Anarchistische Analysen zur Gegenwart. Jörg DjurenЧитать онлайн книгу.
Das neue Subjekt der Macht konstituiert und definiert sich nicht mehr über lokale Bezüge.
Nur als Reminiszens kaufen sie sich vielleicht ein 'echt' altes Haus irgendwo, wo es schön ist und die Menschen noch so sind wie früher in der bürgerlichen Zeit - zumindest wo sie so tun als ob, der Priester, der Kaufmannsladenbesitzer, usw. -. In dieses Haus ziehen sie dann, wenn sie Ausscheiden aus dem Leben in der MIS, um dort, in der Zeit zwischen den Kreuzfahrten, internationalen Kulturveranstaltungen und Charitybanketts in New York, zu vergammeln.
Das neue Subjekt der Macht findet seine Identität über seine Stellung in der Multinationalen Institution in der es arbeitet, die MIS ist sein(ihr) zu Hause11 , die Wohnung, die Stadt, das Land sind austauschbar.
Moderne Dienstleistungsapparate stellen sicher, daß die Wohnung überall gleich aussieht. Evtl. 'aufgepeppt' mit ein wenig lokalem Interieur, das ist dann aber schon sehr gewagt. Vielleicht liegt auch irgendwo an passender Stelle die Taschenuhr des Urgroßvaters, unauffällig drapiert.
Auch die Subjekte der Macht sehen alle gleich aus. Die Körperformierung von Fittness bis zu Enthaarung und unauffälliger teurer Bekleidung ist gegenüber dem klassischen Bürger wesentlich weiter vor allem nun auch für Männer fortgeschritten. Die Variationsspielräume sind minimal. Die Sprache ist Englisch. Nur bei der Hautfarbe sind außer weiß nun auch ein paar andere Schattierungen zu sehen, sporadisch werden auch Frauen, soweit sie die männlich heterosexistische Norm übererfüllen, akzeptiert.12
Auch diese Formierung wird durch eine internationale Dienstleistungsindustrie abgesichert, die selben Fittnesstudios in Neu Dehli, Berlin und New York, die selben Boutiquen, die selben Golfplätze.
Das Ideal dieser neuen Herrschaftsschicht scheint der in wenigen Tagen im Tank von der Zelle zum Mann gereifte Klon zu sein. Die Abhängigkeit von leiblichen Bedürfnissen, das Gebohren worden sein, Gefühle außerhalb der MIS13 , werden negiert oder als Konserven konsumiert.
Dies entspricht einer Familienorganisation bei der das Leben in der MIS bei der Arbeit stattfindet, am besten beide arbeiten bei der selben MIS, während die Kinderaufzucht zunehmend nach Effizienzkriterien rationalisiert wird.
Von der Pränataldiagnostik über vielfältige frühkindliche Ausbildungs- und Überwachungstechnologien bis hin zur Weiterbildung im Internat haben längst Techniken der sozialen Klonierung alte bürgerliche Familienverhältnisse abgelöst oder sind dabei sie abzulösen.
In den USA gibt es heute schon totalüberwachte Kindergärten, in denen Eltern via Internet und Kameras das Verhalten ihrer Sprößlinge jederzeit und überall kontrollieren können. In der BRD wird gerade damit geworben Handys für Kinder und Jugendliche zu kaufen mit einer Ortsüberwachungsfunktion, die es Eltern ermöglicht jederzeit auf 100m genau via Internet festzustellen, wo sich Handy und Kind aufhalten. Mir geht es hier nicht so sehr um die repressive als um die produktive Funktion dieser Dauerüberwachung. Hier wird das neue Subjekt der Macht, die Eliteklone von Morgen, durch die Machtwirkung im Sinne Foucaults produziert, als ein Subjekt, daß sich allzeit positiv ins Bild zu setzen weiß. Dieses Subjekt wird auch kein Überich im klassischen Sinn mehr entwickeln, sind doch die unüberwachten Momente der Kindheit, in denen das Kind eigenständige Entscheidungen treffen muß, Voraussetzung für die Herausbildung einer solchen internalisierten Instanz. Das neue Subjekt der Macht wird vielmehr im hohen Maße in seinen Vorstellungen von gut und böse die jeweiligen Moden flexibel zu bedienen wissen.
Big Brother läßt grüßen - die TV-Serie ist insofern pädagogisches Versuchslabor für Erziehungspraxen der Zukunft -.
Die Führungsschichten der MIS pflanzen sich längst durch soziale Klonierung fort, die genetische Klonierung wäre hier nur eine nachholende Materialisierung auf der Ebene der Biologie.
Dies bedeutet aber nicht die Auflösung der Familie. Im Gegenteil auf Grund ihrer Irrealisierung bei gleichzeitiger Simulation als Glücksversprechen, wird sie als Phantasma psychologisch nur um so wirkmächtiger. Sie wird zum unerreichbaren Ziel.
Schöne Neue Familien-Simulation
Die neuen Subjekte der Macht haben gelernt ihre unterschiedlichen Fähigkeiten und Vermögen, z.B. Wissen, soziale Kontakte, Geld, Habitus, u.a., als austauschbare Kapitalien zu denken und nach Bedarf ineinander zu transformieren um sie optimal ein- und sich selbst optimal ins Bild zu setzen.
Dies lernen sie wie aufgeführt im Klonierungsprozess.
Dort wo Aufmerksamkeit und soziale Beziehungen einschließlich Sexualität zu einem geldwertem Kapital werden, kann die klassische Familienstruktur nicht mehr funktionieren, beruhte sie doch auf der unentgeltlichen Ausbeutung der Reproduktionsarbeit von Frauen. Außerdem verändern sich dadurch die Beziehungsstrukturen selbst und werden zu austauschbaren von der konkreten Situation und Person abstrahierenden Formeln. Die reproduktiven Tätigkeiten werden im erheblichen Maß aus der Familie ausgelagert.
Das klassische bürgerliche Familienmodell, die Triade Vater, Mutter, Kind, mit seinen in der psychoanalytischen Theorie beschriebenen Funktionsweisen verliert für das Subjekt der Macht seine Gültigkeit. Es geht nicht um Ausbildung eines Überich, Triebverzicht, Ödipuskomplex, u.a., sondern darum frühzeitig zu lernen, sich selbst als Ware optimal zu vermarkten.
Das Kind lernt im sozialem Klonierungsprozess frühzeitig das Vaterzeit und Mutterzeit knapp bemessen und teuer sind, und es lernt gleichzeitig, daß sie eintauschbar ist gegen Geld, denn dafür gehen Papi und Mami arbeiten, und das sie auch eintauschbar ist gegen kindliches Wohlverhalten, oder gegen das Versprechen, mit dem Weinen aufzuhören, wozu natürlich auch gehört bei Zeiten zu lernen richtig loszuheulen. Das Kind lernt außerdem, daß es außer Vaterzeit und Mutterzeit alternativ auch Schokolade, neues Spielzeug oder einen Kinobesuch eintauschen kann. Alles ist ineinander umrechenbar.
Früh übt die Ware ihre souveräne Selbstvermarktung.
Die klassischen Konflikte mit den Eltern sind für dieses Subjekt hinfällig geworden. Statt durch Ausbildung eines Überichs wird das Kind zum Subjekt durch die Selbstobjektivierung als Ware unter anderen Waren. Das primäre Ziel wird die Erhöhung des eigenen Tauschwertes.
Da neue und alte, hegemoniale und alternative, Subjektdiskurse sich in jedem Subjekt überlagern und widersprechen ist die Subjektivierung nicht konfliktfrei, insbesondere in Zeiten des Überganges. Die Gleichzeitigkeit von Anforderungen, noch und schon gültiger, sich ausschließender Diskurse bringt das Subjekt in eine widersprüchliche Situation.
So führt der Warencharakter des Subjektes zu einer verstärkten Sexualisierung insgesamt und insbesondere auch zur Sexualisierung des Körpers von Männern und des männlichen Warensubjektes. In der Werbung ist dies bereits zu beobachten. Diese Sexualisierung birgt aber unter den bestehenden Gesellschaftsverhältnissen immer das Risiko auf ein verfügbares nicht souveränes Sexualobjekt reduziert zu werden.
Dies gilt insbesondere für Frauen, was sie, falls sie Mitarbeiterinnen14 oder wichtige Zuarbeiterinnen der MIS sind, also MIS-Bürgerinnen, vor fast unlösbare Widersprüche stellt. Sie sollen sich auf der einen Seite als souveräne Waren auch mit sexuellen Mitteln selbst vermarkten ohne sich zum verfügbaren Objekt zu machen, aber ganz Frau dabei bleiben und nicht zu männlich aktiv auftreten.
Aber auch für Männer der MIS-Schicht ist die sexuelle Selbstvermarktung nicht unproblematisch, ist dies doch für heterosexuelle bürgerliche Männer eine neue Anforderung und besteht doch auch hier die Gefahr in die Rolle des sexuell verfügbaren - 'schwulen' - Objektes gedrängt zu werden. Was im Fall heutiger Handelsbanker zu einer extrem heterosexistischen machistischen Selbstdarstellungspraxis führt15 . Eine Entwicklung die allgemein einhergeht mit einem aggressiven warenförmigen Zugriff auf Frauen und Kinder, der nicht zu den priveligierten MIS-BürgerInnen gehörenden marginalisierten Mehrheit der Bevölkerung, wie im Prostitutionstourismus sichtbar.
Außerdem kann die Ware nie ihre Versprechungen, die sie macht, erfüllen. Die Rakete unter dem Weihnachtsbaum fliegt halt nicht tatsächlich zum Mond, sie fliegt meist nicht einmal bis zur Zimmerdecke. Eine Ware zeichnet sich gerade dadurch als