Killer ohne Gnade: Ein Jesse Trevellian Thriller. Alfred BekkerЧитать онлайн книгу.
ein Treppenaufgang.
Mit der Waffe im Anschlag schlichen wir weiter voran.
Eine Tür führte nach rechts. Sie war angelehnt. Mit einem Tritt öffnete ich sie. Mit der P226 im Anschlag stürmte ich hinein. Milo kam hinterher und deckte mich ab. Der Raum war nicht so groß wie jener, in dem wir uns zuerst befunden hatten. Man hatte auch hier ein paar Möbel zurückgelassen.
Preiswerte Regalwände aus Spanplatte, die sich durch die Feuchtigkeit etwas verzogen hatten. Zu gebrauchen waren sie kaum noch.
Das Fenster stand offen.
Eine dunkle Gestalt wirbelte herum. Ein Mann mit ungepflegtem, struppigen Vollbart, Baseballmütze und einem zerschlissenen Parka, der für die Jahreszeit viel zu warm war.
Der Mann duckte sich, riss etwas empor, dass wie eine ziemlich große Pistole wirkte und feuerte.
Es gab keinen Laut.
Ich sah das Aufblitzen des Mündungsfeuers und warf mich zur Seite. Milo machte dasselbe. Die Kugel fuhr in die schmucklose Raufaser-Wand hinter uns und splitterte ein Stück aus dem Putz heraus.
Ich rollte mich am Boden herum, während ich undeutlich ein Geräusch wahrnahm, das wie ein kräftiges Niesen oder der Schlag mit einer Zeitung klang. Der Schuss einer Waffe mit Schalldämpfer.
Das Projektil ritzte dicht neben mir den Boden. Ich hatte den Luftzug spüren können, mit dem es an meiner Stirn vorbeigeschossen war.
Ich riss die P226 hoch und feuerte.
Nicht, um zu treffen, sondern um zu warnen.
Ich ballerte zweimal kurz hintereinander los und hielt dabei etwas seitwärts. Die Scheibe des offenstehenden Fensters ging zu Bruch. Der Knall hallte ein halbes Dutzendmal in den leeren Räumen wider.
Der Kerl war weg.
Ich war innerhalb eines Sekundenbruchteils wieder auf den Beinen.
Schnell hatte ich die wenigen Meter bis zum Fenster hinter mich gebracht und starrte hinaus.
Die Pistole hielt ich mit beiden Händen umfasst.
Der Kerl rannte davon, auf eine Dreiergruppe von Lagerhallen zu. Dieses Gelände war ein einziges Labyrinth. Es war schwierig, hier jemanden zu stellen, wenn man nicht gerade eine Hundertschaft von entsprechend ausgebildeten Officers zur Verfügung hatte. Das hatte sich schon der Mörder von John Mariano zu Nutze gemacht, als er sein Attentat durchführte...
"Stehenbleiben! FBI!", rief ich dem Kerl hinter her.
Während seines Laufs drehte er sich kurz um und feuerte nochmals in meine Richtung. Ein ziemlich ungezielter Schuss, der irgend eines der noch vorhandenen Fenster zu Bruch gehen ließ. Ein Regen aus messerscharfen Splittern ging hernieder.
Sie glitzerten in der Sonne wie Lametta.
Ich brannte dem Kerl einen Warnschuss neben die Hacken.
Aber das schien ihn nicht zu beeindrucken.
Als ob der Leibhaftige persönlich hinter ihm her gewesen wäre, beschleunigte er noch. Seine Kondition schien dabei nicht die beste zu sein. Er fasste sich in Höhe der Milz an die Seite.
Seitenstiche!
Vielleicht verbesserte das unsere Chance, ihn doch noch zu kriegen.
"Der scheint mit uns nichts zu tun haben zu wollen!", kommentierte Milo gallig.
"Los, schnappen wir ihn uns!", rief ich, während ich mich mit einem Satz über die Fensterbank schwang. Mit der Waffe in der Hand setzte ich zu einem Spurt an. Milo folgte mir in einem Abstand von wenigen Metern.
Was immer der Kerl hier gesucht hatte - es erschien mir mehr als ein Zufall zu sein, genau hier, zwei Tage nach John Marianos Tod, einen Mann anzutreffen, der mit einer Schalldämpferwaffe bedenkenlos auf FBI-Agenten feuerte.
Es gab mehrere Möglichkeiten, die denkbar waren.
Eine war, dass der Killer doch nicht so sorgfältig alle Spuren verwischt hatte, wie es nach Angaben der City Police und der Scientific Research Division zunächst den Anschein gehabt hatte. Möglicherweise hatte der Täter etwas zurückgelassen, was bislang übersehen oder falsch gedeutet worden war... Und jetzt war er hier, um jedes Risiko auszuschalten.
Er keuchte.
Sein Lauf bekam etwas Taumelndes. Er feuerte erneut.
Nein, dachte ich. Ein so schlechter Schütze kann das Attentat nicht begangen haben...
Ich duckte mich kurz.
"Geben Sie auf und bleiben Sie stehen! Dann passiert Ihnen nichts!", rief Milo.
Zwecklos.
Seine Augen traten aus den tiefliegenden Höhlen hervor.
Grenzenlose Panik sprach aus diesem Blick und ich fragte mich, was die wohl verursacht hatte.
Sein Gesicht war grimmig verzogen. Er hob die Waffe und feuerte zweimal kurz hintereinander.
Wir feuerten zurück.
Der Flüchtende taumelte in das offene Tor der Lagerhalle hinein und verschwand dort.
Im nächsten Moment gab es einen durchdringenden, metallischen Laut. Ein Stöhnen und Quietschen betäubte die Ohren. Das Tor setzte sich in Bewegung. Es senkte sich von oben herab. Offenbar war die elektrische Anlage noch in Ordnung.
Der Spalt zwischen dem betonierten Erdboden und dem Metalltor wurde immer schmaler.
Ich spurtete los.
Milo war dicht hinter mir.
Sekunden nur vergingen, ehe ich das Tor erreichte. Ich warf mich zu Boden und rollte mich unter dem sich unaufhaltsam niedersenkenden Tor hindurch, ehe es mit einem donnernden Geräusch auf dem Boden aufkam. Ich wirbelte herum, riss die Waffe empor und blickte in den blanken Schalldämpfer, der auf die Waffe meines Gegners aufgeschraubt war.
*
Der Mann keuchte. Er atmete unruhig und hielt sich mit einer Hand noch immer die Seite, während die andere zitternd die Waffe hielt. Es war eine Automatik - allerdings eine, an der verschiedene Veränderungen vorgenommen waren. Der Lauf war länger als üblich, der Schalldämpfer verlängerte ihn zusätzlich. Und dann war da das große Zielfernrohr, das eigentlich zu einem Präzisionsgewehr gehörte. Mir fiel ein rotes Leuchten von unglaublicher Intensität auf.
Ein Laserpointer zur Zielerfassung.
Der Strahl traf in meiner Herzgegend auf den Stoff meiner Jacke.
Meine Waffe deutete auf ihn, mit der seinen hatte er mich ins Visier genommen.
Ein unangenehmes Patt.
Ich sah, wie sich der Druck seines Zeigefingers auf den Abzug verstärkte. Die Knöchel seiner Hand wurde so weiß wie sein Gesicht.
Einen Herzschlag lang hing alles in der Schwebe. Ich konnte versuchen, mich zur Seite zu werfen und blitzschnell zu feuern, in der Hoffnung, ihn mit dem ersten Schuss so zu erwischen, dass er nicht mehr feuern konnte.
Er war kein guter Schütze, trotz Laserpointer.
Ich hatte also eine Chance.
Aber mein Instinkt warnte mich.
Außerdem wollte ich dem Kerl ein paar Fragen stellen, wozu er mit einer Kugel im Kopf wohl kaum noch in der Lage sein würde.
Ich hörte, wie Milo von draußen versuchte, das Metalltor wieder zu öffnen. Natürlich vergeblich.
"Dein Freund kann dir jetzt nicht helfen", lachte mein Gegenüber.
"Nehmen Sie die Waffe runter!"
"Das könnte dir so passen!"
Mein Gegenüber grinste schief und entblößte zwei Reihen sehr schlechter Zähne. Angefaulte Stümpfe, mehr schien in in seinem Mund nicht mehr drin zu sein.
Ich fragte mich unwillkürlich,