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Die denkwürdigen Erlebnisse des Artur Gordon Pym. Edgar Allan PoeЧитать онлайн книгу.

Die denkwürdigen Erlebnisse des Artur Gordon Pym - Edgar Allan Poe


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emporgetürmt. Ringsherum keilte sich ein Chaos jeder Gattung von Schiffsgerät ineinander, dazu eine bunte Menge von Körben, Fässern, Ballen, so daß es mir wie ein Wunder erschien, daß wir überhaupt zu diesem Koffer durchgedrungen waren. Später entdeckte ich, daß Augustus die Gegenstände absichtlich so verstaut hatte, damit ich vollständig im Verborgenen bleiben könnte; bei seiner Arbeit hatte ihn nur ein einziger Mann unterstützt, und dieser sollte nicht an der Seereise teilnehmen.

      Mein Begleiter zeigte mir jetzt, daß eine Querseite des Koffers sich nach Wunsch entfernen lasse. Er schob sie weg und enthüllte das Innere, dessen Anblick mir nicht wenig Spaß machte. Den Boden bedeckte eine Matratze, die aus einer der Kojen in der Kajüte stammte. Was nur irgend an nützlichen Gegenständen in einen so engen Raum zu pferchen ging, war darin enthalten, und zugleich vermochte ich noch darin zu sitzen oder ausgestreckt zu liegen. Unter anderen Dingen fanden sich einige Bücher, drei Bettdecken, ein großer Krug voll Wasser, eine Tonne Schiffszwieback, drei oder vier riesige Bologneser Würste, ein gewaltiger Schinken, eine kalte Hammelkeule und ein halbes Dutzend Flaschen mit stärkenden Getränken. Ich ergriff sofort Besitz von meiner kleinen Wohnung, gewiß mit einem Gefühl tieferer Befriedigung, als ein Monarch beim Einzug in einen neuen Palast empfindet. Augustus erklärte mir nun, wie man das offene Ende des Koffers verschließen könne, und indem er die Kerze bis zum Verdeck emporhob, wies er mir ein Stück dunkelgefärbter Takelleine, das sich, wie er sagte, von meinem Versteck durch alle Windungen im Gerümpel bis zu dem Nagel hinzog, der unterhalb jener Falltür in die Decke des Kielraumes eingeschlagen war. Vermittels dieser Leine könnte ich im Falle eines unerwarteten Ereignisses ohne seine Hilfe den Weg zurückfinden. Dann verabschiedete er sich, nachdem er mir die Laterne sowie einen reichen Vorrat an Kerzen und Streichhölzern zurückgelassen und mir versprochen hatte, mich so häufig zu besuchen, wie es ihm irgend möglich sei. Das war am siebzehnten Juni.

      Wenn meine Rechnung zutrifft, blieb ich drei Tage und drei Nächte in diesem Versteck, ohne es überhaupt zu verlassen, außer daß ich ein paarmal die Glieder zu recken versuchte, indem ich mich zwischen zwei Körben, gerade gegenüber der Öffnung, aufrecht hinstellte. Während dieser ganzen Zeit kam mir Augustus nicht zu Gesicht; aber das beunruhigte mich kaum, denn die Brigg mußte jeden Augenblick in See stechen, und in diesem Getriebe fand er nicht so leicht eine Gelegenheit, zu mir herunterzukommen. Endlich hörte ich die Falltür auf- und zugehen und bald darauf die leise Frage, wie ich mich befände und ob ich etwas brauche. »Nichts«, erwiderte ich, »ich befinde mich sehr wohl. Wann segeln wir?«

      »Die Brigg wird in weniger als einer halben Stunde die Anker lichten«, gab er mir zur Antwort. »Ich kam, es dir zu sagen, damit du dich nicht über meine Abwesenheit beunruhigst. Ich werde eine Zeitlang, vielleicht drei oder vier Tage, nicht herunterkommen können. Oben geht alles am Schnürchen. Wenn ich die Falltür zugemacht habe, mußt du die Leine entlangkriechen bis zu der Stelle, wo der Nagel eingetrieben ist, ich habe eine Uhr hingehängt, da du ja Tag und Nacht nicht unterscheiden kannst. Wie lange denkst du wohl, daß du begraben bist? Nur drei Tage; heute haben wir den Zwanzigsten. Ich würde dir die Uhr hinbringen, aber ich fürchte vermißt zu werden.« Nach diesen Worten stieg er wieder hinauf. Etwa eine Stunde nach seinem Verschwinden fühlte ich deutlich, wie das Schiff sich bewegte, und ich wünschte mir Glück zum endlichen guten Beginnen der Fahrt. Ich beschloß, mir so wenig Sorgen als möglich zu machen und die Entwicklung der Dinge abzuwarten, bis ich in die Lage käme, meinen Koffer mit einer geräumigen, wenn auch kaum bequemeren Kabine zu vertauschen. Mein erster Gedanke war die Uhr. Ich ließ das Licht brennen und tastete mich durch ungezählte Windungen, von denen einige mich nach langem Fortkriechen wieder in die Nähe meines früheren Standortes brachten. Schließlich erreichte ich den Nagel, bemächtigte mich der Uhr und kehrte wohlbehalten mit ihr zurück. Nun sah ich die Bücher durch, mit denen man mich so vorsorglich versehen hatte, und wählte die Expedition von Lewis und Clarke nach der Mündung des Columbiaflusses. Damit unterhielt ich mich eine Zeitlang, bis ich müde wurde, die Kerze mit großer Sorgfalt auslöschte und bald in einen gesunden Schlaf verfiel.

      Als ich erwachte, fühlte ich eine sonderbare Verwirrung in mir, und einige Zeit ging hin, ehe ich alle die verschiedenen Umstände meiner Lage mir ins Gedächtnis zurückrufen konnte. Allmählich jedoch fielen sie mir wieder ein. Ich machte Licht und sah nach der Uhr; doch sie war abgelaufen, und ich konnte daher nicht erfahren, wie lange ich geschlafen hatte. Meine Glieder waren furchtbar steif, und ich mußte mich, um sie zu beleben, abermals zwischen die Körbe stellen. Auf einmal empfand ich einen geradezu rasenden Hunger; ich entsann mich des kalten Hammelfleisches, von dem ich vor dem Schlafengehen mit großem Appetit gegessen hatte. Wie erstaunte ich, als ich entdeckte, daß es in völlige Fäulnis übergegangen war! Diese Tatsache beunruhigte mich entsetzlich; denn ich brachte sie in Zusammenhang mit meinem verworrenen Erwachen und begann zu vermuten, ich müßte unmäßig lange geschlafen haben. Die schlechte Luft im Kielraum mochte etwas damit zu tun haben; sie konnte auf die Dauer Ursache der schlimmsten Wirkungen sein. Mein Kopf schmerzte mich furchtbar; ich meinte nur mit Mühe Atem zu schöpfen; kurz, eine Unmenge düsterer Empfindungen bedrückte mich. Doch durfte ich es nicht wagen, durch Öffnen der Falltür oder sonstwie Aufsehen zu erregen, und nachdem ich die Uhr aufgezogen hatte, suchte ich mich in Geduld zu fassen, so gut es eben ging.

      Während der endlosen vierundzwanzig Stunden, die nun folgten, kam niemand mir zu Hilfe, und ich sah mich veranlaßt, Augustus der gröbsten Rücksichtslosigkeit anzuklagen. Besonders erschreckte mich, daß in meinem Krug das Wasser auf etwa eine halbe Pinte zurückgegangen war und daß ich an starkem Durst litt, da ich nach dem Verlust meiner Hammelkeule reichlich viel Bologneser Wurst gegessen hatte. Eine gewaltige Unruhe befiel mich, ich konnte mich nicht länger durch die Lektüre meiner Bücher zerstreuen. Auch überwältigte mich ein Verlangen nach Schlaf aber ich zitterte bei dem Gedanken, ihm nachzugeben, falls ein verderblicher Einfluß, ähnlich dem des Kohlengases, in der stickigen Luft des Kielraums sich bemerkbar machen sollte. Inzwischen belehrte mich das Stampfen der Brigg, daß wir schon weit auf dem Ozean waren, und ein dumpfer, summender Laut, der wie aus ungeheurer Ferne kam, überzeugte mich, daß da draußen eine nicht alltägliche Kühlung wehte. Ich konnte für Augustus' Abwesenheit keinen Grund ausfindig machen. Wir waren gewiß weit genug auf unserer Reise gekommen, um mein Versteck unnötig erscheinen zu lassen. Vielleicht war ihm ein Unfall zugestoßen, aber das schien ja kein Grund, mich so lange eingesperrt zu halten, es sei denn, daß er plötzlich gestorben oder über Bord gestürzt war, und bei dieser Vorstellung konnte ich nicht mit irgendwelcher Geduld verweilen. Es war möglich, daß wir konträren Wind gehabt hatten und uns nahe bei Nantucket befanden. Allein wenn das der Fall gewesen wäre, so hätte die Brigg wiederholt wenden müssen; und da sie beständig nach Backbord neigte, mußte sie die ganze Zeit über vor einer starken Brise von Steuerbord gesegelt sein. Übrigens, falls wir noch in der Nähe der Insel waren, hätte Augustus mich ja besuchen und von diesem Umstand unterrichten können. Indem ich so über die Schwierigkeiten meiner einsamen und freudlosen Lage nachdachte, beschloß ich, noch einmal vierundzwanzig Stunden auszuharren und, wenn dann noch keine Hilfe käme, die Falltür aufzusuchen, um entweder mit meinem Freund zu verhandeln oder wenigstens etwas frische Luft und Wasser aus seiner Kabine zu erhalten. Während ich noch so im Nachdenken war, fiel ich allen meinen Anstrengungen zum Trotz in einen Zustand tiefen Schlafes, der eher einer Betäubung glich. Meine Träume waren von der fürchterlichsten Art. Jeglichem Unheil, jedem Entsetzen wurde ich zur Beute. Neben andern Schrecknissen sah ich mich von Dämonen, deren Aussehen ebenso gespenstisch als blutdürstig war, unter ungeheueren Kissen erstickt. Gigantische Schlangen umwanden mich und sahen mich dabei mit ihren schauerlichen, glühenden Augen an. Dann dehnten sich Wüsten vor mir aus, ohne Grenzen, namenlos öde und voll feierlichen Grausens. Endlos hohe Baumstämme, grau und ohne Laub, erhoben sich in unendlicher Folge, so weit der Blick zu reichen vermochte. Ihre Wurzeln verbargen sich in weiten Morästen, deren trübselige Gewässer in tiefster Schwärze bewegungslos und vollkommen entsetzenerregend vor mir lagen. Und die seltsamen Bäume schienen mit menschlichem Leben begabt, und indem sie ihre dürren Astgerippe wie Arme bewegten, flehten sie im Ton gräßlichster Angst und Verzweiflung die schweigenden Wasser um Erbarmen an. Dann wandelte sich die Szene; ich stand, nackt und allein, inmitten des brennenden Sandmeers der Sahara. Zu meinen Füßen kauerte ein grimmer tropischer Löwe. Auf einmal öffneten sich seine wilden Augen, und sie fielen sogleich auf mich. Mit einem krampfhaften Ruck richtete er sich auf und entblößte seine scheußlichen


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