TARZANS RÜCKKEHR. Edgar Rice BurroughsЧитать онлайн книгу.
glaubte ich auch, bis ich ihn sah - ihn und seinen Kumpan Paulvitsch. Olga, ich dulde nicht länger, dass er dich verfolgt. Früher oder später werde ich ihn den Behörden übergeben. Ich habe nicht übel Lust, dem Kapitän alles zu erklären, bevor wir am Ziel sind. An Bord eines französischen Ozeandampfers dürfte es ein Leichtes sein, ihm endgültig das Handwerk zu legen.«
»Nein, Raoul, nein«, rief sie und sank vor ihm auf die Knie. »Tue es nicht, Raoul. Erinnere dich an das, was du mir versprochen hast. Sag, dass du es nicht tun wirst. Versprich mir, ihm nicht einmal zu drohen, Raoul!«
Der Graf blieb lange stumm. Dann sagte er: »Also gut, Olga. Ich verspreche es dir, obwohl ich dich nicht verstehe. Er hat keinen Anspruch mehr auf deinen Schutz. Er bedroht dein Leben und unser beider Ehre. Ich hoffe, du wirst es nie bereuen, dich schützend vor ihn gestellt zu haben.«
»Ich stelle mich nicht schützend vor ihn«, unterbrach sie ihn heftig. »Wahrscheinlich hasse ich ihn nicht weniger als du, aber - Blut ist dicker als Wasser.«
»Er hat versucht, mir die Ehre zu nehmen«, sagte der Graf und berichtete, was sich im Rauchsalon abgespielt hatte. »Wäre dieser Fremde nicht aufgetaucht, so wäre es um mich geschehen gewesen, denn was hätte mein Wort gegen die Karten in meiner Tasche genützt. Monsieur Tarzan war tatsächlich der rettende Engel, Olga.«
»Monsieur Tarzan?«, wiederholte die Gräfin überrascht.
»Ja. Kennst du ihn?«
Sie nickte. »Einer der Stewards machte mich auf ihn aufmerksam.«
»Ich wusste nicht, dass er eine Berühmtheit ist«, sagte der Graf, und Olga de Coude beeilte sich, das Thema zu wechseln.
Zweites Kapitel
Erst am Nachmittag des folgenden Tages sah Tarzan die beiden Männer wieder, die seinen Weg gekreuzt hatten. Völlig unerwartet traf er. auf Rokoff und Paulvitsch, die an einer verlassenen Stelle des Promenadendecks standen. Zwischen ihnen befand sich eine elegant gekleidete schlanke Frau, deren Gesicht hinter einem dichten Schleier verborgen war. Die Männer drehten Tarzan den Rücken zu, so dass er sich nähern konnte, ohne von ihnen bemerkt zu werden. Rokoff schien die Frau zu bedrohen, aber da sie in einer fremden Sprache sprachen, verstand Tarzan nicht, worum es ging. Aus Rokoffs aggressiver Haltung spürte Tarzan die Gefahr, und gleich darauf packte der Russe den Arm der Frau mit brutaler Gewalt, als wollte er von ihr ein Versprechen erzwingen. Aber er kam nicht dazu, seine Absicht auszuführen. Eine stählerne Hand schloss sich um sein Gelenk und wirbelte ihn herum. Er starrte in die kalten grauen Augen des Fremden, dem er tags zuvor begegnet war.
»Zum Teufel, was soll das?«, schrie er wutentbrannt. »Sind Sie ein Narr, sich schon wieder gegen Nikolas Rokoff zu stellen?«
»Dies ist meine Antwort auf Ihre freundlichen Zeilen, Monsieur«, sagte Tarzan und gab dem Mann einen Stoß, der Rokoff gegen die Reling schleuderte.
Tobend vor Wut versuchte der Russe, eine Pistole aus der Tasche zu ziehen. Die Frau zuckte furchtsam zurück.
»Nikolas!«, rief sie. »Tu es nicht! Schnell, Monsieur, fliehen Sie, sonst tötet er Sie bestimmt.«
Statt ihrer Aufforderung zu folgen, trat Tarzan den Tobenden entgegen. »Machen Sie sich nicht zum Narren, Monsieur«, sagte er kalt.
Rokoff war es gelungen, die Waffe zu ziehen. Er hob sie, zielte auf Tarzans Brust und drückte ab. Ein metallisches Klicken ertönte. Der Hammer war auf eine leere Kammer gefallen. Tarzans Hand schoss vor, ein heftiger Ruck, und die Pistole glitt über das Deck und versank im Atlantik.
Sekundenlang standen sich die Männer schweigend gegenüber. Rokoff hatte seine Haltung wiedergefunden. Er sprach zuerst: »Monsieur, Sie haben sich nun zweimal in Dinge gemischt, die Sie nichts angehen. Zweimal haben Sie Nikolas Rokoff der Lächerlichkeit preisgegeben. Das Maß ist voll. Sie werden sich an mich erinnern.«
»Ich weiß, dass Sie ein Lump und ein Feigling sind, Monsieur«, sagte Tarzan kalt. »Das genügt mir. Mehr brauche ich nicht zu wissen.« Er wandte sich um, um die Frau zu fragen, ob sie verletzt worden sei, aber sie war verschwunden. Er hatte ihr Gesicht nicht gesehen. Das einzige, woran er sich erinnerte, war ein kostbar geschmiedeter Ring an der Hand, die Rokoff gepackt hatte. Er beschloss, nach diesem Ring Ausschau zu halten. Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und kehrte zu seinem Deckstuhl zurück.
Seine Gedanken wanderten zurück in die Wildnis des Dschungels. Er erinnerte sich an den Tag, als ihm das erste menschliche Wesen begegnet war - der schlanke schwarze Kulonga, dessen tödlicher Speer das Leben Kalas, der großen Äffin, ausgelöscht und den jungen Tarzan der einzigen Mutter, die er je gekannt hatte, beraubt hatte.
Er erinnerte sich an die Ermordung Kings, an den Mann mit dem Rattengesicht, der Aussetzung Professor Porters und seiner Gefährten durch die Meuterer der Arrow; die Grausamkeiten der schwarzen Krieger und Frauen Mbongas an ihren Gefangenen kamen ihm zu Bewusstsein, die kleinen Eifersüchteleien der Beamten und Offiziere der Kolonie an der Westküste, die seine erste Begegnung mit der Zivilisation darstellten.
»Mon dieu«, sagte er leise vor sich hin. »Sie sind alle gleich. Sie betrügen, morden, lügen und bekämpfen einander. Und alles um des Geldes willen, mit dem sie sich die Annehmlichkeiten des Lebens erkaufen wollen. Es ist eine verrückte Welt, und ich war ein Narr, die Freiheit des Dschungels dagegen einzutauschen.«
Plötzlich überkam ihn das Gefühl, beobachtet zu werden. Instinktiv wandte er schnell den Kopf und begegnete dem Blick einer jungen Frau, die überrascht und verlegen nach ihrem Hut griff, um das Deck zu verlassen. Als sie sich den Hut auf das Haar drückte, erkannte Tarzan den Ring, der ihm kurz zuvor auf gefallen war. Dies war also die schöne Frau, die Rokoff belästigt hatte, und er fragte sich, in welcher Beziehung sie zu dem Russen stehen mochte.
Nach dem Abendessen machte Tarzan den gewohnten Spaziergang an Deck. Er stand hinter einem Rettungsboot verborgen, als zwei Männer sich näherten. Was sie sagten, veranlasste Tarzan, ihnen zu folgen. Er hatte die Stimme als die Rokoffs erkannt und seinen Gefährten als Paulvitsch. Er hatte nur wenige Worte aufgefangen, aber diese hatten genügt, ihn seinen Entschluss fassen zu lassen.
»Und wenn sie schreit, würgst du sie, bis sie...«, hatte Rokoff gesagt.
Er folgte ihnen wie ein Schatten, alle Sinne gespannt. Sie schlenderten zum Rauchsalon, blieben aber nur an der Tür stehen, anscheinend um sich von der Anwesenheit einer bestimmten Person zu überzeugen. Dann gingen sie zu den neben dem Promenadendeck gelegenen Erste-Klasse-Kabinen weiter. Die Verfolgung wurde schwieriger, aber es gelang Tarzan, unentdeckt zu bleiben. Vor einer der glänzend polierten Türen hielten sie, und Tarzan presste sich in eine schmale Lücke des Ganges.
Einer der Männer klopfte, und eine Frauenstimme fragte auf Französisch: »Wer ist da?«
»Ich bin es, Olga, Nikolas«, kam die Antwort in Rokoffs vertrauter Stimme. »Kann ich hineinkommen?«
»Warum hörst du nicht auf, mir nachzustellen, Nikolas?«, fragte die Frauenstimme. »Was habe ich dir getan?«
»Ich möchte nur ein paar Worte mit dir sprechen«, sagte Rokoff drängend. »Ich tue dir nichts und ich werde auch die Kabine nicht betreten, aber ich kann nicht sprechen, wenn die Tür zwischen uns geschlossen ist.«
Tarzan hörte, wie der Riegel zurückgeschoben wurde. Rokoff stand direkt vor der Tür, Paulvitsch hatte sich flach gegen die Wand gepresst. Die Tür wurde geöffnet. Rokoff trat einen halben Schritt vor und sprach mit gedämpfter Stimme zu einer Frau, die Tarzan nicht sehen konnte. Dann sprach die Frau, und Tarzan verstand die Worte:
»Nein, Nikolas, es ist zwecklos. Du magst drohen, soviel du willst, ich werde deinen Forderungen nicht nachgeben. Bitte verlasse den Raum, du hast versprochen, ihn nicht zu betreten.«
»Gut, Olga, aber du wirst bereuen, mir nicht den Gefallen zu erweisen, um den ich dich bat. Letzten Endes bleibe ich doch Sieger. Warum willst du dir nicht die Schande ersparen, die ich...«
»Niemals, Nikolas«, sagte die Frau mit fester Stimme. Tarzan sah, wie Rokoff seinem Kumpan zunickte.