Das geheimnisvolle Haus. Edgar WallaceЧитать онлайн книгу.
halten Sie von der ganzen Sache?« fragte Mr. Farrington.
Mr. Smith antwortete nicht gleich. Er ging erst zum Fenster und schaute hinaus. Die kleine Menschenmenge, die von den Schüssen angelockt worden war, hatte sich allmählich wieder zerstreut. Der Nebel, der schon den ganzen Abend hereinzubrechen drohte, hatte sich nun auch über den Platz verbreitet, und die Straßenlaternen erschienen nur undeutlich als große, gelbe Lichtkugeln in dem dichten Dunst.
»Ich glaube, daß ich nun endlich auf die Spur Montague Fallocks gekommen bin.«
Mr. Farrington schaute ihn mit offenem Munde an.
»Ist das Ihr Ernst?« fragte er ungläubig.
Der Detektiv nickte.
»Was halten Sie denn von der offenen Tür da unten – es muß doch irgendein Fremder hier gewesen sein!« rief Mr. Farrington. »Sie denken doch nicht etwa, daß Montague Fallock heute Abend in diesem Hause war?«
Mr. Smith nickte wieder. Es trat ein kurzes Schweigen ein.
»Er hat einen Erpressungsversuch an mir verübt«, meinte Mr. Farrington, »aber ich glaube nicht –«
Der Detektiv klappte seinen Mantelkragen hoch.
»Ich habe noch eine unangenehme Aufgabe vor mir, ich muß diese unglücklichen toten Leute durchsuchen.«
Farrington schauderte. »Das ist schrecklich«, sagte er heiser.
Mr. Smith sah sich in dem schönen Zimmer um. Die silbernen Beschläge leuchteten matt in dem milden Licht abgeblendeter Kronleuchter. Kostbare Rosenholzpaneele bedeckten die Wände, ein kräftiges, wärmendes Feuer brannte in dem vergitterten Kamin. Der Boden war mit prachtvollen persischen Teppichen belegt. Wenige auserlesene Gemälde schmückten die Wände jedes von ihnen hatte ein Vermögen gekostet.
Auf dem Schreibtisch stand eine große Fotografie in einem einfachen Silberrahmen. Es war das Bild einer schönen Frau in der Blüte ihres Lebens.
»Verzeihen Sie«, begann Mr. Smith und ging zu dem Schreibtisch hinüber. »Ist dies nicht ...?«
»Es ist Lady Constance Dex«, erwiderte Mr. Farrington kurz. »Sie ist mit mir und meinem Mündel eng befreundet.«
»Ist sie augenblicklich in der Stadt?«
»Sie ist in Great Bradley. Ihr Bruder ist dort Pfarrer.«
»Great Bradley?« Mr. Smith runzelte die Stirn, als ob er sich an etwas erinnern wollte. »Liegt in dieser Gegend nicht das ›geheimnisvolle Haus‹?«
»Ich habe auch davon gehört«, entgegnete Mr. Farrington mit einem fast unmerklichen Lächeln.
»C.D.« sagte Mr. Smith halb zu sich selbst, als er zur Tür ging.
»Wie meinen Sie?«
»C.D. – das sind doch die Initialen von Lady Constance Dex.«
»Das stimmt – aber wie kommen Sie darauf?«
»Dieselben Buchstaben sind auch auf dem goldenen Verschluss des Parfümfläschchens eingraviert. Gute Nacht.«
Mr. Farrington blieb bestürzt und erschrocken zurück.
3
Mr. T. B. Smith saß allein in seinem Büro in Scotland Yard. Das Themseufer, der Fluß und auch das große, palastähnliche Parlamentsgebäude waren von dichtem Nebel völlig eingehüllt. Seit zwei Tagen lag London schon unter einer dunklen Dunstschicht, und wenn man den Wetterpropheten Glauben schenken durfte, konnte man sich noch auf zwei weitere Nebeltage gefaßt machen.
Der hübsche Raum mit seiner mattpolierten Eichentäfelung und den vornehmen, eleganten Beleuchtungskörpern bot selbst einem Mann von verwöhntem Geschmack einen angenehmen Aufenthalt. Ein helles Feuer flackerte in dem gekachelten Kamin, und eine silberne Uhr tickte melodisch auf der Marmorplatte darüber. Neben Mr. Smith stand ein mit einer weißen Serviette bedecktes Tablett, auf dem ein zierlicher silberner Teetopf und alle nötigen Gegenstände zur Teebereitung standen.
Mr. Smith schaute auf die Uhr, es war fünfundzwanzig Minuten nach eins.
Er drückte auf einen Klingelknopf, der seitlich am Schreibtisch angebracht war. Gleich darauf klopfte es leise, und ein Polizeibeamter erschien in der Türöffnung.
»Gehen Sie in die Registratur und holen Sie mir« – er machte eine kurze Pause und schaute auf ein Stück Papier, das vor ihm lag – »das Aktenstück Nr. G 7941.«
Der Mann zog sich geräuschlos zurück, und T. B. Smith schenkte sich bedächtig eine halbe Tasse Tee ein.
Nachdenkliche Falten zeigten sich auf seiner Stirn, und ein Ausdruck ungewöhnlicher Sorge lag auf seinen sonst so gleichmäßigen Zügen, die die Sonne Südfrankreichs gebräunt hatte.
Er war von seinem Urlaub plötzlich zurückgekehrt, um sich einer Aufgabe zu widmen, die nur ein Mann von seiner Begabung lösen konnte. Er sollte den größten Schwindler der letzten Zeit, Montague Fallock, aufspüren. Und nun war diese Aufgabe noch dringender geworden, denn Montague Fallock oder seine Anhänger waren für den Tod zweier Männer verantwortlich, die man in der vorigen Nacht am Brakely Square leblos aufgefunden hatte.
Niemand hatte Montague gesehen; es existierte keine Fotografie von ihm, die die vielen Detektive auf seine Spur hätte bringen können. Man hatte zwar Agenten von ihm festgenommen und sie strengen Verhören unterworfen, aber es waren immer nur die Agenten anderer Agenten gewesen. Montague selbst hatte sich unsichtbar gehalten; er stand hinter einem Stahlnetz von Banken, Rechtsanwälten und anonymen Personen – für den Arm der Gerechtigkeit unerreichbar.
Der Polizeibeamte kehrte mit einer kleinen schwarzen Ledermappe zurück, die er vor Mr. Smith niederlegte. Dann verließ er das Zimmer wieder.
Mr. Smith öffnete die Tasche und zog drei kleine Päckchen daraus hervor, die mit einer roten Schnur umwunden waren.
Er machte das eine auf und legte drei Karten vor sich hin. Es waren vergrößerte Fotografien von Fingerabdrücken. Selbst wenn man kein Experte auf diesem Gebiet war, konnte man sofort erkennen, daß sie von demselben Finger herrührten, obwohl sie offensichtlich unter den verschiedensten Umständen aufgenommen waren.
Der Detektiv verglich sie mit einer kleineren Fotografie, die er aus seiner Westentasche hervorgeholt hatte. Es bestand gar kein Zweifel darüber – auch dieser vierte Abdruck stimmte mit den anderen überein. Man hatte ihn durch ein umständliches Verfahren von einem kaum sichtbaren Abdruck auf dem letzten Brief gewonnen, den dieser Erpresser an Lady Constance Dex gerichtet hatte.
Er klingelte wieder, und der Beamte erschien aufs neue in dem Zimmer.
»Ist Mr. Ela in seinem Büro?«
»Jawohl. Er bearbeitet den Fall im Zollamt.«
»Ach ja, ich erinnere mich – zwei Männer wurden überrascht, wie sie dort das Gepäck berauben wollten. Sie entflohen, nachdem sie einen Polizisten in dem Gebäude niedergeschossen hatten.«
»Sie sind zwar beide entkommen, aber der eine ist von einem Beamten durch einen Schuss verwundet worden. Man hat Blutspuren an der Stelle gefunden, wo das Auto wartete.«
Mr. Smith nickte.
»Bitten Sie Mr. Ela, zu mir zu kommen, wenn er mit seiner Arbeit fertig ist.«
Polizeiinspektor Ela hatte seine Nachforschungen anscheinend schon beendet, denn kurz darauf erschien er in dem Büro. Er hatte etwas melancholische Züge.
»Treten Sie näher«, sagte Mr. Smith lächelnd, »und erzählen Sie mir all Ihre Leiden und Ihren Kummer.«
Mr. Ela ließ sich in einem rohrgeflochtenen Stuhl nieder.
»Meine Hauptsorge besteht darin, Augenzeugen zu finden, die nähere Angaben machen können. Bis jetzt fehlt jeder Anhaltspunkt für die Identität der Räuber, die beinahe einen Mord auf dem Gewissen haben. Die Nummer des