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Die Entführung der MS Hansa Stavanger. Frederik EuskirchenЧитать онлайн книгу.

Die Entführung der MS Hansa Stavanger - Frederik Euskirchen


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der Brücke kommt mich Christian, der technische Offiziersassistent, immer häufiger besuchen. Wir tauschen uns aus, was weiß ich über die Verhandlungen, was gibt es Neues aus der Maschine. Wir sitzen zusammen, rauchen, erzählen und überlegen.

      Von Christian, der schon einige Erfahrungen vor Ostafrika und um das Horn von Afrika hat, schaue ich mir eine typische Geste für die Gegend hier ab: rechte Hand aufs Herz, kurz nicken und “Salam” sagen. Auch er hat sich das angewöhnt. Damit er sich ohne Probleme an Bord bewegen kann, hat er außerdem immer seinen Arbeitsoverall an, sein Klemmbrett und seine Taschenlampe. Das ist gut, er kann auf die Brücke gehen, unten in der Maschine arbeiten und sich in den Aufbauten bewegen, wo er die restliche Mannschaft zusammenhält, mit Neuigkeiten von oben versorgt und auch was für die Sauberkeit tut.

      Wenn jemand unten ein medizinisches Problem hat und ich nicht runter kann, Christian kann hochkommen, den Schlüssel zum Hospital nehmen oder das entsprechende Medikament aus einem meiner Verstecke holen.

      Er ist verlässlich und ich freue mich immer, wenn er kommt. Wir sind ein Team, die ganze Zeit über.

      2.8 Das erste Fax aus Hamburg

      Die Mitte des Aprils kommt, die zweite Woche unter den Piraten bricht an. Mittlerweile ist Abdi mit dem Preis immer weiter runter gegangen und mein Eindruck bestätigt sich, dass man in Hamburg wohl auf den richtigen Moment wartet, die Verhandlungen zu beginnen. Dennoch bleibt es nach wie vor schwer, den ganzen Eindrücken entgegen ein klares Bild über die Situation zu haben.

      Die Reederei behält ihren Kurs bei, wir warten.

      Durch Telefonate mit zu Hause erfahre ich, dass auch mein Vater sich im Moment noch nicht sicher ist, was wirklich los ist. Die Polizisten, von denen sie betreut werden, haben erklärt, dass so eine Verhandlung Zeit brauche und man erstmal den Einstieg finden müsse. Dabei darf die Reederei nicht allzu großes Interesse zeigen. Zwar verstehe ich das, aber in der Situation hier an Bord, die noch so neu und äußerst gewöhnungsbedürftig ist, kann ich es schwer nachvollziehen. Vor allem wenn man die ganzen Waffen vor sich sieht, die düsteren Typen mit ihren kranken Blicken die sie besitzen, den ganzen Dreck und 24 h am Tag diesem enormen Geräuschpegel aus Handymusik, somalischer Schreierei und Telefoniererei ausgesetzt ist. Dann fragt man sich, warum macht ihr nicht alles, dass wir sofort hier rauskommen? Man glaubt, dass niemand da draußen nachvollziehen kann, was man hier gerade durchmacht. Aber wenn man innehält und sich zur Raison zwingt, dann weiß man, dass dies nicht das erste entführte Schiff ist und wenn das BKA dabei ist, dann sind auch Spezialisten am Werk. Aber dieser Gedanke braucht Zeit, bis er vollends gereift ist und wirklich im alltäglichen Denken und Handeln Platz findet. Bis dahin ist man sehr stark von dem Gefühl geprägt, allein gelassen und missverstanden zu sein.

      Vor allem die Unwissenheit, wie so eine Entführung und Verhandlung abläuft, katalysiert diese Gefühle und man fragt sich, warum kommt da nichts?

      Zumindest ein Zeichen, ein Anfang, dass der Druck von uns genommen wird, dass wir wissen, es läuft weiter. Irgendwas, das die Piraten beruhigt, und die Mannschaft Hoffnung schöpfen lässt.

      Ich bitte meinen Vater, das weiter zu leiten.

      Es muss der nächste Tag gewesen sein, als endlich ein Fax kommt. Man kümmere sich um alles und arbeite an einer Lösung. Es ist was, an das wir uns halten können, aber etwas stört mich, der Satz “auf Ihre Anfrage hin schicken wir Ihnen folgendes Fax“.

      Was soll das? Der Satz fällt mir auf. Das ist eine deutsche Reederei, keine Drückerkolonne, die ihre Leute ausnutzt und fallen lässt. Der Satz hat irgendeine Funktion. Wieder regt sich der Kapitän auf: “Siehst Du, hat keiner Interesse an uns. Sind wir egal für diese Leute!” Ich lasse ihn, wie so oft, sonst bin ich wieder in der Schusslinie für sein polnisches Lieblingswort “Kurva”. Ich denke lieber nach.

      Ich glaube, man will nicht allzu viel Interesse an dem Schiff zeigen, um die Piraten schneller vom Preis zu locken, mit dem weiteren Inhalt in der Nachricht soll aber eine mögliche Vergeltung an der Mannschaft verhindert werden.

      Das bringt mich in meinem Verständnis für die Situation schon mal weiter. Im Nachhinein weiß ich, dass ich den Dreh dort immer noch nicht ganz raushatte. Wenn ich mit zu Hause oder der Reederei spreche, bin ich immer noch der Meinung, ich müsste Abdis Forderung anpreisen, eine Einstiegssumme als Fax zu schicken.

      Erst Ende April, Anfang Mai, als ich die ganzen seltsamen Behauptungen des Unterhändlers in Hamburg und die Begründungen von Abdi zusammenzählen und an das erste Fax, das wir kürzlich erhalten haben, begreife ich es.

      Abdi sagt immer, er muss den Piratenbossen beweisen, dass die Verhandlungen laufen, er will einen Vertrauensbeweis von der Reederei usw.

      Hamburgs Unterhändler sagt, er kann nichts schicken, weil die Amerikaner das abfangen und die Geldübergabe verhindern würden und all so abwegige Sachen.

      Der eine will was in der Hand haben und der andere will sich nicht festnageln lassen, darum geht es.

      Deshalb war das Fax auch so gut aufgestellt, die Piraten haben was in der Hand, ein kleines Zugeständnis, aber es war nicht so viel wert,

      durch den einen kleinen Satz “auf ihre Anfrage hin …” kann man es in viele Richtung deuten.

      Solange die Piraten unschlüssig sind, halten sie immer noch an ihrem Glauben an Geld fest, werden der Mannschaft nichts antun, aber auch nicht die Hoffnung haben, jeden Preis, den sie verlangen, zu bekommen.

      Es spielt Zeit heraus.

      Doch bis ich langsam dahinterkomme, muss ich erst noch ein paar andere Lektionen lernen.

      Zum Beispiel was die Höhe des Lösegelds angeht.

      Das erste Angebot der Reederei und damit der Einstieg in die Verhandlungen erfolgt schließlich per Telefon.

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