Servus in Bhutan. Roland ReitmairЧитать онлайн книгу.
schätzte man die Einwohnerzahl auf ungefähr 1,3 Mio.
Ich müsste dort „unter härtesten Bedingungen“ in einem „Lager“ auf 3.000 m Seehöhe in einem österreichischen Forstprojekt als Buchhalter arbeiten.
„Buchhalter“ klang in der Tat nicht sehr verlockend, aber alles andere klang interessant und nach Abenteuer. Da wollte ich hin.
Ich absolvierte einen persönlichen Vorstelltermin, eine Zusage bekam ich nicht.
Etwa ein Monat lang hörte ich nichts mehr, ein Monat lang Hoffen und Warten.
Die Sache war für mich bereits erledigt, als ich plötzlich doch noch ein Telefonat erhielt: „Du bist unser Mann!“
Im Nachhinein denke ich, es war nicht Glück, dass ich das große Los zog. Es lag vielmehr an der seltsamen Konstellation des Vereins, der mit der Projektdurchführung betraut war.
Es gab dort zwei „Chefitäten“ in führender Position.
Der Rest ist leicht erklärt. Es war ein Machtspiel. Besagter Anrufer wollte einen anderen Bewerber bevorzugen, aber sein Gegenspieler setzte sich durch, obwohl er mich nicht kannte, nur um unter Beweis zu stellen, dass er „mehr“ zu sagen hat.
(Zu) Lange war die große Frage, ob der Posten überhaupt nachbesetzt werden sollte.
Die Verantwortlichen in Bhutan wollten die ständige „Personaldiskontinuität“ – wie sie sagten – nicht.
Österreich wiederum plädierte für die Besetzung des Buchhalters mit einem Zivildiener, weil das eine billige Lösung sei.
Kaum einigte man sich, ging es eben beinahe zu schnell. Jetzt sollte ich Hals über Kopf nur etwa eine Woche später abreisen.
(Ein)Berufung für den Wehrdienstverweigerer.
(Kloster Tak Tsang)
Reise(s)pass
Mein Hausarzt war zum Glück selbst Himalaya-erfahren. Er verpasste mir alle notwendigen Impfungen innerhalb weniger Stunden. Ich wäre noch jung, das würde mein Körper schon vertragen.
Dann liefen noch einige Faxmaschinen heiß, Ausweiskopie hin, Bestätigung retour. Antragsformular her, unterschrieben retour und so weiter und so fort.
Trotz aller Bemühungen war eine „ordentliche“ Planung meiner Reise nicht mehr möglich. Das Visum für Bhutan wurde nicht rechtzeitig fertig. Vorläufig gültige Papiere würde die Organisation nach Bangkok faxen, an einen Informationsschalter des Flughafens. Das Ticket von Bangkok nach Bhutan sollte ich danach selbst besorgen.
Nach meiner Landung in Bhutan würde ich abgeholt werden – „da findet sich schon irgendwer, keine Angst“.
Ok. Letzte Besorgungen. Die sieben Sachen packen. Vorsichtshalber den Schlafsack, natürlich den Discman und einen Weltempfänger.
Los ging’s.
Meine Eltern brachten mich nach Salzburg zum Flughafen. „Hoffentlich ist das kein Fehler“, sagten sie, „da sind so viele Dinge unsicher, so viel ungewiss…“
„Aber wo“, beruhigte ich, „was kann’s denn da schon haben? Im schlimmsten Fall flieg ich wieder heim.“
Ein wenig mulmig durch die ganze Hektik war aber mir auch. Tatsächlich flog ich ins Ungewisse.
„Komm gesund wieder…“
Ich umarmte die Eltern und checkte ein.
In Frankfurt hatte ich einige Stunden Aufenthalt. Ich wanderte gedankenverloren im Flughafengebäude herum. Die geschäftige Betriebsamkeit ging an mir wie ein Fernsehbild vorüber.
Endlich der Aufruf für meinen Flug.
Frankfurt entschwand im Nu. Die Farben verloren an Intensität und bald schon ging der klare Abendhimmel über in stockfinstere Nacht.
Neben mir machte es sich ein sehr dicker Mann bequem und kurz hatte ich die Vision, wie er mich mit seiner Körperfülle nachts gegen die Fensterscheibe drückt.
Die Stewardess servierte Getränke. Kindern wurde der Flug jetzt schon zu lange.
Später wurde das Licht gedimmt. Aber durch meine Aufregung konnte ich nicht schlafen.
Ich schaute immer wieder auf den flimmernden Bildschirm, der abwechselnd Cartoons und dann wieder unsere Flugroute und Position zeigte.
Nach unzähligen Zeichentrickfilmen wurde der Himmel lichter und tief unten trat die Landschaft verschwommen zu Tage.
Dann Bangkok.
Gerade hatte es noch gemütliche 22 Grad im Flugzeug, dann flimmerte einige Stufen darunter die Luft über dem Asphalt. Hohe Luftfeuchtigkeit. Sofort wurde mir schwindlig.
Erst in der ebenfalls klimatisierten „Arrivals-Hall“ erholte ich mich.
Dann suchte und irrte ich herum. Fragte mich durch bis zu jenem Informationsschalter, wo mein „vorläufiges“ Visum (als Fax) darauf wartete, von mir abgeholt zu werden. Müdigkeit plagte mich. Das Englisch des freundlichen Wachpersonals war gewöhnungsbedürftig. Ich verstand nicht alles.
Mein Anschlussflug nach Paro / Bhutan ging erst am Nachmittag. Zeit genug. Endlich der richtige Schalter, Pass herzeigen, kein Problem. Jetzt hatte ich die notwendigen Papiere beisammen.
Der kleine unscheinbare Schalter der „Druk Air“, der offiziellen staatlichen Fluglinie von Bhutan, war mir bei meiner Suche schon aufgefallen. Ich stellte mich mit meinem Visum an, wartete bis der Schalter öffnete. Bekam einen Tee serviert, und hielt kurz später mein Ticket in der Hand. Alles problemlos.
Eine Stunde noch, dann dürfte ich ins Flugzeug. „Sieht gut aus heute“, meinte einer der Herren, „heute können wir landen…“ Die Ansage beruhigte mich nicht wirklich. Umkehren und vielleicht dann eine Nacht in Bangkok verbringen, wollte ich keinesfalls.
Wie in Trance stieg ich in den kleinen Airbus A319. Der Pilot war ein alter Vietnamveteran, wie er versicherte, „dschungelerprobt“. Dann rollten wir an und hoben ab.
Touch down in Kalkutta, da spielte mein Blutkreislauf wieder ein wenig verrückt. Wieder war mir extrem schwindlig und schlecht. Aber nach dem Start und einigen Schluck Wasser ging es wieder besser.
Allerdings nahm ich nur mehr einzelne Bilder wahr und konnte mich auf nichts mehr konzentrieren.
Da waren riesige Wolkensäulen, um die wir herumflogen. Endlose, überschwemmte Gebiete.
Müdigkeit drückte schwer auf meine Lider.
Der Pilot erklärte irgendwas, doch wie bei einem elektrischen Defekt schaltete das Hirn jeweils kurz aus. Nur lautes, hohes Summen verirrte sich in mein Ohr.
Nach einer gefühlten Ewigkeit: Anflug auf Paro, den einzigen Flughafen in Bhutan, nach ungefähr 33 Stunden nonstop.
Ich schnallte mich an. Die Maschine begann sich zu senken.
Das Wetter war demnach gut, obwohl wir keine gute Aussicht hatten. Die Hauptkette des Himalayas, der Jomolhari zum Beispiel oder der Kula Kangri, hatte sich irgendwo in dem grauen Weiß, dem weißen Grau der Wolken versteckt.
Unter uns knapp viertausend Meter hohe Waldrücken. Da und dort konnte man kleine Unterstände der Hirten sowie verzweigte Wege ausmachen.
Der Pilot flog einige Kurven, bis wir endlich, einem breiten Tal entlang fliegend, stärker an Höhe verloren.
Aber es war noch weit und breit kein Flughafen zu sehen.
Der Pilot gab über Lautsprecher die letzten Tips für die Landung und machte wieder landschaftsbezogene Angaben.
Mich