Die Flüchtlinge und wir. Neue Osnabrücker ZeitungЧитать онлайн книгу.
davon, wie viel Hilfsbereitschaft die Flüchtlinge erfahren. Er selbst sei in Osnabrück ebenfalls immer hervorragend behandelt worden, sagt der Künstler. „Viel Offenheit, viel Verlässlichkeit, und wegen meiner Herkunft bin ich hier nie diskriminiert worden.“ Auch wenn er sein Heimatland in dem Zustand, in dem er es verlassen hat, manchmal vermisst, möchte Ahmed Al-Kenani kein anderes Leben als sein jetziges führen. „Osnabrück ist für mich wie eine Mutter. Ich hoffe, dass ich hier nie wegmuss!“
Der irakische Maler Ahmed Al-Kenani hat in Osnabrück sein Glück gefunden. (Hendrik Steinkuhl)
Nach Flucht aus Irak für andere aktiv
Von Katja Butschbach
Sandra Baba ist Ende 1999 aus dem Irak geflohen – und hilft heute als Mitarbeiterin der Diakonie selbst Flüchtlingen. Sie wünscht sich noch mehr Unterstützung von Bürgern.
Mit zwei kleinen Kindern ist Sandra Baba Ende 1999 aus dem Irak nach Deutschland geflohen: Sie suchte als Asylbewerberin Sicherheit. Sie kennt die Probleme und Erfahrungen der Menschen, mit denen sie heute als Flüchtlingsberaterin der Diakonie arbeitet, sehr genau. Baba ist für die Gemeinden Ganderkesee und Hude zuständig, hat eine der drei vom Landkreis Oldenburg finanzierten Stellen für Flüchtlingssozialarbeiterinnen inne.
„Die Flüchtlinge kommen nach Deutschland, haben das erlebt, was ich erlebt habe. Sie bringen Ängste, Vorurteile und große Erwartungen mit“, sagt Baba. Neben ihrer eigenen Tätigkeit sei auch Hilfe von Bürgern wichtig: Emotionale Unterstützung und Zeit würden viel bedeuten. So plant sie in Ganderkesee ein Willkommenscafé, bei dem sich Bürger melden können, die Flüchtlingen Unterstützung anbieten möchten.
Für sie selbst ging es vor mehr als 15 Jahren darum, irgendwie aus dem Irak zu entkommen und nach Europa zu gelangen. Sandra Baba floh aus Bagdad zunächst in ein Nachbarland, von dort aus wurde sie mehrere Tage durch etliche Länder gefahren, mit der vierjährigen Jean und dem 14 Monate alten Yousif auf dem Rücksitz. So gelangte sie nach Düsseldorf – und als sie dann nach Oldenburg weiterverwiesen wurde, war dies für sie „wie ein Lottogewinn“. Denn sie hatte eine Freundin in Bremen.
Mit nur noch 170 Dollar kam sie schließlich Anfang Februar 2000 in Ganderkesee an, lebte zunächst im Asylbewerberheim. „Ich dachte: Das ist nur eine Station, ich muss hier kurz bleiben. Es wird nicht schlimmer als das, was ich bisher erlebt habe.“ Über die letzten Jahre im Irak sagt die heute 46-Jährige: „Es war so schlimm.“ Sie musste sehr vorsichtig sein, was sie sagte, konnte nicht über alltägliche Probleme wie Lebensmittelpreise sprechen: Alles konnte falsch und als regierungskritisch aufgefasst werden.
Weil sie eine Christin war, die nicht in der Baath-Partei aktiv war, und Geschwister im Ausland hatte, kam sie für Stipendien an ihrer Universität nicht infrage, obwohl sie eine der Besten war. Aus dem Ausland unterstützte ein Familienmitglied Sandra Babas Familie finanziell – sonst wäre es nicht gegangen. Weg wollte sie, aber sie wusste: „Das wird nicht so leicht.“ Gleichzeitig war ihr klar: „Ich habe keine Alternative, ich muss das alles selbst schaffen.“
Schon bald fing sie an, nicht nur für ihre Kinder und für sich in Ganderkesee ein neues Leben aufzubauen, sondern sich auch für andere einzusetzen. Zunächst war sie bei Dragica Smiljanic, der früheren Integrationsbeauftragten der Gemeinde Ganderkesee, eine Klientin wie andere auch. Früh kamen dann aber immer wieder Nachfragen, ob sie übersetzen könne. Im Irak hatte Baba deutsche Literatur studiert. Sie begleitete Smiljanic zu Treffen und Fortbildungen. In ihr wuchs der Wunsch zu helfen, praktisch mit Flüchtlingen zu arbeiten. Sie bezahlte damals Abendkurse, weil sie ihre Sprachkenntnisse ausbauen wollte. Ihr Ehemann kam fast zwei Jahre später als Flüchtling nach – da war bereits alles gut vorbereitet, berichtet Baba.
Die interkulturelle Kompetenz sei heute besser als vor fünfzehn Jahren. Auch werden heute Universitätsabschlüsse eher anerkannt als früher. Baba musste ganz von vorn beginnen, schrieb sich in Oldenburg für Germanistik und Sozialwissenschaften ein. „Ich war 38, das war eine Herausforderung“, sagt sie. Zuvor hatte sie zwei Jahre als Kellnerin und ein Jahr als Kassiererin gearbeitet – und Menschen unterstützt, ihnen von ihren Erfahrungen erzählt, sie begleitet und unterstützt.
Bis heute unterrichtet sie an der Volkshochschule Delmenhorst und bei der regioVHS Ganderkesee Deutsch für Migranten, hat Integrationslotsenlehrgänge in Delmenhorst und Wildeshausen angeboten. Für sie ist es ein Vorteil, dass sie Araberin ist. Viele Flüchtlinge kommen derzeit aus Syrien, dem Irak und Eritrea. Mit ihnen bespricht sie Fragen zu Ärzten, Schulen, allgemeine Probleme. „Unsere Aufgabe ist es, sie zu beruhigen“, sagt Baba. Sie sagt ihnen, dass sie nur ein bisschen Zeit brauchen, und dass die Situation nicht so schlimm ist, wie sie anfangs glauben. Dies sei manchmal wichtiger als sie überall hin zu begleiten.
Sandra Baba besucht die Flüchtlinge, ist fast immer unterwegs. Kürzlich brachte sie eine Deutsche, die gerne helfen wollte, und eine alleinerziehende Mutter aus Syrien zusammen. Es sei eine Erleichterung für die Flüchtlinge, dass sie in Sandra Baba jemanden haben, zu dem sie mit ihren Sorgen gehen können. Und Sandra Baba sagt: „Was ich heute mache, war genau mein Ziel.“
Flüchtlingsberaterin Sandra Baba bei ihrer Sprechstunde in ihrem Ganderkeseer Büro: Sie erläutert (von links) Hysein Hasan, Amjad Khzam und Mohamad Bashir Sankari aus Syrien ein offizielles Schreiben.(Katja Butschbach)
Landarzt im Emsland? Zusage nach zwei Monaten Bedenkzeit
Von Manfred Fickers
Landarzt im Emsland zu werden, das hätte sicher niemand von Jun-Young Jung erwartet, als er 1969 in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul geboren wurde. Die Entscheidung, eine Praxis in Twist zu übernehmen, sei richtig gewesen, sagt er nach eineinhalb Jahren in dem Dorf an der niederländischen Grenze.
Seinen Eltern sei die Entscheidung, ihre Heimat zu verlassen, sicher nicht leicht gefallen, meint Jung. Südkorea war noch Jahre nach dem Ende des Koreakriegs (1950–1953) ein bitterarmes Land. Fast die gesamte Industrie wurde zerstört, der Wiederaufbau in Südkorea gewann nur allmählich an Tempo. Vom Wirtschaftsboom nach 1980 ahnte damals noch niemand etwas. Der Vater, ein Ingenieur für Elektrotechnik, bewarb sich erfolgreich um einen Arbeitsplatz im deutschen Steinkohlenbergbau. Deshalb zog die Familie mit ihrem elfjährigen Sohn nach Waltrop, Kreis Recklinghausen.
Fleißig lernte Jung Deutsch, wobei man heute noch heraushören kann, wo er es gelernt hat. Nach dem Abitur begann der in Hamburg ein Medizinstudium, das er an der University of California mit einer Promotion zum Einsatz eines Ultraschallgeräts in der Therapie von Speiseröhrenkrebs-Patienten abschloss. Zusätzlich ließ er sich in der Fachklinik in Kötzting, Bayern, in traditioneller chinesischer Medizin ausbilden. Kenntnisse, die er auch seinen Patienten zur Verfügung stellt.
Nach dem Studium arbeitete der junge Doktor unter anderem als Notfallmediziner. Zu den beruflichen Stationen gehörten das Franziskus-Hospital Harderberg und die Paracelsus-Klinik in Osnabrück. Zwar bezeichnet sich Jung nicht als „sportbegeistert“, aber seit dieser Zeit ist er am VfL Osnabrück interessiert.
Es ist der Ärztemangel auf dem Land, der dem in Südkorea geborenen deutschen Staatsbürger eine neue berufliche Perspektive bot. Dabei half der am Krankenhaus Ludmillenstift Meppen tätige, aus Burundi stammende Kollege Dr. Evariste Gafumbegete. Jahrzehntelang hatte Dr. Michael Jaron die Hausarztpraxis an der Apotheke in Twist-Mitte geführt, aber die Gesundheit nötigte den Mediziner zur Aufgabe seiner Tätigkeit. Gafumbegete kaufte ihm das Praxisgebäude ab. Sein Kollege Jung besaß gute fachliche Voraussetzungen, aber er war zunächst skeptisch. Deshalb verordnete er sich eine Probezeit.
Die zwei Monate als Honorararzt „auf dem Twist“, wie Jung sagt, „waren sehr wertvoll, um Land und Leute kennenzulernen“. Das zeigt, wie schnell er im Emsland heimisch geworden ist. Denn der Arzt weiß, dass es im Sprachgebrauch der Einheimischen „auf