Ein trauriges Schloss. Catherine St.JohnЧитать онлайн книгу.
sah Sie vorhin ankommen und man hatte mir auch erzählt, dass Sie der einzige Verwandte seiner Lordschaft sind. Ich hoffe, Sie werden ihn bei gutem Befinden antreffen.“
„Ach, geht es ihm wieder schlecht?“
„Danach müssten Sie wohl Beatty befragen. Wahrscheinlich packt er gerade ihr Gepäck aus.“
„Warum sollte ich Sie nicht fragen, Mrs. Warren?“ Er musterte sie gründlich, aber das störte sie nicht. Immerhin sorgte er sich um seinen Cousin, das war doch sehr lobenswert. Und er machte einen durchaus sympathischen Eindruck.
„Weil ich leider gar nichts weiß. Ich habe seine Lordschaft bisher noch nicht zu Gesicht bekommen, allerdings bin ich auch erst etwas mehr als zwei Wochen hier.“
„Aha, deshalb also das neue Gesicht! Und, gefällt es Ihnen auf Kesham Court?“
„Sehr gut sogar. Eine interessante Position.“
Er runzelte leicht die Stirn und Eleanor überlegte, ob sie sich nicht ihrem neuen Stand entsprechend ausgedrückt hatte, aber er sprach schon weiter: „Obwohl Sie den Hausherrn noch nicht einmal zu Gesicht bekommen haben?“
„Man hat mir zu verstehen gegeben, dass es um die Gesundheit Seiner Lordschaft nicht zum Besten bestellt sei. Ich bin sicher, sobald es ihm recht ist, wird er mich zu sich bestellen. Bis dahin versuche ich, mich möglichst gut mit meinen Aufgaben hier vertraut zu machen.“ Sie knickste leicht und wollte in den Küchenbereich zurückkehren, aber Randal hielt sie auf. „Die Sandwiches – wer hat sie gemacht?“
„Die Köchin, Mrs. Kingsley.“
„Sie schmeckten anders als sonst. Interessanter.“
„Mrs. Kingsley hat die Butter gesalzen und mit Kräutern bestreut.“ Eleanor knickste noch einmal und verschwand, bevor er sich eine neue Frage ausdenken konnte.
Ein recht netter Mann, überlegte sie dann in der Küche, selbst an einer Tasse Tee nippend.
Sehr leutselig, wenn er sich so lange mit dem Personal unterhielt.
Mit einem feinen Gaumen, wenn er den Unterschied bei den Sandwiches bemerkt hatte.
Und durchaus gut aussehend, groß und kräftig, mit blonden Locken im Titus-Stil. Recht gut gekleidet obendrein.
Hatte Martin nicht gesagt, Randal habe keinen Kammerdiener? Dann musste er recht geschickt sein. Eleanor hatte schon von Männern gehört, die sich kaum alleine ankleiden konnten, von Feinheiten wie dem Binden der Krawatte und dem Frisieren der Haare ganz zu schweigen. Und dann sollte es ja noch armselige Tröpfe geben, die, wenn sie formelle Kniehosen trugen, Waden aus Holz oder passende Kissen mit Sägemehlfüllung brauchten, um kräftige Beine vorzutäuschen. So etwas dürfte Mr. Randal nicht nötig haben. Eher schien ihm das Essen ein klein wenig zu gut zu schmecken, wenn sie sich recht erinnerte. Nun, die Hauptsache war doch, dass es ihm gelang, den Earl ein wenig aufzumuntern!
Sie fand immer noch, dass eine Verwundung und Fieberanfälle keine hinreichenden Gründe darstellten, sich völlig von der Außenwelt abzuschotten. Da musste doch noch mehr vorgefallen sein? Aber was?
Nun, sie würde das wohl kaum herausfinden können, wenn das langjährige Personal es schon nicht wusste.
Im Salon, der von den Spuren des Tees schon wieder befreit war, entdeckte sie, dass an einem Kissen eine Naht in Auflösung begriffen war, also nahm sie es mit in ihr Zimmer und kramte nach ihrem kleinen Nähzeug aus Mädchentagen. Sie hatte die Naht kaum wieder geschlossen, als eines der Dienstmädchen klopfte.
„Tschuldigung, Mrs. Warren, aber Mrs. Kingsley hätte Sie gerne in der Küche was gefragt.“
„Danke, Bessie. Du bist doch Bessie?“
Bessie knickste bejahend, dann fiel ihr Blick auf das Körbchen mit dem Nähzeug und sie lächelte: „Mrs. Warren, wir haben doch auch einen großen Flickkorb. Und Sie müssen auch nicht flicken, dafür haben wir doch die alte Miss Spells!“
„Gut zu wissen, danke, Bessie. Aber ich hatte gerade Zeit, diese eine Naht zu schließen. Bringst du das Kissen in den großen Salon zurück? Ich werde dann mal Mrs. Kingsley aufsuchen.“
Mittlerweile, hatte sie gedacht, hatte sie alles Personal kennengelernt, aber von Miss Spells hörte sie heute zum ersten Mal.
Die Köchin bestätigte ihr auch, dass Miss Spells in einer Kate im Dorf lebte und nur einmal pro Woche aufs Schloss kam, um entzwei Gegangenes zu flicken. „Damit bessert sie ihre kleine Rente auf. Sie war einmal das Kindermädchen von Miss Miranda, und nachdem hier ja nun kein Kindermädchen gebraucht wird…“
„Miss Miranda?“
„Ach, das wissen Sie gar nicht?“
Mrs. Kingsley konnte ohne Probleme den Teig für eine Geflügelpastete zubereiten, die Füllung kleinhacken und – nach einem anerkennenden Blick auf Eleanor – kräftig würzen und dabei ununterbrochen reden.
„Miss Miranda war doch die Schwester seiner Lordschaft! Ein wirklich nettes Mädchen. Nun, ich kannte sie ja nur von den seltenen Besuchen, die sie und ihr Bruder, also der siebte Earl, ihrem Onkel, dem sechsten Earl abstatteten. Wirklich, ein reizendes, lebhaftes Kind – und so hübsch! Rabenschwarze Locken, immer sehr elegant frisiert, und ein Teint wie eine englische Rose.
Und ein freundliches, begabtes Mädchen war sie auch. Ja, und dann ging Seine Lordschaft in den Krieg nach Spanien… Miss Miranda heiratete Mr. Randal. Ich weiß gar nicht, warum eigentlich.“
Eleanor wusste nicht recht, warum das fraglich sein sollte, und verlieh ihrer Verwirrung auch Ausdruck.
„Nun, Miss Miranda hätte doch bestimmt einen besseren Fang machen können als Mr. Randal – einen bloßen Mr. ohne Aussicht, jemals den Titel zu erben. Damals wenigstens…“ Sie knallte die Pastetenform auf den Tisch und legte sie mit dem dünn ausgerollten Teig aus, dann sah sie auf.
„Immerhin lebten noch der alte Earl, sein Sohn, Viscount Dashfield, und Mr. Anthony – der jetzige Earl, außerdem noch Mr. Theodore, Mr. Georges Vater. Wie sollte Mr. George da jemals an den Titel kommen? Ganz ehrlich, für Miss Miranda war das doch eine recht armselige Partie, nicht wahr?“
„Hm“, machte Eleanor nachdenklich, „vielleicht war es ja eine Liebesheirat?“
Sie betrachtete sich das Innere des mächtigen Geschirrschranks und überlegte, wie man den Inhalt geschickter und praktischer anordnen konnte.
Mrs. Kingsley war nicht überzeugt. „Ja, das mag ja sein. Von ihrer Seite vielleicht…“
„Von seiner nicht? Miss Miranda war ja eigentlich nichts Besseres als er selbst, oder? Die Cousine des Erben, mehr nicht.“
„Hm… nun gut, die beiden machten durchaus einen recht zufriedenen Eindruck, und dann bekamen sie ja auch den kleinen Maxwell. Ein netter Junge, leider bringt Mr. George ihn nur selten mit hierher.“
„Nun, vielleicht ist das hier auch nicht ganz das Richtige für ein Kind – wie alt ist der Kleine jetzt?“
„Fünf. Leider bekam Miss Miranda – Mrs. Randal – keine weiteren Kinder, bevor sie starb.“ Sie seufzte tief auf. „So tragisch war das…“
„Ein Unfall?“, vermutete Eleanor, während Mrs. Kingsley die Pastete mit einer Teigplatte abdeckte und aus dem Teigrest zwei Blümchen ausschnitt und sie obenauf legte.
„Sehr hübsch, Mrs. Kingsley. Dazu reichen wir Gemüse, nicht wahr?“
„Gewiss. Diese Bohnen, mit Kräutern und ein wenig Pfeffer gewürzt, in einer leichten hellen Sauce. Und vielleicht noch ein Rübenmus.“
Eleanor nickte. „Das klingt hervorragend. Haben wir Muskatnuss im Haus?“
„Gewiss, Ma´am. Ein sehr teures Gewürz, finde