Sturmhöhe. Emily BronteЧитать онлайн книгу.
war auch Heathcliff da. Er stand am Feuer, mit dem Rücken zu mir, und machte Zillah einen stürmischen Auftritt. Sie unterbrach einige Male ihre Arbeit, hob den Zipfel ihrer Schürze und ließ einen entrüsteten Seufzer hören.
»Du nichtswürdiges –!« brach er, bei meinem Eintritt, gegen seine Schwiegertochter los, mit einem Schimpfwort wie Gans oder Schaf, das man im Buch durch einen Gedankenstrich zu ersetzen pflegt. »Beschäftigst du dich wieder mit deinem blödsinnigen Zeug! Andere verdienen ihr Brot, du lebst von meiner Gnade! Leg deinen Kram weg und tu etwas Vernünftiges. Es ist eine Plage, dich ewig vor Augen zu haben! Hörst du, verdammtes Frauenzimmer?«
»Ich will meinen Kram weglegen, weil du mich dazu zwingen kannst.« Die junge Dame schlug ihr Buch zu und warf es auf einen Stuhl. »Aber sonst mache ich nur, was mir beliebt, und wenn du dir die Zunge aus dem Munde fluchst.«
Heathcliff hob die Hand, und das Mädchen, wahrscheinlich mit deren Gewicht vertraut, brachte sich in Sicherheit. Um in diesen Kampf von Hund und Katze nicht hineingezogen zu werden, trat ich rasch an den Kamin, als wollte ich mich nur wärmen, und als ahnte ich nichts von einem Streit. Sie hatten Geschmack genug, die Feindseligkeiten einzustellen. Heathcliff steckte die Fäuste lieber in die Taschen, und Mrs. Heathcliff schritt mit gekräuselten Lippen auf einen entfernten Sitz zu. Solange ich anwesend war, verharrte sie dort, ihrer Ankündigung getreu, untätig wie eine Bildsäule. Ich lehnte die Teilnahme am Frühstück ab und suchte beim Grauen des Tages die erste Gelegenheit, um in die frische Luft zu entkommen.
Es war klar und still und eisig kalt. Bevor ich das Ende des Gartens erreicht hatte, rief Heathcliff hinter mir her und bot mir seine Begleitung durch das Moor an. Das war nötig, denn der ganze Hügelrücken glich einem einzigen weißen Meer. Die Höhen und Tiefen entsprachen nicht mehr den Hebungen und Senkungen des Bodens. Viele Löcher waren bis zum Rand gefüllt; ganze Reihen von Gruben in den Steinbrüchen waren aus dem Landschaftsbild, so wie ich es mir gestern im Geist ausgemalt hatte, hinweggewischt. Auf der einen Seite der Straße hatte ich mir in Abständen von sechs bis sieben Ellen gewisse aufrecht stehende Steine gemerkt, deren Linie sich durch die ganze Einöde fortsetzte. Sie waren mit Kalk angestrichen, um im Dunkeln als Führer zu dienen, falls ein starker Schneefall den Unterschied zwischen dem tiefer gelegenen Sumpf zu beiden Seiten und dem festen Wege austilgen würde. Aber außer einem hin und wieder sich abzeichnenden schmutzigen Fleck war jede andere Spur verschneit. Mein Begleiter mußte mich oft nach rechts oder links weisen, während ich genau den Windungen der Straße zu folgen meinte. Wir sprachen wenig, und am Eingang zum Thrushcross-Park kehrte er um, denn ich könne mich nicht mehr verirren. Unser Abschied beschränkte sich auf eine kurze Verbeugung. Da die Pförtnerwohnung noch nicht vergeben ist, ging ich unbetreut weiter, und die zwei Meilen vom Tor bis Grange verdoppelten sich bei mir, denn die Bäume verwirrten mich, ich versank bis zum Hals im Schnee. Jedenfalls schlug die Uhr zwölf, als ich das Haus betrat, was genau einer Stunde für jede Meile der tatsächlichen Entfernung von Wuthering Heights entsprach.
Meine Hausdame und ihr Gefolge rannten zu meiner Begrüßung herbei, mit großem Geschrei. Sie hatten mich schon vollkommen aufgegeben, ich mußte in dieser Nacht umgekommen sein, und sie hatten nur noch nicht gewußt, wie sie die Suche nach meinem Leichnam aufnehmen sollten. Ich beruhigte sie, da ich ganz persönlich wieder anwesend sei, und schleppte mich, bis ins Innerste erstarrt, die Treppe hinauf. Als ich trockene Kleider angezogen hatte und eine Dreiviertelstunde lang hin und her gegangen war, verfügte ich mich, ein wenig erwärmt, in mein Arbeitszimmer. Ich war noch immer zu schwach, um mich von Herzen an dem lustigen Feuer und dem dampfenden Kaffee zu erfreuen, den man mir bereitet hatte.
Viertes Kapitel
Was für eitle Wetterhähne sind wir! Ich hatte doch beschlossen, mich von allem geselligen Umgang fernzuhalten – und meinem Stern dafür gedankt, daß ich endlich an einen Ort gekommen war, wo ich diesen Wunsch vielleicht verwirklichen konnte! Ich Schwächling, bis zum Beginn der Dämmerung kämpfte ich gegen Trübsinn und Einsamkeit an und mußte die Segel streichen. Unter dem Vorwand, daß ich Auskünfte übe den Haushalt benötigte, ersuchte ich Mrs. Dean, die mir das Abendbrot brachte, sich während des Essens zu mir zu setzen. Inständig hoffte ich, sie würde sich als eine regelrechte Klatschbase erweisen und mich mit möglichst viel Geschwätz entweder aufmuntern oder schläfrig machen.
»Sie wohnen schon lange hier, sechzehn Jahre lang, sagten Sie?« begann ich.
»Achtzehn, Mr. Lockwood. Als die gnädige Frau heiratete, kam ich her, und als sie starb, behielt mich der Herr als Haushälterin.«
»So, so.«
Eine Pause folgte. Sie war also keine richtige Schwätzerin oder nur in ihren eigenen Angelegenheiten, die mich nicht viel angingen. Aber als sie eine Weile nachgedacht hatte, eine Faust auf die Knie gestützt, tiefes Grübeln in dem rotbäckigen Gesicht, rief sie endlich aus: »Ach, wie sich die Zeiten inzwischen geändert haben!«
»Sie haben gewiß mancherlei Wandlungen erlebt?«
»Allerdings, und viel Unglück.«
Ich dachte: Ich werde das Gespräch auf die Familie meines Gutsherrn bringen. Ein guter Gegenstand für den Anfang. Und auf die hübsche mädchenhafte Witwe; ich möchte ihre Geschichte kennen. Ob sie aus der Gegend stammt oder, wie wahrscheinlich, exotisches Gewächs ist, das die beschränkten Einheimischen nicht als Verwandte anerkennen wollen. Also fragte ich Mrs. Dean, warum Heathcliff dieses Thrushcross Grange verpachtet habe und warum er selbst eine so unansehnliche Wohnung und Lebensweise vorziehe. »Ist er nicht reich genug, um dies Besitztum instand zu halten?«
»Reich, Herr? Er hat wer weiß wieviel Geld, und jedes Jahr wird es mehr. O ja, er ist reich genug, um in einem noch viel schöneren Hause zu leben, als dieses ist. Aber er ist knauserig, er hält sozusagen die Taschen zu. Wäre er hierher gezogen und hätte plötzlich von einem guten Pächter gehört, es wäre ihm unerträglich gewesen, auf ein paar Hundert verzichten zu müssen. Sonderbar, wie Leute so geizig sein können, wenn sie in der Welt allein stehen.«
»Er hatte doch einen Sohn?«
»Stimmt, aber der ist tot.«
»Und die junge Dame, Mrs. Heathcliff, ist die Witwe dieses Sohnes?«
»Jawohl.«
»Woher stammt sie eigentlich?«
»Sie ist die Tochter meines verstorbenen Herrn, ihr Mädchenname ist Catherine Linton. Ich habe das arme Ding großgezogen. Nach dem Tode des Mannes, dachte ich, würde Mr. Heathcliff sie zurückschicken, und wir hätten wieder zusammenleben können.«
»Wie? Catherine Linton?« rief ich erstaunt, aber ich überlegte, dies könne nicht meine gespenstische Catherine sein, und fuhr fort: »Dann hieß mein Vorgänger Linton? Und wer ist dieser Hareton Earnshaw, der bei Mr. Heathcliff wohnt? Sind sie verwandt?«
»Nein, er ist der Neffe der verstorbenen Mrs. Linton, also der Vetter der jungen Dame, und ihr Mann war gleichfalls ihr Vetter, also der eine mütterlicherseits, der andere väterlicherseits, denn Heathcliff hat Mr. Lintons Schwester geheiratet.«
»Ich sah, daß über dem Eingang auf Wuthering Heights, –Earnshaw? eingemeißelt steht. Ist es eine alte Familie?«
»Sehr alt, und Hareton ist der letzte von ihnen, wie unsere Miß Cathy die letzte von uns ist, ich meine von den Lintons. Waren Sie oben? Dann verzeihen Sie, wenn ich nach ihr frage, ich wüßte gern, wie es ihr geht.«
»Mrs. Heathcliff sah gesund und schön aus. Aber sie scheint nicht glücklich zu sein.«
»Mein Gott, das wundert mich nicht. Wie gefiel Ihnen denn der Herr?«
»Ein ordentlicher Grobian, nicht wahr, Mrs. Dean?«
»Grob wie ein Reibeisen und hart wie Basalt. Je weniger Sie mit ihm zu tun haben, desto besser.«
»Er muß allerhand Höhen und Tiefen erlebt haben, um ein solcher Sonderling zu werden. Wissen Sie etwas aus seinem Leben?«
»Er ist ein Kuckucksei, Mr. Lockwood. Ich weiß alles von ihm, nur nicht, wo er geboren ist, wer seine Eltern