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GIUSEPPE VERDIS WIENBESUCHE. Christian SpringerЧитать онлайн книгу.

GIUSEPPE VERDIS WIENBESUCHE - Christian Springer


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      Ganz abgesehen von der ungeeigneten Truppe [des San Carlo], möchte ich, dass Euer Theater [...] einige Änderungen vornimmt, die aufgrund der modernen Partituren unerläßlich sind, und zwar sowohl, was die Inszenierungen anlangt, als auch den Chor und vielleicht auch das Orchester. Wie könnt Ihr, um nur ein Beispiel anzuführen, hinnehmen, dass die Violen und die Celli getrennt voneinander sitzen? Wie kann es da einen [präzisen] Einsatz der Streicher, Farbgebung, Akzente usw. usw. geben? Abgesehen davon fehlt der volle Klang der Gruppe der Streichinstrumente. Das ist ein Überbleibsel aus vergangenen Zeiten, als Violen und Celli noch im Unisono mit den Kontrabässen spielten. Verdammte Gewohnheiten! In diesem Zusammenhang möchte ich Euch eine Geschichte erzählen. Als ich nach Wien kam und sah, dass die Kontrabässe in der Mitte des Orchesters gruppiert waren (ich, der ich daran gewöhnt war, sie über das ganze Orchester verstreut sitzen zu sehen), war ich höchst überrascht und [konnte mir] ein maliziöses Lächeln [nicht verkneifen], das besagen wollte „schau dir diese deutschen Tölpel{7} an usw.“; als ich aber ins Orchester ging und vor diesen Kontrabässen stand, als ich diesen kraftvollen Einsatz, die Präzision, die Reinheit, die Piani, die Forti usw. [ihres Spiels] hörte, erkannte ich, dass ich der Tölpel war, und lachte nicht mehr.{8}

      Die von Verdi kritisierte Orchesteraufstellung in Italien war nicht zufällig erfolgt. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts saßen an den italienischen Opernhäusern die Musiker zumeist mit dem Rücken zum Publikum, der Bühne zugewandt. Sie saßen auch nicht in einem Graben wie heute, sondern auf Höhe des Parketts (Orchestergräben wurden an italienischen Häusern erst um die Jahrhundertwende eingebaut, an der Mailänder Scala beispielsweise erst 1906). Der Dirigent, der zumeist der Konzertmeister war und mit dem Geigenbogen dirigierte, stand vorne an der Bühnenrampe, wandte sich ebenfalls der Bühne zu und dirigierte mit dem Rücken zu den Orchestermusikern.

      Wie man sieht, war die italienische Orchesterdisposition der Bühne und dem Gesang untergeordnet. Die verstreute Aufstellung der Violen, Celli und Kontrabässe mit ihrem obertonreichen Klang nahe der Bühne war ebenfalls auf die Unterstützung der Sänger ausgerichtet. Die Einstudierung des Ganzen oblag dem im Orchester spielenden maestro al cembalo, für gewöhnlich der maestro di cappella der Stadt, in welchem sich das jeweilige Theater befand. Die Komponisten neuer Opern waren vertraglich verpflichtet, den ersten drei Vorstellungen neben dem maestro al cembalo beizuwohnen.

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      Giuseppe Verdi zur Zeit seines Wien-Debuts

      Am 4. und 5. April 1843 dirigierte Verdi am Kärntnertortheater seinen Nabucco mit diesem für italienische Begriffe höchst fortschrittlichen Orchester. Es war dies bereits die von Otto Nicolai ins Leben gerufene Urform der Wiener Philharmoniker, deren erstes Konzert – auf den Ankündigungsplakaten als „Philharmonische Akademie“, auf dem Programmzettel dann als „ein großes Concert“ bezeichnet – am 28. März 1842 stattgefunden hatte. Bereits das zweite Konzert am 27. November 1842, bei dem „das sämmtliche Orchester=Personal des k.k. Hof=Operntheaters“ spielte, trug die Bezeichnung „das zweite Philharmonische Concert“, obwohl kein erstes mit diesem Namen stattgefunden hatte.

      Die Nabucco-Proben hatte Gaetano Donizetti geleitet.{9} In diesem Stadium der Vorbereitung der Spielzeit waren sowohl Donizetti als auch Verdi noch davon ausgegangen, dass Nabucco die Eröffnungsvorstellung sein würde. Die Sopranistin Eugenia Tadolini, die in der zweiten Oper der Spielzeit – in Donizettis in Wien im Vorjahr mit großem Erfolg uraufgeführter Linda di Chamounix – auftreten sollte, kam von weither angereist und sollte, wie Merelli meinte, die Möglichkeit haben, sich vor ihren Wiener Auftritten auszuruhen.{10} Doch es kam anders: Die etablierte Primadonna bestand darauf, die Saison als Linda zu eröffnen, und der Debutant Verdi hatte das Nachsehen.

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      Die Titelpartie des Nabucco war mit dem Bariton der Uraufführung, Giorgio Ronconi, einem musikhistorisch bedeutenden Sänger, dem ersten echten Bariton der Operngeschichte, optimal besetzt.

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      Der Bariton Giorgio Ronconi (1810-1890)

      Der Zaccaria war Prosper Dérivis, auch er aus der Mailänder Uraufführungsbesetzung. Beide waren an dem großen Erfolg des Nabucco an der Scala maßgeblich beteiligt gewesen. Die Abigaille wurde von der ausgezeichneten Teresa De Giuli Borsi gesungen. Sie hatte die Partie nach der ersten Serie (acht Vorstellungen) an der Mailänder Scala von Giuseppina Strepponi, der späteren zweiten Gattin Verdis, die mit der Rolle stimmlich überfordert war, übernommen. Die Fenena war Francesca Salvini{11}, der Ismaele Giovanni Severi.

      Die Rezeption der ersten in Wien aufgeführten Verdi-Oper ist in meinem Buch Eduard Hanslick über Giuseppe Verdis Opern – „... das Geschmack- und Sinnloseste, was die neuere Opern-Literatur hervorgebracht hat – das Werk eines geistlosen Charlatans ...“{12} ausführlich dargestellt. Verdi selbst befand in seiner üblichen trockenen Weise:

      Es war ein größerer Erfolg als ich erwartet hatte, nachdem ich die Intrigen einer gewissen Person hier beobachtet hatte.{13}

      Bei der „gewissen Person“ dürfte es sich, wie zu sehen sein wird, um Otto Nicolai gehandelt haben.

      EIN FÖRDERER VERDIS: GAETANO DONIZETTI ...

      Zur Zeit von Verdis Wien-Debut hatte sich Gaetano Donizetti, der in Wien als Opernkomponist seit längerem eine bekannte Größe war, mit Unterstützung seines Jugendfreundes Merelli in dieser Stadt etabliert. Er kannte Merelli vom gemeinsamen Musikstudium in Bergamo bei Simon Mayr her. Zu einigen frühen Donizetti-Opern hatte Merelli die Libretti verfasst.{14} Auf seiner Reise nach Wien dirigierte Donizetti, der in Mailand soeben die triumphale Uraufführung von Verdis Nabucco erlebt hatte, am 18. März 1842 in Bologna auf Rossinis Wunsch die italienische Erstaufführung von dessen Stabat mater. Kurz nach seinem Eintreffen in Wien machte er das Werk zuerst bei Hof in einer Privataufführung bekannt (in Ermangelung des Orchestermaterials mit zwei Klavieren, sechs hochberühmten Solisten{15} und sechzehn Choristen), am 31. Mai mit Originalbesetzung in einer öffentlichen Aufführung im „Großen Redoutensaal“. Mit seiner für Wien geschriebenen Oper Linda di Chamounix erzielte er am 19. Mai 1842 einen triumphalen Erfolg. Darüber hinaus gelang es ihm rasch, das Wohlwollen des Staatskanzlers Klemens Wenzel Fürst von Metternich zu gewinnen, dem er ein Empfehlungsschreiben Rossinis überreicht hatte. Sein Durchbruch im musikalisch als äußerst schwieriger Boden bekannten Wien trug ihm die Ernennung zum k.k. Kammerkapellmeister und Hofcompositeur ein, ein mit 12.000 österreichischen Lire{16} Jahresgehalt für damalige Verhältnisse sehr gut dotierter Posten (mit Vergünstigungen wie z.B. sechs Monate Urlaub).{17}

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      Gaetano Donizetti (1797-1848)

      Donizetti, der den Weg für neue Talente freimachen wollte, prophezeite Verdi eine große Zukunft. In einem (im Original in französischer Sprache verfassten) Brief an die Gräfin Giuseppina Appiani{18} vom 22. Jänner 1844 schrieb er:

      [...] meine Zeit ist abgelaufen, jemand anderer muß meinen Platz einnehmen. [...] Ich bin überglücklich, ihn für Talente wie Verdi zu räumen. [...] Ihr könnt über den Erfolg dieses jungen Mannes ganz beruhigt sein. Die Venezianer werden ihn genauso schätzen wie die Mailänder, denn das Herz ist überall gleich. Talent wird überall geschätzt werden etc. Auch wenn der Erfolg nicht den Erwartungen seiner Freunde entspricht, wird das den guten Verdi nicht daran hindern, in Kürze eine der ehrenvollsten Plätze in der Kohorte der Komponisten einzunehmen.{19}

      Er schätzte die Kompositionen seines Kollegen so sehr, dass er sofort nach der Ernani-Uraufführung (Venedig, Teatro La Fenice, 9. März 1844) anbot, diese neue Oper in Wien selbst einzustudieren. Die erste Aufführung fand am Kärntnertortheater bereits am 30. April 1844 statt. Ein Zeitungsbericht bringt Verdis Erinnerungen an einige Details aus dieser Zeit:

      Verdi


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