nun stand ihr Wiedersehen unmittelbar bevor, nach so langer Zeit, wirklich und nicht als Pixel auf dem Bildschirm.

      Tommy

      Die Schelle über der Wohnungstür schlug Alarm. Ohne Unterlass bearbeitete Tommy die Klingeltaste. Das dringliche Öffnen der Haustür versprach ihm Rettung in letzter Sekunde, vor naiven Wir-lieben-die-Vielfalt-der-Kultu-ren-Träumern oder arroganten Wir-deuten-die-Werte-der-Moral-Oberlehrern. Zumindest stellte er sich das in seiner Fantasie, in der die Menge ihn verfolgender Gegner riesig, deren ideologische Herkunft jedoch überschaubar war, so vor.

      Hilde hatte es aufgegeben, ihn von derart überzogenen Ankündigungen abzubringen.

      »Gut schaust du aus, mein Lieber«, sagte Hilde, nachdem Tommy nach oben gespurtet war und etwas außer Atem vor ihr stand.

      Sie umarmten sich. Tommy hatte einen kräftigen, aber sportlichen Körper und war groß gewachsen und, obwohl Hilde sich streckte, reichte ihr Kopf ihm nur bis zu den Schultern.

      Tommy trug eine schwarze Jeans, ein dunkelgrünes T-Shirt und weiße Turnschuhe. Seine blauen Augen wogen die Schwere seines breiten, flächigen Gesichts mit der etwas zu klein geratenen Nase ein wenig auf. Die blonden, kurz geschorenen Haare verschwanden unter einer Basecap, deren Schirm er über die ausgeprägte, leicht vorstehende Stirnpartie gezogen hatte.

      Er zog die Cap vom Kopf und grinste. »Danke, Tantchen«, antwortete er. »Und du wirst immer jünger. Wir werden noch ein Paar, irgendwann.«

      Hilde lächelte. Aber auch wenn Tommys Süßholzraspelei sie amüsierte - weitere Peinlichkeiten wollte sie ihm ersparen. »Bedenke, Tommy: würde ich immer jünger werden, trüge ich einen Strampelanzug, irgendwann.«

      »Oh Gott«, rief Tommy, hielt sich eine Hand vor den Mund und prustete los.

      »Siehst du«, sagte Hilde. »Komm schon herein.«

      Tommy ging direkt durch bis in die Küche, wo er die Brötchentüte auf dem Tisch ablegte.

      »Nein, im Ernst«, griff er den Dialog wieder auf, »was ich sehe, ist überragend.«

      »Du brauchst eine Brille, Tommy.«

      »Ich schwör’!«

      »Besser nicht.«

      »Doch, doch, ganz großes Ehrenwort, Tantchen.«

      »Na gut Tommy, einverstanden. Deine Hartnäckigkeit lässt mich annehmen, dass du inzwischen ein nettes Mädchen kennengelernt hast?«

      »Ähh, nein. Warum?«

      »Dann solltest du deine Schmeicheleien sinnvoller einsetzen.«

      »Okay, okay, Tantchen, du hast gewonnen. Trotzdem ...«

      »Ein Jahr aus den Augen«, unterbrach ihn Tante Hilde, »und aus dem großen Jungen ist ein junger Mann geworden. Bist gewachsen, und auch ein paar Pfunde sind im Internat geblieben, hab’ ich Recht? Es steht dir, wirkt markant, wenn du weißt, was ich meine.«

      »Ja, Tantchen. Danke. Viel Sport, weißt du. War das einzige, was man da wirklich gut machen konnte.« Tommy nimmt die Haltung eines sich zur Schau stellenden Kraftsportlers ein. »Mein Körper, gestählt wie von Zwangsarbeitern im KZ. Und da geht noch mehr.«

      Konrad

      Nichts hatte darauf hingedeutet, dass Konrad fortgehen würde. Plötzlich, von einem Tag auf den anderen, war er weg. Auch andere waren schon verschwunden, ebenso aus heiterem Himmel, ganze Familien – einfach nicht mehr da. Aber Konrad? Aus welchem Grund hätte seine Familie ihre Stadt, ihre Heimat verlassen sollen. Er war doch ihr bester Freund und sie war seine beste Freundin. Noch am Tag zuvor hatten sie erst die Schildkröten am kleinen Weiher beobachtet und anschließend Fangen und Verstecken gespielt. Damit widersetzte sie sich wiederholt der Anordnung ihres Vaters, der ihr mit der Begründung, dass Konrad nicht gut für sie sei, den Umgang mit ihm verboten hatte. Aber des Vaters Anordnung erschien ihr derart unsinnig und an den Haaren herbeigezogen, dass es ihr unmöglich war, sich daran zu halten.

      Die


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