Edgar Wallace - Gesammelte Werke. Edgar WallaceЧитать онлайн книгу.
mag wissen, wer es aufgemacht hat.« Er schloß es, zog die Vorhänge wieder zu und setzte sich. »Das ist nun gerade die Sache, die ich Sie bitten möchte, nicht zu berühren. Das Mädchen ist eben in dem Alter, in dem man leicht zu beeinflussen ist, und er hat wahrscheinlich großen Eindruck auf sie gemacht.«
»Also bestehen zwischen den beiden doch Beziehungen?« fragte Downer schnell.
»Ja, es ist eine Art von« – Wilmot zögerte – »ich weiß nicht recht, wie ich es ausdrücken soll. Er ist bedeutend älter als sie, und er hat alle Tricks gebraucht, um ...«
»Nein, ich glaube kaum, daß man es so bezeichnen kann«, entgegnete Mr. Downer. »Sollen wir nicht lieber sagen, daß sich eine Freundschaft zwischen ihnen entwickelt hat? Die Leser verstehen schon, was ich damit sagen will. Ich möchte nämlich die Vorstellung hervorrufen, daß er sich mit dem Mädchen eingelassen hat.«
Es klopfte leise an die Tür, und ein Dienstmädchen trat ein.
»Mr. Macleod möchte Sie sprechen.«
Die beiden wechselten einen schnellen Blick, und Downer nickte.
»Bitten Sie ihn herein«, sagte Wilmot, dem es plötzlich sehr unbehaglich wurde.
»Guten Abend, Downer – guten Abend, Mr. Wilmot.«
Andy blieb an der Tür stehen und betrachtete sie.
»Wollen Sie nicht Platz nehmen?« fragte Wilmot nervös. »Sie kennen Mr. Downer?«
»Sehr gut sogar«, erwiderte Andy gelassen.
»Sie sind doch nicht etwa über meinen Artikel ärgerlich?« fragte Downer mit gutgeheucheltem Erstaunen. »Sie sind schon zu lange im Fach, um sich darum zu kümmern, was die Zeitungen sagen.«
»Dieser Herr ist also die Quelle Ihrer Informationen?« Andy wies mit dem Kopf zu Wilmot hinüber.
»Das möchte ich nicht behaupten.«
»Downer, Sie halten sich in Ihren Artikeln gewöhnlich so eng wie möglich an die Wahrheit. Aber diesmal haben Sie einen Bericht losgelassen, der dazu bestimmt war« – Downer lächelte – »die Ziele der Justiz zu durchkreuzen. Unterbrechen Sie mich nicht. Ich habe Ihnen so etwas noch nie sagen müssen, und ich hoffe, daß ich es nicht wieder tun muß. Miss Nelson mag eine Klage gegen Ihre Zeitung erheben, oder nicht, das steht in ihrem Ermessen. Wenn sie es aber tut, dann wird es Ihre Zeitung zwanzigtausend Pfund kosten.«
»Mein Bericht geht auf eine zuverlässige Quelle zurück.«
»Sie meinen damit doch nicht etwa diesen Mann?« Andy zeigte auf den düster dreinschauenden Wilmot. »Ich werde Ihnen gleich zeigen, wie sehr Sie sich auf ihn verlassen können.« Er trat auf Arthur Wilmot zu und schaute verächtlich auf ihn hinunter. »Ich bin gekommen, um mich nach dem Verbleib einer Summe von 6370 Pfund zu erkundigen, die aus einem Geheimfach in Mr. Merrivans Bett entwendet wurden.«
Wilmot sprang auf, als ob er einen Schlag bekommen hätte.
»Was – was?« stammelte er.
»Außerdem sind noch verschiedene Dokumente von Ihnen gestohlen worden!«
»Gestohlen?« wiederholte Wilmot mit schriller Stimme. »Wie dürfen Sie das sagen? Ich bin der Erbe meines Onkels!«
»Sie wurden von Ihnen gestohlen, ich sage es noch einmal mit allem Nachdruck. Ob Sie der Erbe Ihres Onkels sind, wird das Gericht entscheiden. Es lag eine gewisse Heiratsurkunde dabei« – er schaute Wilmot scharf an, als er sprach, und er bemerkte seine Verwirrung. »Ich glaube, daß Sie noch in ernste Schwierigkeiten kommen werden. Was haben Sie mir darüber mitzuteilen?«
Artur Wilmot atmete schwer, er war unfähig zu sprechen.
Andy wandte sich an den Journalisten.
»Wird es Ihnen nun klar, daß dieser Mann unter einem schweren Verdacht steht und daß auch Sie eine Anzeige zu gewärtigen haben, da Sie mit ihm unter einer Decke stecken, um eine unschuldige Frau zu verdächtigen?«
»Ich habe mit der ganzen Sache nichts zu tun«, antwortete Downer. »Ich berichte nur die Tatsachen, die ich vorfinde.«
»Sie erfinden aber noch ein wenig dazu, Sie sind weit davon entfernt, objektiv zu sein, Downer. Im Gegenteil, Sie nehmen Partei. Ich muß hieraus den Schluß ziehen, daß Sie von dem Diebstahl wußten.«
»Ich würde mich doch an Ihrer Stelle hüten, von einem Diebstahl zu reden«, unterbrach ihn Mr. Wilmot, der seine Fassung wiedergefunden hatte. »Ich gebe zu, daß ich verschiedene Dinge aus jener Schublade genommen habe, aber das war der Wunsch meines Onkels.«
»Haben Sie denn die Sache seinem Rechtsanwalt gemeldet?« fragte Andy trocken.
»Das war nicht nötig.«
»Das war sehr nötig«, verbesserte Andy.
»Ich nahm diese Dinge, weil ich fürchtete, sie könnten in die Hände der Dienstboten fallen.«
»Was lag denn noch in der Schublade?«
»Wenn Sie früher gekommen wären, hätte ich Ihnen alles übergeben«, lenkte Wilmot ein.
»Ich möchte wissen, was Sie genommen haben.«
»Einen Trauschein, eine Geldsumme – es kann der Betrag gewesen sein, den Sie nannten, obgleich ich ihn nicht nachgezählt habe –, dann noch eine Liste von Sicherheiten und –«, er machte eine Pause und sprach dann mit besonderem Nachdruck weiter – »zwei gefälschte Wechsel von Mr. Nelson zugunsten Albert Selims, die von meinem Onkel akzeptiert waren. Aber die Unterschriften Mr. Merrivans waren gefälscht. Diese Wechsel sind mir von einem Verbrecher gestohlen worden, der in Ihren Diensten steht. Wahrscheinlich sind sie vernichtet worden.«
»Wann war das?« fragte Andy.
»Vor zwei Tagen.«
»Haben Sie die Sache angezeigt?«
»Nein, Sie wissen sehr gut, daß ich das nicht getan habe.«
»Warum denn nicht?« fragte Andy kühl. »Das Gesetz schützt Sie ebensogut wie jeden anderen. Sie erwarten doch nicht etwa, daß ich Ihnen glaube, Sie hätten sich ruhig zwei wertvolle Dokumente stehlen lassen und kein Wort davon gesagt, obwohl der ganze Ort von Polizeibeamten wimmelt?«
Wilmot schwieg.
»Auf alle Fälle will ich die Sachen jetzt sehen. Wo sind sie?«
»Dort im Wandschrank«, sagte Wilmot mürrisch.
Er nahm einen Schlüsselbund aus der Tasche und begann daran zu suchen.
»Wo zum Teufel ist denn der Schlüssel zum Safe?«
Wilmots Bestürzung war echt. Hastig ließ er einen Schlüssel nach dem anderen durch die Finger gleiten.
»Der Schlüssel war heute nachmittag noch an dem Bund, als ich zum Baden ging. Ich habe ihn nur einen Augenblick aus der Hand gelegt.«
Er schob das Paneel beiseite, das den Geldschrank verdeckte.
»Die Tür ist ja gar nicht geschlossen«, sagte Andy.
Mit einem überraschten Ausruf öffnete Wilmot die Tür ganz und faßte hinein.
»Großer Gott!« rief er erleichtert. »Ich dachte, jemand habe sie gestohlen!«
Er warf die Brieftasche auf den Tisch.
»Und die anderen Dokumente?«
»Hier ist die Liste der Sicherheiten und hier ...« er suchte und tastete noch einmal. Andy sah, daß er verstört war. »Aber ich kann einen Eid darauf leisten, daß ich ihn hierhergelegt habe.«
»Was denn?«
»Der Trauschein ist verschwunden!«
Andys Blick fiel in diesem Moment zufällig auf die Tür. Zwischen dem Türrahmen und den dunkelblauen Samtvorhängen, welche da ein Fenster verdeckten, war der Lichtschalter angebracht. Andy sah, wie eine Hand hinter dem