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Ein Schmierer namens Vallentin. Hein BrunsЧитать онлайн книгу.

Ein Schmierer namens Vallentin - Hein Bruns


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Reisegesellschaft, aber nicht in die Puffs. Klaubte mir aus Reiseprospekten die Sehenswürdigkeiten der Stadt und ihrer nahen Umgebung heraus, und gab das von mir, soweit ich es selbst verstand. Bekam auch da viele Dankeschön und wenig Peseten. Dass ich als „Eingeborenen soviel und so gut Deutsch sprach, konnten sie gar nicht fassen, und es entlockte ihnen viele Ahs und Ohs. Dass die Touristin Margot Thormählen aus Düsseldorf meine Bude nachts einer Besichtigung unterzog und dabei auch nicht vergaß, das Bett zu zerwühlen, war eine kleine Freude des an Land gebliebenen Seemannes. Beinahe wäre es mir auch gelungen, dieses reizende Eiland mit einer deutschen Jacht zu verlassen; die wollte über den großen Teich segeln. Der Besitzer hatte mich schon angenommen. Vorschuss, schöne, blanke amerikanische Dollars wurden mir auf die Back gezählt, und dafür quittierte ich. Musste doch meinen Seesack aus dem Pfandhaus holen. Abschied feierte ich in der „Grünen Olive“ ... drei Tage lang. Die Jacht segelte ohne mich. Eben, weil der Wein so billig war, die Windlichter so flackerten, und weil mir der weiße Busen der Inez verdammt nahe lag. So kam es, dass die Jacht ohne mich segelte, ... und ich hatte doch schon für die schönen, blanken Dollars quíttiert. Dass die Jacht auf der Überfahrt verloren ging, erfuhr ich erst viel später, als ich schon längst wieder auf einem alten Eimer gemustert war. Ja, was so ein weißer Busen wert sein kann, … wenn auch mit mir nicht viel verloren gegangen wäre. – Ich liege an Deck und döse. Freiwache. Meine Hand streicht über die Kordelnarbe, und an der Kimm und im Blau des Tages versinkt Gran Canaria.

      Der andere im Logis wohnende Deutsche heißt Emil. Er ist auch der Mann, mit dem ich am ersten Abend die Korbflasche Wein geleert habe. Emil hat aber nicht zu mir gesagt, dass er Deutscher ist, wir haben englisch miteinander gesprochen. Emil gefällt mir nicht, er hat ein ausgesprochenes Gaunergesicht, verschlagen, und hinterlistige Augen. Frau und Kinder hat er irgendwo in Deutschland sitzen lassen, und der Spruch „Was schert mich Frau, was schert mich Kind, lass sie betteln geh'n, wenn sie hungrig sind“, ist treffend für ihn. Emil hat keine Zähne. Doch Kuchenzähne hat er. Emil ist immer ohne Geld, versäuft jeden Cent. Ist impotent bis in die Zehenspitzen. Kommt durch das Saufen. Es gibt auch keine Geschlechtskrankheit, die Emil nicht gehabt hat, und er macht auch kein Hehl daraus. Und er spricht gern davon. Schanker, hart und weich, spanischer Kragen und Tripper, Emils Wortschatz darin ist unerschöpflich. Er meint auch, dass jeder Tripper heilbar sei, nur der erste nicht. Emil ist auch ein Wetzer und Radfahrer und Arschlecker. Aber nur ruhig Blut, ich komme schon noch hinter seine Schliche, lass mich nur erst einmal richtig warm sein. Einen Rat hat er mir aber gegeben, und der ist Gold wert, nur er selbst hat ihn nicht befolgt. „In einem Lokal, ganz gleich, ob in Hamburg, Marseille, in Rio oder sonst wo, musst du dir die hässlichste und älteste Hure zum Schlafen aussuchen, da holste dir so leicht nichts an 'nen Arsch. Eher bei einer Hübschen, denn da geh'n se alle ran“. Ein Spanier, ein Portugiese, ein Finne und ein Schwede teilen noch mit mir die Luft im Logis. Der Portugiese kommt aus Viano de Castelo und José, der Spanier, aus Avila. Ich glaube, die beiden lieben sich, aber das ist nicht meine Sache. Der Finne Elmar wurde im Elendsviertel von Helsinki groß. Sein Vater soff und ist in einer Säuferheilanstalt verreckt, seine Mutter säuft noch heute, und Elmar hat dieses prachtvolle Erbe angetreten. Aber wiederum nicht meine Sache. Elmar säuft alles, dessen er habhaft werden kann und was Alkohol enthält. Den billigsten Fusel, den schäbigsten Wein, vom Haarwasser denkt er sich den Geruch weg, und schon läuft das. Der Schwede Vänne säuft wohl auch; aber in Maßen und schläft dann bald, wogegen Elmar noch immer ein bisschen mit dem Käsemesser hantieren soll, sezieren an lebenden Körpern. Gar nicht andere, sondern seine eigene Kehle will er immer kitzeln. Er meint auch, man müsste mit einer rasiermesserscharfen Machete die Gehirnschale eines ausgewachsenen fetten Katers mit einem raschen Hieb seitlich abkippen und in das noch zuckende Gehirn eine Prise Salz geben, dann schnell auslöffeln ... das würde gar nicht so herbe schmecken. Der Finne Elmar pisst oft ins Bett ... und das ist scheußlich, besonders für Emil, der die untere Koje beschläft. Im Hafen ist es besonders schlimm, wenn Elmar einen gesoffen hat, dann schwimmt der Strohsack, wird durchnässt und stinkt. Die Bettlaken haben nach dem Trocknen, sie trocknen von selbst, große Flecken mit braunen Rändern, immer mehr braune Ränder, die sich ineinander verschlingen wie die Grenzen einer Provinzlandkarte. Emil kann weiter nichts tun als schimpfen und fluchen, denn an den hünenhaften Finnen wagt er sich nicht heran. Auf ernsthafte Drohungen von mir und Ernesto hin hat sich Elmar jetzt endlich bequemt, die untere Koje zu beziehen. Er pisst zwar weiter, aber nun kann der Moses doch unter der Koje die Pfützen auffeudeln. Er pisst zwar weiter, aber nun kann Emil wenigstens schlafen und wir auch, weil die nächtliche Pöbelei aufgehört hat. Der Finne hat einen Geschlechtstrieb wie ein Ostasiate und onaniert wie ein gefangener Pavian. Die Kojenwand ist ausstaffiert mit Bildern nackter Weiber.

      Die gelben Fluten des Gambias rollen reißend seewärts. Gestrüpp, nackt, sperrig und blattlos, sticht aus dem Strom. Lianen, verschlungen wie Kinderhände beim Reigen, schwimmen mit. Tierkadaver, aufgedunsen, stinkend, gespickt mit nachtschwarzen Vögeln wirbelt der Gambia seewärts. Ein noch zappelnder Affe, mit todesnahen Augen und hilflosen Beinen, segelt durch Stromschnellen und versäuft. Weißnackte Baumstämme, ihrer Rinde entschält von Felsenmessern, trudeln quer oder schießen spitz in der Strömung. Baumstämme, blattlos, mit wirrigen Ästen, stehen sekundenlang aufwärts, als wüchsen sie im Strom. Zu beiden Seiten steht der Urwald, dunkel und drohend. In einer, Lichtung flegelt sich ein elendes Kanakernest. Entstehungsgeschichte: Als der liebe Gott mit der Erschaffung der Erde fertig war, behielt er noch ein paar Palmen, einige Quadratmeter Wellblech, einen Schock Neger und sonstigen Kleinkram übrig. Das alles schmiss er wahllos in die Gegend, setzte die männlichen und weiblichen Negerpipels mitten hinein, auf dass sie Früchte tragen ... und Kanakertown existiert von nun an und wahrscheinlich bis in alle Ewigkeit. Die Häupter der Palmen wiegen sich müde im stickig heißen Tropenwind. Das Zinkblech der Welldächer fängt an zu vergammeln. Die stinkende Jauche des Gambias spielt am Ufer mit verrosteten Konservendosen. Köter, mistig, struppig. Negernachwuchs wälzt sich im Dreck. Ein alter Ford ächzt durch morastige Pfade. Und der Urwald steht drohend und dunkel. Wir liegen schon sechs Tage auf dem Fluss vor Anker. Die Nacht fällt jäh und schwarz herunter. Die Nacht verschluckt hastig Urwald und Ufer. Der Mond sichelt sich durch das dunkle Himmelstuch. Der heiße, stickige Atem des Urwalds und der Verwesung steht über dem Fluss. In Scharen und Schwärmen kommen die Moskitos, getragen vom Atem, ausgedürstet nach Blut. Wir liegen auf unseren Strohsäcken mit schweißnassen Leibern und hundemüden Augen und morden Moskitos. Zerdrücken sie auf unseren Körpern. Zerreißen sie zwischen den Fingern. Schleichen sie an. Belauern sie. Zertrampeln, verbrennen, zerreißen, zerpflücken sie. Der heiße Atem bringt neue Legionen, der heiße Atem jagt sie in unsere Logis, der heiße Atem hetzt sie auf unsere Körper, der heiße Atem lässt sie sich in uns verbeißen, der heiße Atem trägt sie blutgefüllt wieder davon. Die Beulen an unseren Körpern kratzen wir blutig. Wir reiben uns mit Urin ein, dass wir stinken wie die Pissanstalten von Hongkong, ziehen unsere Baumwolldecken über die Ohren und versaufen im eigenen Schweiß. Der Schlaf kommt nur zögernd und bleibt an der Oberfläche. Am Tage wird uns auch nichts geschenkt, bei Gott nicht. Wir ziehen den Hochdruckkolben, wanken mittags nach oben, durchlaufen die Glut des Tages von mittschiffs nach vom und fallen an die Back. Natürlich gibt es heiße Bouillonsuppe. Diese verdammten weißen Köche sind auf allen Schiffen der Meere gleich im Zubereiten der Fresserei. In den Tropen heiße Suppe, im Eismeer Kaltschale. Heute Mittag war es wieder so. Die Suppe steht heiß und dampfend auf der Back, so heiß und dampfend wie die Stimmung. An der Oberfläche schwimmt gelbweißes Hammelfett. „Lasst ihr euch das gefallen?“ frage ich. „Du ja auch, Neuer“, höhnt einer. Mir steigt der Zorn hoch. „Wer geht mit mir nach mittschiffs?“ frage ich schneidend. Sie sehen sich an, sie sehen mich an, und der Spanier und der Portugiese sehen zuerst nach unten. „Na, wer kommt mit?“ „Ich“, sagt Ernesto. Wir fragen den Koch gefährlich leise, was es in der Offiziersmesse und im Kapitänssalon für eine Suppe gäbe. „Kaltschale natürlich, wie es sich für die Hitze und für die Herren gehört.“ „So, so, Kaltschale, so so. Und uns willst du mit deinem Heißgetränk den Schlund verbrennen, du verfluchter Hund, du ... Da, nimm und bade und verbrenne dir deine schmierigen Füße in dem Fraß!“ Ernesto und ich gießen mit einem Schwung dem Koch die heiße Brühe über die nackten Füße. Er springt wie ein Feuertänzer und schreit wie eine Straßenbahn in der Kurve. Das gelbweiße Hammelfett schwappt über die Fliesen der Kombüse, und der Steward geht mit einer weißen Terrine vorbei, einer Terrine mit Apfelsinenkaltschale,


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