Killer ohne Reue: Ein Jesse Trevellian Thriller. Alfred BekkerЧитать онлайн книгу.
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Alec Mercer, seines Zeichens Geschäftsführer von MADISON GEN-TECH, empfing uns in seinem Büro in Midtown Manhattan. In den Labors in New Rochelle wurden Experimente mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen durchgeführt - aber die Geschäfte von MADISON wurden von dieser Büroetage in der Third Avenue aus gesteuert.
Natürlich hofften wir, dass man hier etwas weniger zugeknöpft sein würde, als wir das bisher von dieser Firma gewohnt waren.
Mercer thronte hinter einem gewaltigen Schreibtisch. An den Wänden hingen großformatige Gemälde, deren Malstil an Graffitis in der Bronx erinnerte. Mercer schien Wert darauf zu legen, dass man ihn und sein Unternehmen für innovativ hielt.
"Mr. Trevellian und Mr. Tucker vom FBI", säuselte die brünette Sekretärin, die uns hereingeführt hatte.
Mercer reichte uns nacheinander die Hand. Er faßte hart zu, wie ein Mann, der gleich zeigen will, wer der Boss ist.
"Bitte nehmen Sie Platz. Wollen Sie einen Kaffee?"
"Wir kommen lieber gleich zur Sache", sagte Milo.
Mercer zuckte die Achseln und kratzte sich an seinem eckigen Kinn.
"Ist mir auch recht. Allerdings ist mir ehrlich gesagt schleierhaft, wie ich Ihre Ermittlungen unterstützen könnte."
Wir setzten uns.
"Oh, da würde mir schon einiges einfallen", erwiderte ich.
Mercer hob die Augenbrauen. "Ach, ja?"
"Zum Beispiel könnten Sie Ihre wissenschaftliche Abteilung dazu bewegen, nicht Katz und Maus mit uns zu spielen", meinte ich.
Auf Mercers Gesicht erschien ein geschäftsmäßiges Lächeln.
"Vielleicht übertreiben unsere Leute es manchmal mit der Geheimhaltung. Aber Sie müssen verstehen, Mr. Trevellian. Wir sind auf einem äußerst sensiblen Gebiet tätig. Ein Gebiet, das immer mehr an Bedeutung gewinnt. Es gibt viele Seiten, die an den Erkenntnissen brennend interessiert sind, die unsere Wissenschaftler in New Rochelle gewinnen. Und wir können es uns nicht leisten, Millionen zu investieren, nur um uns die Früchte unserer Arbeit kurz vor dem Ziel von der Konkurrenz stehlen zu lassen."
"Wer, glauben Sie, könnte ein Interesse an einem Behälter mit Pest-Bakterien haben?", fragte ich. "Vielleicht einer Ihrer Konkurrenten oder Geschäftspartner?"
"Das halte ich nicht für ausgeschlossen", meinte Mercer.
"Die Einbrecher wussten ausgesprochen gut Bescheid. Ihnen war bekannt, wie man die Alarmanlagen überlisten kann, in welchem Rhythmus die Wachen patrouillierten und welchen Behälter sie an sich zu bringen hatten..."
Mercer seufzte. "Die Art und Weise, in der Sie das sagen, klingt beunruhigend, Mr. Trevellian."
"Es liegt der Verdacht nahe, dass die Täter einen oder mehrere Komplizen bei der Belegschaft hatten. Anders ist dieser Coup für mich nur schwer vorstellbar..."
"Wir sind sehr sorgfältig bei der Auswahl unseres Personals, wie ich Ihnen versichern darf", erwiderte Mercer etwas ungehalten.
Milo sagte: "Die Tatsachen sprechen leider für sich, Mr. Mercer. Wir möchten gerne die Personaldaten haben, um alle in Frage kommenden Personen durch das Raster laufen lassen zu können. Diese Daten seien hier in Ihrer Zentrale..."
"Das ist richtig", gab Mercer etwas zögerlich zu.
"Dann machen Sie sie uns bitte zugänglich!"
Mercer lehnte sich etwas zurück, tickte mit dem Finger nervös auf der Schreibtischplatte. "Haben Sie dafür denn irgendeine Art Dokument, das Sie dazu berechtigt?"
Er hatte noch nicht zu Ende gesprochen, da hatte Milo die richterliche Anordnung bereits hervorgeholt. Nach den ersten Erfahrungen mit MADISON waren wir auf Nummer sicher gegangen.
Schließlich wollten wir dieses Büro nicht mit leeren Händen verlassen.
Mercer las sich das Schriftstück eingehend durch.
Dann betätigte er die Sprechanlage. "Wenn Sie mal eben zu mir ins Büro kommen würden, Harold", knurrte er. An mich gewandt fuhr er dann fort. "Ich möchte das erst von unserem Anwalt prüfen lassen, Sir!" Er verzog den Mund. "Eine reine Formsache."
"Natürlich! Sagen Sie, wie rekrutieren Sie eigentlich Ihr Sicherheitspersonal?", fragte ich.
"Wir haben eine eigene Abteilung dafür. Unsere Wachleute sind hochqualifiziert. Alles Ex-Cops, Ex-Marines und so weiter. Natürlich mit einwandfreiem Leumund."
"Aber diese Männer hatten keine Ahnung von dem, was innerhalb der Labors gelagert wurde."
"Nur eine ungefähre Ahnung. Dass es gefährliche Substanzen sind, für die die höchste Sicherheitsstufe gilt. Warum fragen Sie?"
"Ich denke an das Feuergefecht, das sich die Wachleute mit den Einbrechern geliefert haben. Die Pesterreger hätten dabei sehr leicht entweichen können, wenn der Behälter in Mitleidenschaft gezogen worden wäre!"
Mercer lächelte wie ein Wolf. Ein Goldzahn blitzte auf.
"Haben Sie einmal einen CX-Sicherheitsbehälter gesehen?"
"Ja, man hat mir welche gezeigt."
"Ich hoffe, dass man Ihnen dann dann auch erläutert hat, welche extremen Belastungen diese Behälter aushalten können. Im übrigen waren unsere Wachleute offenbar nicht darüber im Bilde, dass ein Einbruch bereits stattgefunden hatte."
"Unsere Kollegen hatten von sämtlichen Wachleuten am Tatort Aussagen aufgenommen", stellte Milo fest. "Aber die deuten eher darauf hin, dass Ihre Leute überhaupt nicht im Bilde darüber waren, was sie da zu bewachen hatten - geschweige denn, dass irgendwie dafür ausgebildet gewesen wären!"
"Geheimhaltung ist in unserem Business alles, Sir!"
Milo wollte noch etwas erwidern.
Aber in diesem Moment betrat ein Mann im dunklen Anzug den Raum. Mercer stand auf. Er gab dem Mann die richterliche Verfügung. "Lesen Sie das, Harold!"
Der Anwalt brauchte nicht lange, um sich eine Meinung gebildet zu haben.
"Ich fürchte, Sie können nichts dagegen machen, Sir! Dies ist eine richterliche Durchsuchungserlaubnis."
"Heißt das, dass die hier alles auf den Kopf stellen könnten?", fragte Mercer ungehalten.
Harold nickte. "So ist es."
Ich sagte kühl: "Vielleicht sind Sie ja jetzt etwas kooperationsbereiter."
Mercer betätigte die Gegensprechanlage und wies seine Sekretärin an, uns ein Update der Personaldaten anzufertigen.
*
Der Mann, der sich Smith nannte, hatte eine Plastiktüte aus dem Handschuhfach genommen, den CX-Behälter dort hineingetan und ihn so auf den Beifahrersitz seines Chevys gelegt.
Der Regenmantel mit dem Schussloch lag auf dem Rücksitz.
Immer wieder blickte er in den Rückspiegel während sich sein Chevy durch den abendlichen Verkehr New Yorks quälte.
Ungefähr ein Dutzendmal bog er ab, fuhr über Einbahnstraßen im Kreis. Er musste sichergehen, dass ihm keiner folgte.
Zwei habe ich erledigt, ging es ihm durch den Kopf. Zwei!
Aber sie waren zu dritt...
Und der dritte Mann würde alles andere als erbaut darüber sein, wenn er mitbekam, dass seine beiden Komplizen von Kugeln durchlöchert in einem billigen Motelzimmer lagen.
Smith atmete tief durch.
Irgendwann, als er schließlich die Upper East Side erreicht hatte, bog er in eine kleine Seitengasse ein.
Die Häuserfronten ragten schroff empor.
An beiden Straßenseiten parkte ein Wagen hinter dem anderen. Schließlich fand Smith eine Lücke. Er brauchte einige Augenblicke,