So viele Killer: Vier Kriminalromane. Alfred BekkerЧитать онлайн книгу.
in späteren Jahren krampfhaft erlernt klang. „Das ist ein Ultimatum: Entweder du gibst endlich das Saufen auf oder wir beide sind geschiedene Leute. Merk' dir das!“
„Ach was, geh doch zum Teufel mit deinen Moralpredigten, blöder Kerl!“, grölte eine zweite Stimme, in der Inspector Taggart sofort die „seines“ Einbrechers erkannte. „Ich saufe nämlich so lange und so oft es mir passt — und ich nicht im Einsatz bin, verstanden?“
„Und das ist alles, was du mir zu sagen hast?“, fragte die erste Stimme ärgerlich. „Du bist mir vielleicht ein undankbarer Wechselbalg! Dabei habe ich vor wenigen Stunden mein Leben riskiert, als ich dich bei Taggart herauspaukte.“
Wieder ein Schritt vorwärts; „mein“ Mann heißt also Hubert, registrierte der Inspector. Der andere wird wahrscheinlich Squire sein, der Gigolo.
Auch diese Kombination bestätigte sich, Hubert brüllte seinen Komplicen an:
„Das hast du aus purer Nächstenliebe getan, Dom, wie? Dass ich nicht lache! Dir stand das Wasser auch bis zum Hals, als ich nicht wiederkam. Wenn mich nämlich die Polizei tatsächlich in die Fänge bekommen hätte, hätte es immerhin sein können, dass ich den Mund nicht hielt, und damit wäre dann auch dein letztes Bett gebaut gewesen.“
„Gib nicht so an, Großmaul!“, schimpfte Squire. „Stimmt — du hast recht, es stand Spitz auf Kopf. Und das alles für nichts und wieder nichts.“
„Warum für nichts und wieder nichts?“, fragte Hubert. „Wyschinsky muss sonst etwas im Kopf gehabt haben — bloß keinen Verstand — als er auf die Idee kam, das Metier zu wechseln. Dabei haben die Unkosten den bisherigen Ertrag bei weitem überschritten.
Derek ist ausgefallen, Benham ist ausgefallen. Sam ist ...“ sekundenlang zögerte Squire — “... ausgefallen, wie ich einmal sagen will, und wir beide wären heute Nacht beinahe aufs Kreuz geflogen. Und warum das alles? Bloß weil Wyschinsky, der große Herr und Meister, seinen gierigen Hals nicht voll genug bekommen kann und das Geschäft ausweiten musste! Keiner kann eben auf zwei Hochzeiten zugleich tanzen.“
„Goddam, wie du mich langweilst, Dom!“, spottete Hubert. „Mit dem neuen Geschäft dürfte es ohnehin zu Ende sein, denn einen solchen Kurier wie Benham kriegen wir doch nie im Leben wieder. In dieser Hinsicht war er einmalig. Übrigens kannst du dich abregen, denn das Mary-Ann-Geschäft ist durch Benhams Totalausfall ohnehin futsch. Und Wyschinsky wird doch nicht so blöde sein, es wieder aufleben zu lassen, nachdem die Tecks auf der Burg ein- und ausgehen.“
„Ha, wunderbar logisch!“, lobte Squire. „Jetzt brüllt ihr allesamt nach der Feuerwehr — jetzt, wo das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist. Und die Mitwisser rechnet wohl keiner ein, wie?“
„Gib nicht so an, Dom! Wyschinsky weiß genau, was von uns Alten zu halten ist, und die Neuen sind tot.“
„Bis auf Eleanor. Die vergisst du wohl. Ich überlege mir schon die ganze Zeit, ob ich nicht einfach zu ihr hingehen und ...“
„Nein, keine Extratouren! Du würdest mehr schlecht als gut machen. Wyschinsky ist der Kopf — und das ist auch gut so. Und wenn er eine Aktion gegen Miss Peacock starten will, wird er es sagen. Du, lass die Finger von dem Girl! Höchstwahrscheinlich ist sie ahnungslos.“
Eine Weile blieb es im Zimmer drüben still, aber an gewissen charakteristischen Geräuschen erkannte der Inspector, dass die beiden erregt auf und ab schritten.
„Übrigens bist du im Irrtum“, begann Hubert plötzlich von Neuem, „wenn du annimmst, die Polizei sei auf unser Nebengeschäft aufmerksam geworden. In Wirklichkeit ist der Stein erst durch den Blödsinn mit der doofen Ziege ins Rollen gekommen.“ Die Stimme wurde womöglich noch gemeiner. „Du — Dom ...“
„Ja?“
„Ob Wyschinsky nicht doch das blöde Stück gegriffen hat und es auf der Burg gefangen hält?“
Diese Verdächtigung schien Squire aufzuregen.
„Nein“, zischte er seinen Komplizen an, „die Antwort lautet nein! Schreib dir das hinter die Ohren! Wyschinsky wird sich hüten, sich ausgerechnet mit der Frau eines im Kriegsministerium tätigen Offiziers anzulegen.“
„Mit ihr hätten wir, meine ich, ein herrliches Loch bohren können ...“
„Mensch, bist du dumm! Dich kann man wirklich nur für die grobe Arbeit einsetzen — aber selbst dazu reicht's nicht bei dir, siehe heute Abend ...“
Unter dem Eindruck des Vorwurfs wurde Hubert kleinlaut und zeigte das Bestreben, das Thema zu wechseln.
„Schließlich hat jeder von uns schon mal eine Panne erlebt“, warf er bitter ein. Nachdenklich fügte er hinzu: „Eines möchte ich allerdings wissen: Wer ist John Smith?“
„Hör mal, Söhnchen“, versetzte Squire in einem Tonfall, der wohl gemütlich klang, aus dem aber Taggart deutlich eine Drohung heraushörte, „der Name John Smith ist tabu! Den vergisst du am besten schnellstens — wenn du klug bist. Und wenn nicht, bestell dir sofort einen Sarg! Särge gibt's auf Abzahlung, wie ich mir sagen ließ, ha, ha, ha!“
„Danke für die Belehrung!“ Hubert wurde zusehends nüchtern.
Abermals schlief das Gespräch für eine ganze Weile ein bis — wieder Hubert — sagte:
„Also — gehen wir endlich schlafen!“
Taggart zog sich vorsichtig von der Tür zurück. Was er gehört hatte, war für ihn ungeheuer wertvoll gewesen. Und auf das meiste konnte er sich einen Vers machen.
Vorsichtshalber wartete er fünf Minuten ab, ehe er zum Fenster schlich, um sich abzusetzen.
Ein Geräusch auf dem Flur ließ ihn innehalten. Es klang wie wenn jemand auf Strümpfen näher käme.
Da — da war es wieder! Es wurde für Sekunden lauter, ebbte wieder ab, erstarb.
Taggart ließ sich nicht täuschen. Jemand stand vor der Tür des Zimmers. Er zog sich blitzschnell zur gegenüberliegenden Wand zurück und ging neben dem alten Sekretär, der ihm Deckung bot, in die Hocke. Mit der Hand maß er die Höhe der Füße aus. Zur Not mochte es angehen. Schnell schob er sich unter das mächtige Möbelstück.
Keine Sekunde zu früh; die Tür wurde aufgerissen. Der Boden dröhnte, als sich die beiden Männer fallen ließen. Taggart hob die Pistole.
Statt das Zimmer systematisch abzusuchen, verharrten die beiden in ihrer Erstarrung. Zwei Minuten vergingen — danach standen die beiden auf und schalteten das elektrische Licht ein.
Taggart zog sich so dicht wie möglich an die Wand zurück und verzichtete darauf, einen Blick auf Squire zu werfen ... Er konnte lediglich die Schuhe und Hosenbeine der beiden sehen, die misstrauisch durchs Zimmer schlichen, sich aber darauf beschränkten, in allen Winkeln zu schnüffeln. Auf die Idee, unter dem Sekretär nachzusehen, kamen sie nicht. Squire sagte:
„Nein, ist nichts hier — hast es dir nur eingebildet! Bei jedem äußert sich eben das Delirium tremens anders, Hubert. Der eine sieht weiße Mäuse, der andere hört die Polizei ...“
Die beiden stritten noch eine ganze Weile miteinander, ehe sie das Zimmer wieder verließen, nachdem sie das Licht ausgeschaltet hatten.
Währenddessen kochte Inspector Taggart im eigenen Saft. Haarscharf war die Situation gewesen, im wahrsten Sinne des Wortes haarscharf ...
Er wartete volle zwölf Minuten lang ab, obwohl ihn die Ungeduld beinahe umbrachte, ehe er sich endlich dazu entschloss sich zurückzuziehen. Weitere zwanzig Minuten dauerte es, bis er den Streifenwagen ohne Zwischenfall erreichte. Brown und Williams folgten ihm wie getreue Schatten.
„Gott sei Dank!“, stöhnte Sergeant Jellicoe auf, als der Inspector wieder neben ihm saß. „Sie ahnen ja gar nicht, welche Sorgen ich mir um Sie gemacht habe!“
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