Kairos. Christian Friedrich SchultzeЧитать онлайн книгу.
gesamte Bevölkerung retten zu können.
Die Siedler der Nordhalbkugel schafften es lediglich noch rechtzeitig, ein künstliches Habitat für einige tausend Anunnaki und verschiedenes Getier und Pflanzenmaterial ins zu All bringen, bevor ein gigantisches Inferno den Mars ereilte, um aus ihm in kosmisch gesehen kürzester Zeit einen wüstenartigen Sonnentrabanten, eben unseren Roten Planeten zu machen. Als solchen beobachteten ihn dann die Kulturvölker der ZWEITEN und DRITTEN WELT. Dieser in größter Eile erbaute Weltraumkreuzer steuerte auf der Suche nach einem neuen Lebensstern zuerst die Erde an, von der sie wussten, dass diese einigermaßen erträgliche Lebens-bedingungen für sie bieten könnte.
Ich kann kaum beschreiben, was ich alles empfand, als ich im unterirdischen 3D-Tempel der Pegasusorganisation den Prozess der Annäherung des Anunnaki-Raumschiffes an das Erde-Mond-System miterlebte. Alles, was wir von den Archäologen und Althistorikern über die Entwicklung der menschlichen Art und unsere Geschichte gelernt hatten, musste von uns nun im neuen Licht gesehen und zu großen Teilen vollkommen revidiert werden. Andererseits fiel es uns mit einem Mal viel leichter, die merkwürdigen Legenden in den alten Überlieferungen der Sumerer, Babylonier und Ägypter, der Tora und des Talmud der Juden oder die Texte der Veden der Induskulturen zu verstehen.
Die Führung der Ranch beauftragte daraufhin eine Reihe von Altphilologen, die chaldäischen, ägyptischen und hebräischen Urschriften neu zu übersetzen und nach Begriffen zu durchforsten, die adäquat zu unserem neu gewonnenen Wissen wären. Vieles, was von den antiken Schreibern ebenso wie von den Übersetzern voriger Jahrhunderte noch dem Jenseitigen, Überirdischen, Göttlichen zugeschrieben worden war, erlangte plötzlich einen modernen Sinn und neuen Hintergrund und konnte nun wissenschaftlich erklärt werden. Götter und Göttersöhne, Engel und Teufel wurden mit einem Mal real deutbar. Aber ich sollte nicht vorgreifen."
Mit diesen Worten verschwand das Gesicht Li Hui´s von der Leinwand und es wurde eine weitere Filmsequenz des Reiseabenteuers der Anunnaki eingeblendet. Ein vielstimmiges Raunen und bewunderndes leises Stöhnen der Konferenzteilnehmer durchzog den Raum, als die kosmischen Weltraumansichten des Erde-Mond-Systems und Bilder von den Orbitalumkreisungen des Weltraumhabitats der stellaren Wanderer um den Mond und um unseren Heimatplaneten aus der Zeit vor etwa zwanzigtausend Jahren sichtbar wurden. Das Sonnenlicht dominierte in dieser Region unseres Systems um einiges stärker, als es bei den Aufnahmen im Marsumfeld der Fall gewesen war. Die Vereisung der nördlichen Kappe des heimatlichen Globus besaß dennoch annähernd die fünffache Ausdehnung, wie es in der Gegenwart der Fall ist und gab die Lichtstrahlung funkelnd und glitzernd zurück. Dagegen erblickte man über dem südlichen Pol einen Kontinent, der grüne Küstenstreifen, gewaltige Gebirge und einen riesigen Binnensee besaß. Die hochkarätige Versammlung von Repräsentanten des kubanischen Staates sah die Bilder der ZWEITEN WELT und letzten großen nördlichen Eiszeit auf unserer Erde.
"Zunächst erlebten wir mit, wie sie ihren Raumkreuzer im äußeren Lagrange-Punkt 2 unseres Sonne-Erde-Mondsystems positionierten“, ließ sich dazu wieder die Stimme Li Hui´s vernehmen. „Ihr Schiff blieb zwar auch dort nicht von allein völlig stabil, versprach in jenem Gravitationsdreiklang von Sonne, Erde und Mond dennoch größtmögliche Energieeffiziens für die Dauer, in der sie den Erde-Mond-Raum neu erforschen wollten. Von L2 aus starteten sie die ersten Patrouillen mit ihren schnellen, kleinen Raumgleitern. Jeweils fünf fliegende Untertassen - ich verwende fortan die aktuellen Synonyme unserer Sprache – bildeten mit ihren regelmäßig dreiundzwanzig Besatzungsmitgliedern eine Formation. Nach unseren vorläufigen Berechnungen flogen sie erstmals im Jahr 18.700 vor unserer aktuell gültigen westlichen Zeitrechnung in Richtung Erdorbit los.
Wie Sie sehen können, präsentierte sich unser Heimatplanet den Besuchern aus der Parkposition ihres Raumkreuzers in einem faszinierenden Lichtschimmer von Grün, Weiß und Blau. Die Regionen des nördlichen Polarkreises glitzerten und funkelten im hellen Widerschein der Sonnenstrahlung mit ihren schier endlos erscheinenden Eis- und Schneewüsten bis weit hinein in die Areale der nördlichen Kontinentalplatten, während die übrigen Festlandzonen vor allem das Grün der Savannen und Regenwälder widerspiegelten, soweit sie nicht von weißen und grauen Wolkenspiralen verhangen waren. Die Ausdehnung von Wüsten und Steppengebieten erscheint zu dieser Zeit erheblich geringer, als es heute der Fall ist. Der weitaus umfangreichste Teil der Zentralplatte, unseres Eurasiens, schimmerte jedoch zart hellgrün, was auf eine Wald- und Wiesenflora – wie wir heute wissen, überwiegend lockere Lärchenwälder – des nördlichen Asiens, des heutigen sibirischen Permafrostbodens, hindeutete. Doch der weit überwiegende Teil der Erdkugel strahlte im Hell- bis Dunkelblau der großen Ozeane. Und über dem gekrümmten Horizont unseres Planeten fluoreszierte der schmale, gelb-rosa Schimmer der lebenserhaltenden Atmosphäre.
Die Astronomen der Anunnaki hatten bald herausgefunden, dass sich die Erde seit geraumer Zeit in einer Kaltphase befand, weshalb sich im Gegensatz zur Zeit des Besuches ihrer Vorfahren, auf der nördlichen Halbkugel, vom Nordpol über den Nordatlantik bis hinein in die großen nordamerikanischen und asiatischen Landmassen, kilometerdicke Eisschichten gebildet hatten, die eine Besiedelung so gut wie ausschlossen. Süßwasser in gefrorener Form gab es damit jedoch in Hülle und Fülle auf diesem von ihnen gesehen zur Sonne zu gelegenen Nachbarplaneten. Das eisfreie Festland, besonders das der südlichen Kontinente, war in reichem Maße von beachtlichen Flusssystemen und zahlreichen Seenlandschaften durchzogen. Die Anunnaki gaben den Ozeanen und den größeren Landmassen, ebenso wie den Strömen und Flüssen, ihre Bezeichnungen. Wie sie schnell feststellen konnten, hatte sich die Zusammensetzung der Luft in den vergangenen Jahrtausenden zu Gunsten ihres Bedarfs verändert. Nur die Symbiose ihrer Biosysteme mit den vorhandenen Mikroorganismen bereitete wegen der DNA-Verschiedenheiten schwer-wiegende Probleme.
Was die Fremden vom Mars aus nicht ausreichend erforscht und in den vergangenen Jahrhunderten ihrer Machtkämpfe auf dem Nachbarplaneten versäumt hatten zu beobachten, waren Stand und Entwicklung des höheren biologischen Lebens der Gaia zu Wasser und zu Lande. Besonders die Frage, ob man mit einer intelligenten, abwehrfähigen Spezies zu rechnen hatte und auf welchem wissenschaftlich-technischen Entwick-lungsstand sich diese befand, war für die Exulanten noch unbeantwortet. Deshalb herrschte große Gespanntheit unter den rund achttausend Bewohnern ihres Weltraumhabitats, als die erste Raumpatrouille in einen nahen Orbit des blau-weiß-grünen Planeten einsteuerte, um zunächst eine genaue 3D-Karthografierung ihrer künftigen Heimat vorzunehmen.
Die kleinen Explorer begannen ohne Verzögerung mit der systematischen Erkundung der Gaia. Während sie in nahen und eng versetzten Orbits über die Erdpole hinweg ihr zukünftiges Siedlungsterritorium umkreisten, drehten ihre hochauflösenden Spezialkameras unablässig Filme von der Planetenoberfläche und ihre Speziallaser erfassten pausenlos dreidimensionale geografische wie biochemische Daten.
Bald setzten sie ihre Erkundungen mit der näheren Erforschung der Flora und Fauna in mehreren Explorerteams fort. Die Tier- und Pflanzenwelt der Erde erwies sich als noch reichhaltiger als jene auf dem Mars. Und noch bevor die ersten dutzend Erdumdrehungen vergangen waren, hatten sie sie entdeckt: Primaten in größeren Populationen, die in den Wäldern und am Rande der Steppen der eisfreien Kontinente herumstreiften. Dazu gewaltige Herden großer und kleinerer vierbeiniger Säuger auf dem Lande und in den Ozeanen, sowie tausende schwimmender Kiemenatmer in allen Gewässern. Die Zahl der niederen Tiergattungen, angefangen bei den Vögeln und Kriechtieren, bis hin zu den Insekten, Würmern und sonstigen Wirbellosen, war schier unübersehbar und ihre Erfassung musste von den Anunnaki zunächst vernachlässigt werden, denn die Suche nach einer intelligenten, abwehrfähigen Spezies besaß die höhere Priorität.
Bereits nach wenigen Tagen hatten sie dann auch mehrere aufrecht gehende Humanoiden ausgemacht, die in kleinen, wandernden Gemeinschaften zu dreißig bis vierzig Personen sowohl in Wäldern, als auch in Steppen und Savannen jagten und vorwiegend in Höhlen lebten. In den Schneeregionen konnten die Anunnaki dagegen nur ganz vereinzelt Gruppen von dahinziehenden Jägern und Sammlern entdecken. Doch eine viel höher entwickelte Rasse war das eigentliche Ziel ihrer näheren Untersuchungen. Die Anunnaki hatten mehrere umfangreiche Populationen dieser Art auf den Inseln eines Archipels entdeckt, welcher sich zu dieser Zeit inmitten des kleineren der beiden Hauptozeane von Nordosten nach Südwesten hinzog. Diese lebten bereits in festen, gesicherten Ansiedlungen,