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Seine Exzellenz Eugene Rougon. Emile ZolaЧитать онлайн книгу.

Seine Exzellenz Eugene Rougon - Emile Zola


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genau dort wieder auf, wo sie es abgebrochen hatten, und die Sitzung ging, so wie sie begonnen, in ruhiger Gleichgültigkeit zu Ende. Sogar der Stimmenlärm verebbte nach und nach, als sei der Corps législatif in einem Winkel des schweigenden Paris vollständig eingeschlafen.

      »Hören Sie mal, Béjuin«, bat Herr Kahn, »versuchen Sie doch, beim Hinausgehen Delestang zum Reden zu bringen. Er ist zusammen mit Rougon gekommen, er muß etwas wissen.«

      »Ah ja, Sie haben recht, das ist Delestang«, murmelte Herr Béjuin, während er den Staatsrat betrachtete, der links von Rougon saß. »Ich erkenne ihn nie, das kommt von diesen verteufelten Amtstrachten.«

      »Ich gehe nicht fort, denn ich will unseren großen Mann zu fassen bekommen«, fügte Herr Kahn hinzu. »Wir müssen unbedingt Bescheid wissen.«

      Der Präsident ließ über eine nicht endende Reihe von Gesetzentwürfen abstimmen, über die durch Sitzenbleiben und Aufstehen entschieden wurde. Die Abgeordneten standen mechanisch auf, setzten sich wieder, ohne mit Plaudern, ja sogar ohne mit Schlafen aufzuhören. Es wurde so langweilig, daß die wenigen Neugierigen auf den Tribünen weggingen. Nur Rougons Freunde blieben da. Sie hofften noch immer, daß er sprechen würde.

      Plötzlich erhob sich ein Abgeordneter mit dem korrekten Backenbart eines Provinzadvokaten. Das brachte den eintönigen Gang der Abstimmungsmaschine mit einmal zum Stillstand. In lebhafter Überraschtheit wandten sich die Köpfe.

      »Meine Herren«, sagte der Abgeordnete, in seiner Bank stehend, »ich bitte, mich über die Gründe auslassen zu dürfen, die mich gezwungen haben, der Mehrheit der Kommission sehr wider meinen Willen nicht zuzustimmen.«

      Seine Stimme war so grell, so komisch, daß die schöne Clorinde ein Lachen hinter der vorgehaltenen Hand erstickte. Aber unten bei den Herren nahm das Erstaunen zu. Was war denn da los? Weshalb redete er? Durch Fragen erfuhr man schließlich, daß der Präsident soeben den Entwurf eines Gesetzes zur Debatte gestellt hatte, durch welches das Departement PyrénéesOrientales ermächtigt werden sollte; eine Anleihe von zweihundertfünfzigtausend Francs für den Bau eines Justizpalastes in Perpignan aufzunehmen. Der Redner, der dem Generalrat15 dieses Departements angehörte, sprach gegen den Gesetzentwurf. Das schien interessant zu werden. Man hörte zu.

      Der Abgeordnete mit dem korrekten Backenbart ging unterdessen mit außerordentlicher Vorsicht vor. Seine Sätze, in deren Verlauf er vor allen nur denkbaren Autoritäten den Hut zog, waren voller Vorbehalte. Aber die Lasten des Departements seien schwer; und er entwarf ein vollständiges Bild der finanziellen Lage der PyrénéesOrientales. Außerdem scheine ihm die Notwendigkeit eines neuen Justizpalastes nicht besonders erwiesen. Auf diese Weise sprach er fast eine Viertelstunde lang.

      Als er sich setzte, war er sehr erregt. Rougon, der die Augenlider gehoben hatte, ließ sie langsam wieder sinken.

      Dann kam der Referent an die Reihe, ein kleiner, sehr lebhafter Greis, der als ein seiner Sache sicherer Mann mit klarer Stimme sprach. Zunächst richtete er ein höfliches Wort an seinen ehrenwerten Kollegen, mit dem er zu seinem Bedauern nicht übereinstimme. Allein, das Departement PyrénéesOrientales sei weit davon entfernt, so verschuldet zu sein, wie man behaupten wolle; und mit anderen Zahlen entwarf er ein neues vollständiges Bild der finanziellen Lage des Departements. Zudem könne die Notwendigkeit eines Justizpalastes nicht geleugnet werden. Er teilte Einzelheiten mit. Der alte Palast liege in einem so dicht bevölkerten Viertel, daß der Straßenlärm die Richter daran hindere, die Anwälte zu verstehen. Außerdem sei er zu klein; deshalb müßten sich die Zeugen, wenn bei Schwurgerichtsprozessen sehr viele geladen seien, auf einem Treppenabsatz aufhalten, was sie gefährlichen Zudringlichkeiten aussetze. Der Referent schloß damit, daß er als unwiderstehliches Argument verkündete, der Justizminister selber habe die Vorlage des Gesetzentwurfes bewirkt.

      Rougon, die Hände auf den Schenkeln gefaltet, den Nacken gegen die Mahagonibank gelehnt, rührte sich nicht. Seit Beginn der Auseinandersetzung schien seine breitschultrige Gestalt noch schwerfälliger geworden. Und als der erste Redner Miene machte, erwidern zu wollen, erhob Rougon langsam seinen massigen Körper, ohne sich ganz bis zum Stehen aufzurichten, und sprach mit belegter Stimme den einzigen Satz: »Der Herr Referent vergaß hinzuzufügen, daß der Innenminister und der Finanzminister dem Gesetzentwurf zugestimmt haben.« Er sank auf seinen Sitz zurück, verfiel von neuem in die Haltung eines schlummernden Stiers. Manche der Abgeordneten hatte ein leichter Schauer überrieselt. Der Redner setzte sich wieder, wobei er grüßend den Oberkörper neigte. Und das Gesetz wurde angenommen. Die wenigen Mitglieder, die der Debatte neugierig gefolgt waren, machten gleichgültige Gesichter.

      Rougon hatte gesprochen! Von einer Loge zur anderen zwinkerten Oberst Jobelin und die beiden Charbonnels einander zu, während sich Frau Correur anschickte, die Tribüne zu verlassen, wie man eine Theaterloge vor dem Fallen des Vorhangs verläßt, sobald der Held des Stückes seine letzte Tirade von sich gegeben hat. Herr d'Escorailles und Frau Bouchard waren schon gegangen. Clorinde, die an der Samtbrüstung stand und den Saal mit ihrer prachtvollen Erscheinung beherrschte, hüllte sich langsam und majestätisch in einen Spitzenschal, wobei sie den Blick rings um das Halbrund schweifen ließ. Der Regen trommelte nicht mehr auf die Scheiben des Oberlichts, aber der Himmel war noch düster von großen Wolken. Bei dem trüben Licht wirkte das Mahagoniholz der Pulte schwarz; wie ein Brodem stieg Dunkelheit längs der Bänke auf, wo nur noch die kahlen Schädel der Abgeordneten weiße Flecken bildeten; und auf dem Marmor der Sockel unterhalb der verschwommenen Blässe der allegorischen Gestalten zeichneten sich der Präsident, die Schriftführer und die in einer Reihe stehenden Huissiers als starre Schattenspielfiguren ab. In diesem so plötzlich abnehmenden Tageslicht versank die Sitzung.

      »Lieber Gott, es ist zum Umkommen hier drin«, sagte Clorinde und drängte ihre Mutter zum Verlassen der Tribüne.

      Und sie verwirrte die auf dem Treppenabsatz eingenickten Huissiers durch die seltsame Art, in der sie sich ihren Schal um die Hüften gewickelt hatte.

      Unten im Vestibül trafen die beiden Damen den Oberst und Frau Correur.

      »Wir warten auf ihn«, sagte der Oberst, »vielleicht kommt er hier heraus ... Auf jeden Fall habe ich Kahn und Béjuin einen Wink gegeben, damit sie mir hierher Nachricht bringen.«

      Frau Correur hatte sich der Gräfin Balbi genähert. Nun sagte sie mit trostloser Stimme: »Ach, das wäre ein großes Unglück«, ohne sich weiter auszulassen.

      Der Oberst hob den Blick gen Himmel.

      »Männer wie Rougon braucht das Land unbedingt«, meinte er nach einem kurzen Schweigen. »Der Kaiser würde einen Fehler machen.«

      Und wieder schwiegen alle. Clorinde wollte in die große Wandelhalle hineinschauen, aber ein Huissier schloß jählings die Tür. Sie kehrte also zu ihrer Mutter zurück, die stumm unter ihrem kleinen schwarzen Schleier dastand. Sie murmelte: »Warten ist schrecklich langweilig.«

      Soldaten kamen. Der Oberst teilte mit, daß die Sitzung beendet sei. Tatsächlich erschienen oben auf der Treppe die Charbonnels. Hintereinander stiegen sie vorsichtig am Geländer entlang herunter. Als Herr Charbonnel den Oberst gewahrte, rief er: »Er hat nicht viel gesagt, aber er hat ihnen schön das Maul gestopft!«

      »Es fehlt ihm an Gelegenheiten«, flüsterte der Oberst dem Biedermann ins Ohr, als dieser dicht bei ihm war, »sonst sollten Sie ihn hören! Er muß erst in Hitze geraten.«

      Unterdessen hatten die Soldaten vom Sitzungssaal bis zu der Galerie des Präsidiums, die auf das Vestibül hinausführt, Spalier gebildet. Und während die Tamboure einen Marsch schlugen, näherte sich ein feierlicher Zug. An der Spitze schritten zwei schwarzgekleidete Huissiers, den Chapeau claque unter dem Arm, die Kette um den Hals, den Degen mit dem stählernen Knopf an der Seite. Dann kam der Präsident, den zwei Offiziere geleiteten. Die Schriftführer des Präsidiums und der Generalsekretär seiner Kanzlei folgten. Als der Präsident an der schönen Clorinde vorbeiging, lächelte er ihr als Mann von Welt trotz des feierlichen Aufzuges zu.

      »Ach, hier sind Sie«, rief Herr Kahn, der ganz bestürzt angelaufen kam.

      Und obwohl die große Wandelhalle damals für das Publikum gesperrt war, führte er sie in die Nische einer der hohen Glastüren,


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