3000 Plattenkritiken. Matthias WagnerЧитать онлайн книгу.
letzte Album. Nur ein paar mehr Beats, und schon ist das Ganze dort sexy, wo früher Instanterotik für allzu kühle Ekstasen sorgte. Und wenn man eine Stimme hat wie ein handgewaschener Kaschmirpulli, ist man eh fein raus. Sade wird dieses Album wahrscheinlich noch fünf Mal aufnehmen, und keinen wird es sonderlich stören. Sie am allerwenigsten.
Sammy Davis Jr.
„Yes I can!” (2000)
91 Songs aus 30 Jahren für zehn Labels: Puh, Sammy, das haut rein. Zumal nur die wenigsten davon bisher auf CD vorliegen. Im Ratpack genannten Trio der Obercoolen (Sinatra, Martin, Davis) war Sammy mehr als der Quotenschwarze. Zwar konnte er beim Saufen nie richtig mithalten, aber in puncto Humor und Tanzkunst war Sammy seinen Buddys über. Und wenn er sich richtig reinhängte in ein Stück (wie bei „Old black Magic“), hat Frankie bestimmt das Beißholz aus dem Spind geholt. Diese Viererbox folgt der Karriere des kleinen großen Entertainers, der 1990 mit 65 starb – und erzählt nebenbei die Geschichte eines Pioniers im Herzland des Rassismus, der mit seinem trotzigen „Yes I can!“ ein verknöchertes Business schockte. Die definitive Sammy-Box.
Señor Coconut y su Conjunto
„El Baile Alemàn” (2000)
Kraftwerk-Covers im Latinstil: Der Mann hat einen Spleen. Señor Coconut ist in der Multimedia- und Kunstszene bekannt als Atom Heart, heißt aber eigentlich profaner, nämlich Uwe Schmidt. Seine Idee, kühles Computergefrickel wie „Autobahn“ ins Latinidiom zu übersetzen, klingt aber nur so lange verrückt, bis man die Scheibe auflegt. „Showroom Dummies“, „The Robots“ – lauter Cha-Cha-Chas! „Trans Europe Express“, „Man Machine“, „Tour de France“: Merengues, Bakláns und Cumbias! Da wird viel geklöppelt auf Hölzchen und Stöckchen, da zucken die Bläser, und wo bei Hütter und Schneider einst die Maschinen sangen, plinkert der Señor nun munter auf Marimbas und Xylophonen herum. So klingt es zumindest, doch in Wahrheit hat Schmidt angeblich lateinamerikanische Alben geflöht, Samples destilliert und sie dann kraftwerkesk neu kombiniert. Die bizarrste Sommerplatte des Jahres – auch wenn der Überraschungseffekt nicht ganz bis zum Ende trägt.
Sheryl Crow & Friends
„Live from Central Park” (2000)
Man hat es nicht richtig mitbekommen, aber irgendwann war Sheryl Crow plötzlich eine Poprockadlige, eine Grande Dame des Adult Contemporary. Vielleicht fing es an, als Bob Dylan ihr einen Song überließ. Heute steht sie jedenfalls da wie eine Eins; und will sie ein Livealbum aufnehmen und braucht Gäste, dann kommen Stevie Nicks, Keith Richards, Eric Clapton … Die feiern dann ein großes Fest auf der Bühne, haben sich schrecklich lieb und danken sich gegenseitig – und wir wundern uns wieder einmal, welch große Inszenierungen der Mainstreamrock riskiert, ohne von der Angst gelähmt zu sein, der Ballon könnte platzen. Immerhin: Hier platzt er (noch) nicht.
Sinéad O’Connor
„Faith & Courage” (2000)
Hat Madonna etwa Valium geschluckt? Nein, es ist unsere irische Popnonne mit dem Zölibatsproblem („Sorry, ich hab’s nicht geschafft …“). Nach allen Skandalen, die sie aus übersteigerter Religiösität entfachte, müssen wir froh sein, sie überhaupt wieder zu haben. Ihr fester Wille zum Pop, zum Groove, zum schwebenden Sound ist da, doch eine gewisse Antriebslosigkeit zieht sich durchs Album. Von ihr wollen wir Verletzlichkeit, Hypersensibilität und ergriffen zitternde Kopfstimme, aber keine schwunglos vorgetragenen Popchiffren aus dem Gebrauchtwarenladen. Immerhin: Das groovende „’Til whisper U something“ hat mit seinem Folkflötentouch Momente, die O’Connors Potenzial abrufen. Rührend ihre Bitte um Entschuldigung für den Ärger, den sie verursachte („The Lamb’s Book of Life“), doch auch dieses Mea Culpa ist wieder durchtränkt von missionarischem Eifer, setzt gar auf Kirchenglocken. Je folkiger das Album wird, desto besser ist es auch. Doch ihre beste Zeit hat Sinéad hinter sich; dieser Erkenntnis müssen wir uns stellen.
Sky Nonhoff
„Schallplatten” (2000)
Okay, Platten sind zwar nicht das Leben, aber aufgereiht im Regal erzählen sie dir deins im Rückblick. Sie erzählen von Irrungen und Wirrungen, von Gefühlen und von Frauen. Zumindest, wenn du einer bist wie Sky Nonhoff. Als glühender Geschmackspolizist führt er uns selbstironisch – doch ohne die Passion zu entwerten – durch seine Biografie, die nicht weiter interessierte, wäre sie nicht paradigmatisch für die Biografien vieler Männer zwischen 30 und 40. „Platten sind die perfekte Möglichkeit, dubiose Individuen untrüglich zu erkennen und ihnen sofort den Indizienprozess zu bereiten“, weiß Nonhoff. Und woran erkennt man eine miese Plattensammlung? Klar: an „Bridge over troubled Water“ von Simon & Garfunkel. Natürlich haben alle Frauen dieses Werk im Regal, und deshalb haben wir hier eins jener Bücher vor uns, die nur Männer verstehen können. Ein unsachliches Sachbuch. Und deshalb vergnüglich. Auch für jemand, der „Bridge over troubled Water“ im Regal hat. Also mich.
Status Quo
„Famous in the last Century” (2000)
Die alten Partyrocker werden auch im neuen Jahrhundert noch eine Weile berühmt sein, aber nicht wegen ihrer Studioalben. Erstaunlich, wie saftlos die oft klingen. Das hier übrigens auch; eine gute Coverband bekäme ein Stück „Old Time Rock and Roll“ mit Sicherheit besser hin. Aber wehe, wenn die Briten auf die Bühne gehen! Dann sind sie weiter die beste Knallercombo der Welt, die Einsätze sitzen zehntelsekundengenau, und der schlichte Boogiewahnsinn erfasst die alsbald rasende Menge. Im Mai geht’s wieder los. Nicht verpassen! Ein Tipp, der für dieses Album keineswegs gilt. Das Beste daran: sein selbstironischer Titel.
Steely Dan
„Two against Nature” (2000)
Wo sind sie hin, die Jahre seit 1980? Der erste Ton des neuen Steely-Dan-Albums scheint zu sagen: Sie fanden gar nicht statt. Ihr unvergleichlicher Mix aus urbaner Orgel, Bläsern ohne Attitüden, sparsamer Funkgitarre und gleichsam grinsender Perkussion ist der von damals. Etwas Zeitloses muss man nicht modernisieren. Über die Dekaden haben Donald Fagen und Walter Becker sich eine bewundernswerte Resistenz gegen die Verführungskraft der Überproduktion bewahrt, obwohl ihre Musik höchst bedroht davon scheint; doch wären Sound und Aufbau nicht so reduziert, sie würden schnell ersticken an sich selber. So bleibt nur Bewunderung – für ein brillantes Album, das beim ersten Hören steril wirkt, doch rasch eine urbane Wärme verströmt. Und tief in der transparenten Textur entdecken wir genau jene verschmitzte Intelligenz, die wir seit 1980 vermisst haben. Hoffentlich steigert das Duo künftig seine Frequenz.
Stephen Gately
„New Beginning” (2000)
Das Fatale an Boygroups: dass die Jungs nicht ewig Jungs bleiben. Ja, sie werden, wenn alles gut geht, Männer! Und plötzlich keimen böse Gedanken von Eigenständigkeit und Selbstverwirklichung. Sagen wir’s, wie es ist: Sie denken über Soloalben nach. Selten tritt einem der Wahrheitsgehalt des weisen Sprichworts „Ein Unglück kommt selten allein“ so klar ins Bewusstsein wie in jener Sekunde, wenn es heißt, eine Boygroup habe sich aufgelöst. Stephen Gately jedenfalls war bei der irischen Teenieband Boyzone, jetzt hat er ein Soloalbum, und das ist letztlich auch besser so, denn Stephen ist als schwul geoutet, was Mädchenfans immer bitter finden. Sein Pop setzt natürlich da an, wo Boyzone aufhören. Und ob das Erfolg haben wird, das weiß nur Gary Barlow.
Submarine
„Skin Diving” (2000)
Der zwischen TripHop und Dancepop hin und her eilende Sound von Submarine flöht gern die Mottenkiste des Broadway. Gar nicht ungeschickt flechten sie Samples von Perry Como oder Hammerstein ein, bedienen sich aber auch mal bei Chet Baker oder sogar Jules Massenet. Doch nicht wegen ihres Zitierdrangs lohnt sich das Hinhören, sondern wegen