Palazzo der Geister. Alfred BekkerЧитать онлайн книгу.
du nicht, daß wir das große Los gezogen haben, Jane?"
"An eine gemütliche Homestory dachte ich auch, als wir nach Gilford Castle fuhren!" erwiderte ich. Wir waren dorthin gefahren, um eine Reportage über den Rockstar Pat Clayton zu machen und waren dabei Zeuge unerklärlicher Vorfälle geworden, in deren Mittelpunkt ruhelose und rachelüsterne Geister aus dem finsteren Mittelalter gestanden hatten.
Die Sache war lebensgefährlich gewesen - von Gemütlichkeit hatte überhaupt keine Rede sein können.
"Erstmal abwarten, James!" erwiderte ich daher etwas skeptisch.
Aber James ließ sich dadurch die gute Laune nicht trüben.
"Italien um diese Jahreszeit ist genau richtig! Nicht zu heiß und nicht zu kalt! Eine herrliche Alternative zum naßkalten und nebelverhangenen London..."
"Eine Reportage über Gian-Carlo Tardelli ist jedenfalls kein Urlaub!" gab ich zu bedenken. "Und bevor es losgeht, haben wir auch noch einiges zu tun..."
"Ja, ja..."
"Schließlich müssen wir schon einigermaßen vorbereitet sein, wenn wir diesem Licht am Modehimmel begegnen..."
James sah mich etwas erstaunt an.
Er lächelte nett. Und in seinen meerblauen Augen blitzte es leicht herausfordernd.
Er zwinkerte mir zu und meinte dann: "Was höre ich da? So etwas wie Ehrfurcht? Das ist nicht gerade die kritische Grundhaltung eines Journalisten..."
Ich schüttelte den Kopf.
"Nein", sagte ich, "das wäre zuviel gesagt. Aber Tatsache ist, das Tardelli eben einer der Größten seiner Branche ist..."
"Sag mal..."
Sein Grinsen wurde jetzt schon frech.
Wenn er mich so ansah, führte er irgend etwas im Schilde.
Ich verschränkte die Arme vor der Brust und hob ein wenig das Kinn.
"Ja?"
"Ist dieser Tardelli zufällig der, der diese transparenten Stoffe benutzt, die praktisch durchsichtig sind?"
Ich lächelte.
"Nein, das ist er nicht! Tardelli hat zwar seinen eigenen Stil, vertrat aber eigentlich immer eine eher zeitlos-elegante Linie..."
"Schade."
"Wieso?"
"Sonst hätte ich jetzt gesagt: Du solltest auch einmal etwas anziehen, das aus seiner Schneiderei kommt!"
"Ha, ha!"
James war immer insgeheim ein bißchen verliebt in mich gewesen, aber ich hatte diese Gefühle nie erwidert. Seine unkonventionelle, witzige Art gefiel mir zwar und von der Tatsache abgesehen, daß seine Jeans ein Flickenteppich und sein Jackett geschmacklos war, sah er auch sehr attraktiv aus. Wir waren im selben Alter. Aber er entsprach einfach nicht dem Bild, das ich mir vom Mann meiner Träume machte.
Aber ich schätzte ihn als Kollegen.
Und als guten Freund.
Schließlich hatten wir schon so manches zusammen erlebt, darunter auch einiges an Gefahren.
"Tja, ich geh dann mal ins Archiv und sehe zu, was wir so an Bildmaterial noch da haben!" meinte er dann.
Eigentlich hätte ich verlegen sein sollen.
Aber jetzt war er es. Zumindest wenn man nach der Farbe seines Gesichts ging.
"Okay", sagte ich.
Er nickte und war schon ein paar Schritte gegangen, da rief ich ihm noch hinterher: "James..."
Er drehte sich herum.
"Ja?"
"Tu mir einen Gefallen: Zieh ein anderes Jackett an, wenn wir nach Italien fliegen. Dieses sieht furchtbar aus... Da war dein Altes ja noch besser!"
James zuckte die Achseln.
"Jägergrüner Cordsamt - der Stil der Siebziger! Und die sind doch inzwischen wieder mega-angesagt!"
Ich ging auf ihn zu und berührte ihn leicht am Unterarm.
"Tu es für mich, James! Bitte! Ein Mann mit dem feinen ästhetischen Empfinden eines Gian-Carlo Tardelli erleidet doch einen Herzanfall, wenn ihm so etwas ins Auge sticht!"
*
Einen Augenblick später saß ich an meinem Schreibtisch und war in Routinearbeiten vertieft, die ich etwas vor mir hergeschoben hatte. Schließlich schrieb ich noch einen kleinen 50 Zeilen-Artikel über die Neueröffnung eines VIP-Restaurants in der Londoner Innenstadt, als plötzlich ein Schatten zwischen mich und das grelle Neonlicht des Großraumbüros trat.
Ich blickte auf.
Eine große, dunkelhaarige Gestalt stand vor mir und blickte mich mit grüngrauen Augen an. Es war Tom Howard, ein Kollege, der seit kurzem bei uns arbeitete. Zuvor hatte er für eine große Nachrichtenagentur geschrieben und noch immer wußte niemand von uns so recht, weshalb jemand wie er zu einer Zeitung wie der unseren kam. Die meisten in diesem Großraumbüro hätten nämlich genau davon geträumt und würden es nie erreichen. Als Korrespondent in aller Welt herumreisen, immer im Brennpunkt des Geschehens...
Tom war etwa 35 - und das hieß, er war noch entschieden zu jung dafür, um sich zur Ruhe zu setzen. Die meisten setzen in dem Alter erst richtig an, um die oberen Sprossen der Karriereleiter zu erklimmen.
Immerhin hatte Tom meine Neugier geweckt.
Irgendwann, das hatte ich mir vorgenommen, würde ich herausbekommen, was dahintersteckte.
Ich war eben mit Leib und Seele Reporterin.
Tom lächelte mich sympathisch an.
"Hallo, Jane", sagte er. Er legte mir eine CD auf den Tisch. "Hier... Clint aus der Musikredaktion hat mir das für Sie mitgegeben."
Ich sah interessiert auf die CD und las einen Namen, der mir nur zu vertraut war.
Pat Clayton.
"Clint meinte, Sie könnten etwas damit anfangen, vielleicht sogar die Rezension darüber schreiben. Schließlich..."
"Ich verstehe...", murmelte ich.
Ich atmete tief durch. In den Tagen auf Gilford Castle, hatte ich mich in ihn verliebt... Doch dann hatten unsere Wege sich getrennt. Eine Tournee und ein neues Album... Welchen Platz hatte da die Liebe?
"Danke, Tom", sagte ich dann. "Wenn Sie Clint sehen, dann richten Sie ihm doch bitte aus, daß ich etwas darüber schreiben werde..."
Meine Stimme klang etwas heiser und beinahe tonlos. Mein Herz war schwer und ich seufzte leicht.
"Gut", murmelte Tom. Er hatte sich halb herumgedreht. Ich blickte auf und stellte fest, daß er mich noch immer aufmerksam beobachtete. "Ist irgend etwas nicht in Ordnung?"
fragte er dann.
Mein Lächeln war sicher nicht mehr als ein Versuch und muß ziemlich verkrampft gewirkt haben.
"Es ist nichts", behauptete ich.
Aber seine grüngrauen Augen sahen mich an, als könnten sie in diesem Moment direkt in meine Seele blicken. Er wußte, daß ich nicht die Wahrheit gesagt hatte. Aber er schwieg. Und dafür war ich ihm dankbar.
Du muß in die Zukunft schauen! sagte ich mir. Nicht in der Vergangenheit verharren...
Aber das war leichter gesagt als getan.
*
Als ich am Abend nach Hause zurückkehrte, wußte ich bereits einiges mehr über Gian-Carlo Tardelli. Unter anderem hatte ich auch Material aus dem Archiv gegraben, daß sich mit dem mysteriösen Tod seiner Frau beschäftigte. Einiges davon hatte ich mir als Lektüre mitgenommen.
Zu Hause, das war die Villa meiner Großtante Erica Harwood
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