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Professor Bernhardi. Arthur SchnitzlerЧитать онлайн книгу.

Professor Bernhardi - Arthur Schnitzler


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gelegen?

      HOCHROITZPOINTNER. Ja. Vorher war er beim Professor Ebenwald. Aber da es ein inoperabler Fall war –

      ADLER. Als Diagnostiker ist er wirklich ersten Ranges, euer Chef, da kann man sagen, was man will.

      KURT lächelnd. Was will man denn sagen?

      ADLER. Wieso?

      KURT. Nun, weil Herr Dozent äußern: Da kann man sagen, was man will.

      ADLER etwas süß. Was sind S' denn so streng mit mir, Doktor Pflugfelder? Ich hab halt gemeint, daß eure Hauptstärke in der Diagnose liegt, nicht so sehr in der Therapie. Da experimentiert ihr doch verdammt viel herum, meiner unmaßgeblichen Ansicht nach.

      KURT. Ja, Herr Dozent, was sollen wir denn tun auf der Internen? Man muß doch die neuen Mittel versuchen, wenn die alten nicht mehr helfen.

      ADLER. Und morgen ist das Neue schon wieder das Alte. Ihr könnt's ja nichts dafür. Ich hab ja das auch einmal mitgemacht. Aber es ist schon verstimmend manchmal, daß man so im Dunkeln herumtappen muß. Das war ja der Grund, daß ich mich zur pathologischen Anatomie geflüchtet habe. Da ist man sozusagen der Oberkontrollor.

      KURT. Entschuldigen, Herr Dozent, es ist doch noch einer über Ihnen.

      ADLER. Aber der hat keine Zeit, sich um uns zu kümmern. Der ist zu sehr bei einer anderen Fakultät engagiert. Über der Krankengeschichte. Also Röntgen auch? Ja, glaubt's ihr denn wirklich, daß das in solchen Fällen –

      KURT. Wir fühlen uns verpflichtet, alles zu versuchen, Herr Dozent. Besonders, wo nichts mehr zu verlieren ist. Das ist keineswegs Phantasterei oder gar Reklamebedürfnis, wie von manchen Seiten behauptet wird, und man sollte es dem Professor nicht übelnehmen.

      ADLER. Wer nimmt's ihm denn übel? Ich gewiß nicht.

      KURT. Ich weiß, Herr Dozent, Sie nicht. Aber es gibt schon Leute.

      ADLER. Es hat halt jeder seine Widersacher.

      KURT. Und Neider.

      ADLER. Natürlich. Wer was arbeitet und was erreicht. Viel Feind, viel Ehr. Bernhardi kann sich ja wirklich nicht beklagen. Praxis in den höchsten Kreisen und in gewissen ändern, wo's glücklicherweise mehr trägt, – Professor, Direktor des Elisabethinums –

      KURT. Na, wer soll's denn sein, wenn nicht er? Er hat sich für das Institut genug herumgeschlagen.

      ADLER. Gewiß, gewiß. Ich bin der letzte, der seine Verdienste verkleinern möchte. Und daß er so hoch gekommen ist gerade bei den heutigen Strömungen, – ich hab ja ein gewisses Recht, davon zu reden, da ich selbst aus meiner jüdischen Abstammung niemals ein Hehl gemacht habe, wenn ich auch mütterlicherseits aus einer alten Wiener Bürgerfamilie stamme. Habe sogar Gelegenheit gehabt, in meiner Studentenzeit für die andere Hälfte zu bluten.

      KURT. Ist bekannt, Herr Dozent.

      ADLER. Es freut mich eigentlich, Herr Doktor, daß auch Sie unserm Herrn Direktor in gebührender Weise Gerechtigkeit widerfahren lassen.

      KURT. Warum freut Sie das, Herr Dozent?

      ADLER. Sie waren ja deutschnationaler Couleurstudent.

      KURT. Und Antisemit. Jawohl, Herr Dozent. Bin's sogar noch immer, im allgemeinen. Nur bin ich seither auch Antiarier geworden. Ich finde, die Menschen sind im allgemeinen eine recht mangelhafte Gesellschaft, und ich halte mich an die wenigen Ausnahmen da und dort.

      Professor Cyprian von rechts. Älterer kleiner Herr mit langen, fast noch blonden Haaren, etwas gedehnte, singende Redeweise, gerät immer unversehens ins Vortraghalten, spricht wie zu einem Auditorium. Adler, Kurt, Hochroitzpointner.

      CYPRIAN. Habe die Ehre, meine Herren. Gegengrüße. Ist der Doktor Adler vielleicht da? Ah ja, da sind Sie. Ich hab Sie unten gesucht. Kann ich mich darauf verlassen, Doktor Adler, daß mir der Schädel von heut nicht wieder verschwindet, wie neulich der von dem Paralytiker?

      ADLER. Der Diener ist beauftragt, Herr Professor –

      CYPRIAN. Der Diener ist nicht zu finden. Wahrscheinlich wieder im Wirtshaus. Sie werden noch erleben, was ich seinerzeit in Prag erlebt habe, wie ich dort bei Heschel gearbeitet habe. Dort war auch so ein Alkoholiker als Diener im pathologischanatomischen Institut angestellt. Der Kerl hat uns allmählich den ganzen Spiritus von den Präparaten weggesoffen.

      ADLER. Der unsere, Herr Professor, zieht vorläufig noch Kümmel vor.

      CYPRIAN. Also, ich möchte heute abend hinunterkommen. Wann sind Sie denn unten?

      ADLER. Ich arbeite jetzt gewöhnlich bis gegen Mitternacht.

      CYPRIAN. So, da komme ich also nach zehn.

      Bernhardi und Oskar kommen von rechts.

      BERNHARDI. Guten Tag. Grüß dich Gott, Cyprian. Suchst du vielleicht mich?

      CYPRIAN. Ich habe eigentlich etwas mit Doktor Adler zu sprechen gehabt. Aber es ist mir sehr angenehm, daß ich dich treffe. Ich wollte dich nämlich fragen, wann du etwa Zeit hättest, mit mir ins Unterrichtsministerium zu kommen?

      BERNHARDI. Was gibt's denn?

      Sie stehen allein zusammen. Oskar geht gleich in den Krankensaal. Die andern Herren abseits im Gespräch.

      CYPRIAN. Es gibt gar nichts Besonderes. Aber ich glaube, wir sollten das Eisen schmieden, solange es warm ist.

      BERNHARDI. Ich verstehe dich wirklich nicht.

      CYPRIAN. Es ist jetzt der günstigste Moment, für unser Institut was herauszuschlagen. Daß ein Arzt, ein klinischer Professor, sich an leitender Stelle befindet, das ist eine Konstellation, die wir ausnützen müssen.

      BERNHARDI. Ihr seid ja alle merkwürdig hoffnungsvoll in Hinsicht auf Flint.

      CYPRIAN. Mit guten Gründen. Ich habe ihm die Karriere prophezeit, wie wir zusammen im Laboratorium bei Brücke vor bald dreißig Jahren gearbeitet haben. Er ist ein administratives Genie. Ich habe schon ein Memorandum skizziert. Was wir verlangen, ist vor allem eine staatliche Subvention, um nicht länger ausschließlich auf die etwas unwürdigen Privatsammlungen angewiesen zu sein. Ferner –

      BERNHARDI. Ihr seid in einer Weise vergeßlich! Flint ist unser erbittertster Gegner.

      CYPRIAN. Aber ich bitte dich, das ist ja längst vorbei. Er steht dem Elisabethinum heute mit der größten Sympathie gegenüber. Hofrat Winkler hat es mir gestern wieder gesagt. Ganz spontan.

      BERNHARDI. Na. –

      OSKAR aus dem Krankenzimmer, rasch zu Bernhardi. Du, Papa, ich glaube, wenn du sie noch sprechen willst –

      BERNHARDI. Entschuldige mich, lieber Cyprian. Vielleicht geduldest du dich fünf Minuten.

      Ab.

      OSKAR zu Cyprian. Eine Sterbende, Herr Professor.

      Folgt seinem Vater in den Krankensaal.

      Hochroitzpointner, Kurt, Adler, Cyprian.

      KURT beiläufig. Eine Sepsis. Junges Mädel. Abortus.

      HOCHROITZPOINTNER zu Adler. Für morgen, Herr Dozent.

      CYPRIAN in seiner eintönigen Weise. Wie ich noch Assistent war bei Skoda, da haben wir einen Primarius im Spital gehabt, nomina sunt odiosa, der hat uns gebeten, uns Assistenten mein ich, wir sollen ihn, wenn irgend möglich, zu jedem Sterbefall herbeirufen. Er wollte eine Psychologie der Sterbestunden schreiben, angeblich. Ich habe damals gleich zu Benutzer gesagt, der mit mir zusammen Assistent war, da stimmt etwas nicht. Es geht ihm nicht um die Psychologie. Also, denken Sie sich, eines Tages ist der Primarius plötzlich verschwunden. War ein verheirateter Mann mit drei Kindern. Zu der Nacht darauf findet man in irgendeiner abgelegenen Straße einen zerlumpten Kerl erstochen auf. Na, Sie erraten ja schon die Pointe, meine Herren. Es stellt sich heraus, daß der Primarius und der erstochene Strolch ein und dieselbe Person sind. Durch viele Jahre hindurch hatte er ein Doppelleben geführt. Bei Tag war er der beschäftigte Arzt, nachts


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