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Franz Kafka – Das Schloss. Franz KafkaЧитать онлайн книгу.

Franz Kafka – Das Schloss - Franz Kafka


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nicht aus dem Schloss, Sie sind nicht aus dem Dorfe, Sie sind nichts. Leider aber sind Sie doch etwas, ein Fremder, einer, der überzählig und überall im Weg ist, einer, wegen dessen man immerfort Scherereien hat, wegen dessen man die Mägde ausquartieren muss, einer, dessen Absichten unbekannt sind, einer der unsere liebste kleine Frieda verführt hat und dem man sie leider zur Frau geben muss. Wegen alles dessen mache ich Ihnen ja im Grunde keine Vorwürfe. Sie sind, was Sie sind, ich habe in meinem Leben schon zu viel gesehen, als dass ich nicht noch diesen Anblick ertragen sollte. Nun aber stellen Sie sich vor, was Sie eigentlich verlangen. Ein Mann wie Klamm soll mit Ihnen sprechen. Mit Schmerz habe ich gehört, dass Frieda Sie hat durchs Guckloch schauen lassen, schon als sie das tat, war sie von Ihnen verführt. Sagen Sie doch, wie haben Sie überhaupt Klamms Anblick ertragen? Sie müssen nicht antworten, ich weiß es, Sie haben ihn sehr gut ertragen. Sie sind ja gar nicht imstande, Klamm wirklich zu sehen, das ist nicht Überhebung meinerseits, denn ich selbst bin es auch nicht imstande. Klamm soll mit Ihnen sprechen, aber er spricht doch nicht einmal mit Leuten aus dem Dorf, noch niemals hat er selbst mit jemandem aus dem Dorf gesprochen. Es war ja die große Auszeichnung Friedas, eine Auszeichnung, die mein Stolz sein wird bis an mein Ende, dass er wenigstens Friedas Namen zu rufen pflegte und dass sie zu ihm sprechen konnte nach Belieben und die Erlaubnis des Gucklochs bekam, gesprochen aber hat er auch mit ihr nicht. Und dass er Frieda manchmal rief, muss gar nicht die Bedeutung haben, die man dem gerne zusprechen möchte, er rief einfach den Namen Frieda – wer kennt seine Absichten? – dass Frieda natürlich eilends kam, war ihre Sache, und dass sie ohne Widerspruch zu ihm zugelassen wurde, war Klamms Güte, aber dass er sie geradezu gerufen hätte, kann man nicht behaupten. Freilich, nun ist auch das, was war, für immer dahin. Vielleicht wird Klamm noch den Namen Frieda rufen, das ist möglich, aber zugelassen wird sie zu ihm gewiss nicht mehr, ein Mädchen, das sich mit Ihnen abgegeben hat. Und nur eines, nur eines kann ich nicht verstehen mit meinem armen Kopf, dass ein Mädchen, von dem man sagte, es sei Klamms Geliebte – ich halte das übrigens für eine sehr übertriebene Bezeichnung – sich von Ihnen auch nur berühren ließ.“ „Gewiss, das ist merkwürdig“, sagte K. und nahm Frieda, die sich, wenn auch mit gesenktem Kopf, gleich fügte, zu sich auf den Schoß, „es beweist aber, glaube ich, dass sich auch sonst nicht alles genauso verhält, wie Sie glauben. So haben Sie z.B. gewiss recht, wenn Sie sagen, dass ich vor Klamm ein Nichts bin, und wenn ich jetzt auch verlange, mit Klamm zu sprechen, und nicht einmal durch Ihre Erklärungen davon abgebracht bin, so ist damit noch nicht gesagt, dass ich imstande bin, den Anblick Klamms ohne dazwischenstehende Tür auch nur zu ertragen, und ob ich nicht schon bei seinem Erscheinen aus dem Zimmer renne. Aber eine solche, wenn auch berechtigte Befürchtung ist für mich noch kein Grund, die Sache nicht doch zu wagen. Gelingt es mir aber, ihm standzuhalten, dann ist es gar nicht nötig, dass er mit mir spricht, es genügt mir, wenn ich den Eindruck sehe, den meine Worte auf ihn machen, und machen sie keinen oder hört er sie gar nicht, habe ich doch den Gewinn, frei vor einem Mächtigen gesprochen zu haben. Sie aber, Frau Wirtin, mit Ihrer großen Lebens- und Menschenkenntnis, und Frieda, die noch gestern Klamms Geliebte war – ich sehe keinen Grund, von diesem Wort abzugehen – können mir gewiss leicht die Gelegenheit verschaffen, mit Klamm zu sprechen; ist es auf keine andere Weise möglich, dann eben im Herrenhof, vielleicht ist er auch heute noch dort.“

      „Es ist unmöglich“, sagte die Wirtin, „und ich sehe, dass Ihnen die Fähigkeit fehlt, es zu begreifen. Aber sagen Sie doch, worüber wollen Sie denn mit Klamm sprechen?“

      „Über Frieda natürlich“, sagte K.

      „Über Frieda?“ fragte die Wirtin verständnislos und wandte sich an Frieda, „hörst du, Frieda, über dich will er, er, mit Klamm, mit Klamm sprechen.“

      „Ach“, sagte K., „Sie sind, Frau Wirtin, eine so kluge, Achtung einflößende Frau und doch erschreckt Sie jede Kleinigkeit. Nun also, ich will über Frieda mit ihm sprechen, das ist doch nicht so sehr ungeheuerlich als vielmehr selbstverständlich. Und Sie irren gewiss auch, wenn Sie glauben, dass Frieda von dem Augenblick an, wo ich auftrat, für Klamm bedeutungslos geworden ist. Sie unterschätzen ihn, wenn Sie das glauben. Ich fühle gut, dass es anmaßend von mir ist, Sie in dieser Hinsicht belehren zu wollen, aber ich muss es doch tun. Durch mich kann in Klamms Beziehung zu Frieda nichts geändert worden sein. Entweder bestand keine wesentliche Beziehung – das sagen eigentlich diejenigen, welche Frieda den Ehrennamen Geliebte nehmen – nun dann besteht sie auch heute nicht; oder aber sie bestand, wie könnte sie dann durch mich, wie Sie richtig sagten, ein Nichts in Klamms Augen, wie könnte sie dann durch mich gestört sein. Solche Dinge glaubt man im ersten Augenblick des Schreckens, aber schon die kleinste Überlegung muss das richtigstellen. Lassen wir übrigens doch Frieda ihre Meinung hierzu sagen.“

      Mit in die Ferne schweifendem Blick, die Wange an K.s Brust, sagte Frieda: „Es ist gewiss, wie Mutter sagt: Klamm will nichts mehr von mir wissen. Aber freilich nicht deshalb, weil du, Liebling, kamst, nichts Derartiges hätte ihn erschüttern können. Wohl aber, glaube ich, ist es sein Werk, dass wir uns dort unter dem Pult zusammengefunden haben, gesegnet, nicht verflucht sei die Stunde.“ „Wenn es so ist“, sagte K. langsam, denn süß waren Friedas Worte, er schloss ein paar Sekunden lang die Augen, um sich von den Worten durchdringen zu lassen, „wenn es so ist, ist noch weniger Grund, sich vor einer Aussprache mit Klamm zu fürchten.“

      „Wahrhaftig“, sagte die Wirtin und sah K. von hoch herab an, „Sie erinnern mich manchmal an meinen Mann, so trotzig und kindlich wie er sind auch Sie. Sie sind ein paar Tage im Ort und schon wollen Sie alles besser kennen als die Eingeborenen, besser als ich alte Frau und als Frieda, die im Herrenhof so viel gesehen und gehört hat. Ich leugne nicht, dass es möglich ist, einmal auch etwas ganz gegen die Vorschriften und gegen das Althergebrachte zu erreichen, ich habe etwas Derartiges nicht erlebt, aber es gibt angeblich Beispiele dafür, mag sein, aber dann geschieht es gewiss nicht auf die Weise, wie Sie es tun, indem man immerfort nein nein sagt und nur auf seinen Kopf schwört und die wohlmeinendsten Ratschläge überhört. Glauben Sie denn, meine Sorge gilt Ihnen? Habe ich mich um Sie gekümmert, solange Sie allein waren? Trotzdem es gut gewesen wäre und manches sich hätte vermeiden lassen? Das einzige, was ich damals meinem Mann über Sie sagte, war: ‚Halt dich von ihm fern‘. Das hätte auch heute noch für mich gegolten, wenn nicht Frieda jetzt in Ihr Schicksal mit hineingezogen worden wäre. Ihr verdanken Sie – ob es Ihnen gefällt oder nicht – meine Sorgfalt, ja sogar meine Beachtung. Und Sie dürfen mich nicht einfach abweisen, weil Sie mir, der einzigen, die über der kleinen Frieda mit mütterlicher Sorge wacht, streng verantwortlich sind. Möglich, dass Frieda Recht hat und alles, was geschehen ist, der Wille Klamms ist, aber von Klamm weiß ich jetzt nichts, ich werde niemals mit ihm sprechen, er ist mir gänzlich unerreichbar, Sie aber sitzen hier, halten meine Frieda und werden – warum soll ich es verschweigen? – von mir gehalten. Ja, von mir gehalten, denn versuchen Sie es, junger Mann, wenn ich Sie auch aus dem Hause weise, irgendwo im Dorf ein Unterkommen zu finden, und sei es in einer Hundehütte.“

      „Danke“, sagte K., „das sind offene Worte, und ich glaube Ihnen vollkommen. So unsicher ist also meine Stellung und damit zusammenhängend auch die Stellung Friedas.“ „Nein“, rief die Wirtin wütend dazwischen, „Friedas Stellung hat in dieser Hinsicht gar nichts mit Ihrer zu tun. Frieda gehört zu meinem Haus und niemand hat das Recht, ihre Stellung hier eine unsichere zu nennen.“

      „Gut, gut“, sagte K., „ich gebe Ihnen auch darin Recht, besonders da Frieda aus mir unbekannten Gründen zu viel Angst vor Ihnen zu haben scheint, um sich einzumischen. Bleiben wir also vorläufig nur bei mir. Meine Stellung ist höchst unsicher, das leugnen Sie nicht, sondern strengen sich vielmehr an, es zu beweisen. Wie bei allem, was Sie sagen, ist auch dieses nur zum größten Teil richtig, aber nicht ganz. So weiß ich z. B. von einem recht guten Nachtlager, das mir frei steht.“

      „Wo denn? Wo denn?“ riefen Frieda und die Wirtin, so gleichzeitig und so begierig, als hätten sie die gleichen Beweggründe für ihre Frage.

      „Bei Barnabas“, sagte K.

      „Die Lumpen!“ rief die Wirtin. „Die abgefeimten Lumpen! Bei Barnabas! Hört ihr -“ und sie wandte sich nach der Ecke, die Gehilfen aber waren schon längst hervorgekommen und standen Arm in Arm hinter der Wirtin, die jetzt, als brauche sie einen Halt, die Hand des einen ergriff, „hört ihr, wo sich der


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