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Der Gesundheitsminister. Ulrich HildebrandtЧитать онлайн книгу.

Der Gesundheitsminister - Ulrich Hildebrandt


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oft in der Nähe von Großstädten oder in Ballungsräumen. Das Medizinstudentenleben geht über sechs Jahre. In der Zeit entstehen soziale Bindungen. Darauf folgt die Facharztausbildung. Die findet an Krankenhäusern statt. Weil sich die Studenten in der Zeit ihres Studiums irgendwie am Studienort eingerichtet und bereits Weiterbildungspläne geschmiedet haben, suchen sie sich ein Krankenhaus vor Ort, oder in der näheren Umgebung. Dort arbeiten sie mehrere Jahre auf ihren angestrebten Facharzt hin. Wenn sie den haben, fällt die Entscheidung. Bleibe ich im Krankenhaus oder gehe ich in die Praxis. Wer sich für die Praxis entscheidet hat auch vorgearbeitet. Er wird Partner in einer Praxis oder er übernimmt eine Praxis. Das jahrelange Leben an einer Universitätsstadt hat ihn angebunden. An die Stadt, die Umgebung, oder die Region. Er will bleiben, weil vieles so vertraut ist. Die Ausbildungsstädte, das Umfeld, die Freunde, die Kollegen. Jetzt dem Angebot der KV zu folgen und eine Praxis auf dem Land zu übernehmen, hieße mit vielem Vertrauten zu brechen. Dazu sind nur wenige bereit.“

      „Das heißt, die KV haben de facto kapituliert, wollen es aber nicht eingestehen“, schlussfolgert Jakob.

      „Exakt so sieht es aus. Weil das so ist, handeln die obersten Funktionäre der Kassenärzte wider allen Verstand. Das ständige Einfordern der ambulanten Behandlungskompetenz, ohne es zu können, wird langsam unerträglich. Gäbe es die Krankenhäuser nicht, müssten die KV sich längst auflösen.“

      „Dann darf aber der Gesetzgeber nicht länger zusehen“, bemerkt Jakob. „Es kann doch nicht sein, dass ein Partner der gemeinsamen Selbstverwaltung im Gesundheitswesen seinen Part nicht erfüllt. Und dann, zu allem Überfluss auch noch den Kontrapart attackiert. Ich meine die Krankenhäuser, die ihm aus der Klemme helfen. In vielen Bereichen haben die Krankenhäuser längst die ambulante Behandlungskompetenz übernommen.“

      „Die Hybris der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ist noch aus einem anderen Grund völlig überzogen. Ihr ausgemachter Widersacher, die Krankenhäuser, bilden die Ärzte in allen Fächern aus. Nur sie allein. Sie garantieren die stationäre Behandlung und springen in der ambulanten Behandlung ein. Die Krankenhäuser füllen, ganz ohne Auftrag, jede Behandlungslücke. Die Lücken an den Wochenenden, an den Feiertagen, und nachts.“

      „Ich gehe noch einen Gedanken weiter“, antwortet Jakob. „Das ungelöste Problem der ambulanten Behandlung der Patienten bekommt die gemeinsame Selbstverwaltung nicht in den Griff. Sie erfüllt ihren Auftrag nicht. Die Akteure des Gesundheitswesens sollten Partner in der Sache sein. Tatsächlich sind sie Kontrahenten. Die KV bezichtigen die Krankenhäuser der unerlaubten ambulanten Behandlung. Die Krankenhäuser verweigern den Patienten die Behandlung nicht. Sie verhalten sich loyal…“

      José unterbricht Jakob. „Und die Krankenkassen sehen dem Treiben zu. Weil die Behandlung im Krankenhaus kostengünstiger ist, wegen der Unterfinanzierung der Krankenhausambulanzen. Die KV Ärzte sind teurer und am Ende landen viele Patienten doch noch im Krankenhaus. Warum, weil die diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten der KV Ärzte begrenzt sind. In diesem Dickicht sollen sich die Patienten zurechtfinden. Die Spitze des Ganzen sind auch noch die Vorwürfe der Kassenarztfunktionäre. Die Patienten würden sich den einfachsten Weg suchen und dabei das System der KV missachten. Nein, sie suchen Hilfe in der Not. Die finden sie am leichtesten im Krankenhaus.“

      Jakob ist sichtlich in Fahrt gekommen. „Das nicht loslassen wollen von dem unerfüllbaren Auftrag hat eine weitere Idee geboren. Ja nicht den Ball aus dem Spiel nehmen. Im Krankenhaus soll eine Art Sichtung der eintreffenden Patienten erfolgen. Du Patient, du gehst in die Notdienstpraxis der KV, gleich um die Ecke. Weil du ein einfacher Fall bist. Das lässt sich mit einem Rezept leicht lösen. Du aber, du bist komplizierter, benötigst eine apparative Untersuchung und mehr. Du verursachst Kosten, du gehörst in die Ambulanz des Krankenhauses. Diese Sichtung nehmen selbstverständlich die Kassenärzte vor. Die Idee hat allerdings einen Haken. Es werden viele KV Ärzte benötigt, auch an den Feiertagen und nachts. Die muss die KV erst einmal aufbieten. Und nicht jeder kennt sich mit jedem medizinischen Problem aus. Dann winkt er eben doch durch, ins Krankenhaus. So ist das, mit den Ideen. Festhalten an längst Überholtem löst keine Probleme.“

      „Die gemeinsame Selbstverwaltung im Gesundheitswesen ist eine Farce. Ein Kräftespiel. Wer bewegt die größten Hebel? Du hast völlig Recht, Jakob. In diesem Spiel werden die Patienten zum Vorteil der Player bedenkenlos benutzt. Hier noch so ein Beispiel. Ihre Machtposition spielen die Kassenarztfunktionäre, gegenüber den Krankenhäusern, ohne Skrupel aus. Zum Beispiel dadurch, dass sie bestimmen, ob Krankenhausärzte mit einer speziellen Qualifikation, Patienten ambulant behandeln dürfen. Dazu benötigen die Ärzte im Krankenhaus eine Ermächtigung. Die Ermächtigung erteilt ein Ausschuss, in dem Funktionäre der KV und der Krankenkassen vertreten sind. Den Antrag zur Ermächtigung stellt der Krankenhausarzt im Einvernehmen mit dem Geschäftsführer des Krankenhauses. Wo immer es irgendwie begründbar ist, wird der Antrag der Krankenhausärzte abgelehnt. Die Kassenärzte wollen auf Biegen und Brechen verhindern, dass in den Krankenhäusern besonders qualifizierte Ärzte Patienten anziehen. Ihrer Meinung nach könnten diese Patienten auch in einer KV Praxis neben dem Krankenhaus behandelt werden. Im Einzelfall kann das so aussehen. Ein Gefäßchirurg im Krankenhaus hat eine neue OP Methode erlernt und eingeführt. Er stellt den Antrag, Patienten mit Gefäßproblemen im Krankenhaus ambulant beraten zu dürfen. Weil im Umfeld des Krankenhauses ein oder zwei KV Ärzte schon seit Jahren eine Gefäßpraxis betreiben, wird der Antrag abgelehnt. Es könnte ja sein, dass in Zukunft alle Patienten mit Durchblutungsstörungen zu dem Krankenhausarzt gehen. Mit dieser Verhinderungspolitik werden den Patienten moderne Behandlungsmethoden vorenthalten. Um den Anschein der Objektivität vorzugaukeln, werden winzige Teilgenehmigungen gewährt. Das Diktat der KV besitzt ein hohes Maß an Verhinderungsmedizin.“

      „Wissen das die Patienten?“

      „Hast du es gewusst, Jakob?“

      „Nein, ich nicht. Als Patient muss man sich schon sehr dumm vorkommen, wenn man in einer Notsituation gefragt wird, was man hier will.“

      „Du hast Recht“, antwortet José. „Stell dir vor, du hast Bauchschmerzen, gehst ins Krankenhaus und wirst gefragt, was du hier willst. Du bist falsch, wird dir gesagt. Du musst zuerst in die Notfallpraxis der KV gehen.“

      „Also gehst du in die kassenärztliche Notfallpraxis und die Fragerei geht von neuem los. Am Ende musst du wieder ins Krankenhaus, weil nur dort zusätzliche Untersuchungen möglich sind.“

      „Das ist doch absurd, oder nicht?“, sagt José.

      „Völlig absurd.“

      Um einige Erkenntnisse reicher fährt Jakob in seine Wohnung und schaltet erst einmal ab. Später sieht er sich einen Film an und telefoniert mit Isabell. Die schwärmt, wie jedes Mal, von ihrer Tour mit Lara. Sie hätten die gestellten Aufgaben fast in der vorgegebenen Zeit erfüllt. Zwar nur fast, aber eben doch. Isabells Begeisterung, für Touren mit dem Porsche, kennt offensichtlich keine Grenzen.

      Die folgenden Tage im Ministerium sind hart für Jakob. Das Team bereitet die letzten Details der Chinareise des Ministers vor. Die Assistenten der begleitenden CEOs kommen ins Ministerium und sprechen Vertragswerke ab. Es geht auf den diplomatischen Kanälen hin und her. Videokonferenzen mit der Botschaft in Peking, mit chinesischen Firmenrepräsentanten und Regierungsmitgliedern. Der hauseigene, chinesische Dolmetscher ist omnipräsent und sichtbar angespannt. Er protokolliert jedes Gespräch zweisprachig und überschlägt sich förmlich mit seinen Bedenken und Ratschlägen. Offensichtlich müssen die Beamten noch Einiges dazulernen, im Umgang mit den Chinesen. Zumindest ihr Dolmetscher sieht das so. Sie hätten die asiatische Mentalität immer noch nicht verstanden. Die asiatische schon, entgegnet Jakob. Nicht aber die chinesische.

      Die Zeit, die er mit Isabell verbringen kann, ist knapp. Wenigstens schaffen es beide mal wieder zu einem gemeinsamen Abendessen. Isabell hatte ein chinesisches Lokal vorgeschlagen, was Jakob als schlechten Scherz abtut. Das Chinesische habe er im Überfluss, Italien läge ihm jetzt viel näher. Kein Problem für Isabell, die umgehend versichert, sowieso einer Empfehlung Folge leisten zu wollen. Schon beim Betreten des Italieners schlägt ihnen Sympathie entgegen. Das Interieur ist erfreulich schlicht gehalten. Die Speisekarte enthält Gängiges und extra Tagesangebote. Isabell


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