TARZANS RÜCKKEHR. Edgar Rice BurroughsЧитать онлайн книгу.
wird es jemandem gelingen, mich hinter eiserne Gitter zu sperren«, sagte Tarzan ruhig.
D'Arnot blickte auf und musterte seinen Freund. Er sah Tarzans energisches Gesicht und wusste, dass etwas geschehen musste, bevor es zu einem erneuten Zusammenstoß zwischen Tarzan und der Polizei kam.
»Sie müssen noch viel lernen, Tarzan«, sagte er ernst. »Die Gesetze müssen respektiert werden, ob sie Ihnen gefallen oder nicht. Wenn Sie sich weiter gegen die Polizei stellen, erwachsen Ihnen und Ihren Freunden nur Unannehmlichkeiten. Einmal werde ich der Polizei eine zufriedenstellende Erklärung abgeben können, und das wird noch heute geschehen, aber danach müssen Sie sich dem Gesetz fügen. Kommen Sie, wir werden meinen Freund in der Präfektur besuchen und ihm erklären, was in der Rue Maule geschah.«
Eine halbe Stunde später betraten sie das Büro des hohen Polizeibeamten, der sie herzlich empfing. Er erinnerte sich an den Besuch, den Tarzan ihm Monate zuvor in der Sache der Fingerabdrücke abgestattet hatte.
Als d'Arnot seinen Bericht beendet hatte, umspielte ein Lächeln die Lippen des Beamten. Er suchte unter den Papieren auf seinem Schreibtisch, zog ein Blatt heraus und übergab es dem Uniformierten, der auf einen Klingeldruck erschien.
»Hier, Jubon«, sagte er. »Rufen Sie diese Beamten zusammen und sorgen Sie dafür, dass sie sogleich zu mir kommen.«
Dann wandte er sich an Tarzan. »Sie haben sich eines schweren Verstoßes gegen die Gesetze schuldig gemacht, und ich müsste Sie mit aller Härte anfassen«, sagte er nicht unfreundlich. »Stattdessen werde ich etwas tun, was nicht in den Dienstvorschriften steht. Ich habe die Polizisten rufen lassen, die gestern von Ihnen so übel zugerichtet wurden. Sie sollen sich Leutnant d'Arnots Version anhören, und ich werde es ihrer Entscheidung überlassen, ob Strafanzeige gegen Sie erstattet wird oder nicht. Die Beamten, die von Ihnen angegriffen wurden, taten nur ihre Pflicht. Sie setzen jeden Tag ihr Leben ein, um Leben und Besitz anderer zu schützen. Sie würden das Gleiche auch für Sie tun. Sie sind tapfere Männer und fühlen sich besonders beschämt, weil sie einem einzelnen und noch dazu unbewaffneten Mann unterlagen.«
Die weitere Unterhaltung wurde durch den Eintritt der vier Polizisten unterbrochen. Überraschung zeigte sich auf ihren Mienen, als sie Tarzan erkannten.
»Messieurs, hier ist der Gentleman, dem Sie gestern Abend in der Rue Maule begegneten«, sagte der Präfekt. »Er ist freiwillig gekommen, um sich zu stellen. Leutnant d'Arnot wird Ihnen aus seinem Leben erzählen. Ich möchte, dass Sie aufmerksam zuhören. Vielleicht verstehen Sie dann die Haltung, die er Ihnen gegenüber gestern einnahm. Fangen Sie an, Leutnant.«
D'Arnot sprach etwa eine halbe Stunde zu den Polizisten. Er berichtete ihnen von Tarzans wildem Dschungelleben. Er erklärte ihnen, dass sich im Dschungel jedes Tier gegen einen Angriff verteidigt. Er ließ durchblicken, dass Tarzan die Situation nicht begriffen habe, dass purer Selbsterhaltungstrieb und Instinkt ihn zum Handeln veranlasst hatten.
»Ihr Stolz ist verletzt worden«, schloss er. »Ich verstehe Ihre Gefühle. Aber Sie brauchen keine Scham zu empfinden. Sie würden nicht nach einer Entschuldigung suchen, hätte man Sie in jenem Raum mit einem wilden Löwen oder einem mächtigen Gorilla eingesperrt. Es ist keine Schande, der übermenschlichen Stärke eines Tarzans zu unterliegen.«
Die Männer waren beeindruckt, und Tarzan tat das Seine, den letzten Rest von Feindschaft, den sie empfinden mochten, zu beseitigen. Mit ausgestreckter Hand ging er auf die Männer zu.
»Es tut mir leid, dass ich in Unkenntnis falsch handelte«, sagte er schlicht. »Lassen Sie uns von nun an Freunde sein.«
Damit war die Angelegenheit bereinigt, aber sie lieferte noch tagelang Gesprächsstoff auf allen Polizeistationen von Paris. Tarzan aber wusste, dass er vier treue Freunde gewonnen hatte.
Bei der Rückkehr in d'Arnots Wohnung fand der Leutnant einen Brief seines Freundes William Cecil Clayton, Lord Greystoke, vor.
»Sie werden in etwa zwei Monaten in London heiraten«, sagte er, als er die Lektüre beendet hatte. Er nannte keine Namen, aber Tarzan wusste, wer gemeint war. Die Nachricht machte ihn für den Rest des Tages stumm und nachdenklich.
Am Abend besuchten d'Arnot und Tarzan die Oper. In einer andern Loge entdeckte Tarzan Olga de Coude, die ihm lächelnd zunickte. Er eilte in der Pause zu ihr, um sie zu begrüßen.
»Ich habe oft gewünscht, Ihnen wieder zu begegnen«, sagte die Gräfin. »Es bedrückte mich, dass wir Ihnen nach allem, was Sie für uns taten, keine Erklärung geben konnten, die ein Licht auf jene unangenehmen Vorfälle werfen konnte, die Ihnen Gelegenheit gaben, sich für uns einzusetzen.«
»Sie sind mir keine Erklärung schuldig«, erwiderte Tarzan. »Wenn Sie aber meine Neugier stillen wollen - sind Sie weiterhin von den beiden Burschen belästigt worden?«
Die Gräfin nickte, und ein Schatten flog über ihr Gesicht. »Sie werden nie aufhören damit«, sagte sie. »Ich weiß, dass ich mich mit jemandem darüber aussprechen muss, und ich wüsste niemanden, der dies mehr verdiente als Sie, Monsieur. Eine Aussprache wird auch für Sie von Nutzen sein, denn ich kenne Nikolas Rokoff zur Genüge, um zu wissen, dass er Sie nicht vergessen hat. Was ich Ihnen erzählen werde, wird Ihnen neue Waffen im Kampf gegen ihn in die Hand geben. Hier ist nicht der geeignete Ort, es Ihnen zu erzählen, aber ich hoffe, Sie morgen um fünf Uhr als Gast bei mir zu sehen.«
»Die Zeit bis fünf Uhr wird mir wie eine Ewigkeit erscheinen«, sagte Tarzan und zog sich mit einer Verbeugung zurück, als das Klingelzeichen das Ende der Pause verkündete. Weder er noch Olga de Coude ahnten, dass zwei Augenpaare sie beobachtet hatten und dass ihr Gespräch mitgehört worden war.
Am nächsten Nachmittag um halb fünf läutete ein bärtiger Mann am Dienereingang des gräflichen Palastes. Der Diener, der die Tür öffnete, hob erstaunt die Brauen, als er den Besucher erkannte. Flüsternd unterhielten sich die beiden Männer, eine größere Banknote wechselte ihren Besitzer. Der Diener zögerte, dann führte er den Bärtigen auf Umwegen in den Salon, in dem die Gräfin ihre Besucher zu empfangen pflegte, wo er ihn hinter dem tiefreichenden Vorhang eines Erkers verbarg.
Eine halbe Stunde später betrat Tarzan den Raum. Lächelnd begrüßte ihn die Gräfin. »Ich freue mich, dass Sie gekommen sind«, sagte sie.
»Nur der Tod hätte mich daran hindern können«, erwiderte Tarzan.
Olga de Coude schenkte Tee ein, und sie sprachen über die Oper und andere gesellschaftliche Ereignisse, bis die Gräfin zum eigentlichen Thema kam.
»Sie werden sich gefragt haben, was Rokoff veranlasst, mich und meinen Mann zu verfolgen«, sagte sie. »Nun, es ist leicht zu erklären. Der Graf hat viele wichtige Unterlagen des Kriegsministeriums in Verwahrung. Oft ist er im Besitz von Dokumenten, für die fremde Mächte ein Vermögen ausgeben würden. Es handelt sich um Staatsgeheimnisse, die einen Agenten nicht vor Mord zurückschrecken lassen würden, wenn er dadurch in ihren Besitz gelangen könnte. Im Augenblick ist es besonders ein Dokument, das für die russische Regierung von größtem Interesse wäre. Rokoff und Paulvitsch sind russische Spione. Sie werden vor nichts zurückschrecken, um das Papier an sich zu bringen. Sie erinnern sich an das abgekartete Spiel im Rauchsalon des Ozeandampfers. Vielleicht ahnen Sie jetzt, was dahinter steckte. Wäre es Ihnen nicht gelungen, meinen Mann von dem auf ihm ruhenden Verdacht zu befreien, so hätte Rokoff ihn erpressen können. Seine Karriere wäre beendet gewesen, er hätte aus dem Kriegsministerium scheiden müssen, wäre gesellschaftlich geächtet gewesen. Sie vereitelten diesen Plan. Dann versuchten sie, meine Ehre statt jene des Grafen anzugreifen. Als Paulvitsch in meine Kabine kam, erklärte er mir, dass sie nur davon Abstand nehmen würden, wenn ich ihnen die Papiere beschaffte, um die es ihnen ging. Zum Glück wusste ich Dinge über Paulvitsch, die ihn an den Galgen bringen würden, wenn die Polizei in St. Petersburg davon erfuhr. Ich sagte es ihm, und er sprang mich an wie ein Wahnsinniger. Er hätte mich getötet, wäre er nicht durch Ihr Eingreifen daran gehindert worden.«
»Diese Teufel!«, sagte Tarzan.
Die Gräfin nickte. »Sie sind schlimmer als Teufel. Darum fürchte ich für Sie. Sie haben sich ihren Hass zugezogen.