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kopfschüttelnd. „Wenn ich das richtig verstanden habe, kann Keno online am Unterricht teilnehmen, statt hierherzukommen.“ „Ja, aber nur ausnahmsweise und nur, wenn seine Leistungen stimmen“, entgegnet Joost. „Die Kinder sind ohnehin lieber hier – echte Gesellschaft macht eben mehr Spaß als virtuelle. Das war zu meiner Schulzeit nicht anders.“ „Stimmt“, murmelt Hanna und mustert ihn übertrieben streng, „wenn ich mich recht erinnere, war Spaß zeitweise so ziemlich das Einzige, das du in der Schule ernst genommen hast! Aber am Ende hat sich ja auch bei dir das Lernen im individuellen Tempo und in kleinen Gruppen bewährt.“
Bildung schafft Fortschritt, Fortschritt schafft Bildung
„Ich habe eben etwas länger gebraucht, bis ich wusste, was ich wollte“, gibt Joost freimütig zu. Technik faszinierte ihn, später auch die Frage, wie Technik die Welt verändert. Die individuelle Förderung seiner Interessen in der Schule brachte ihn schließlich auf den Weg: Er absolvierte ein Ingenieurstudium und reiste anschließend beruflich mehrmals nach Indien. Dort stellte er unter anderem fest, dass in Indien nicht nur an den Hochschulen, sondern auch an allgemeinbildenden Schulen virtuelle Lehrmethoden weit verbreitet waren.
Der Grund lag auf der Hand: Seit Jahrzehnten schon waren Informations- und Kommunikationsdienstleistungen wichtige Wachstumsträger der indischen Wirtschaft und sollten es aus Sicht der Regierung auch zukünftig bleiben. Dann legten wiederholt großflächige Stromausfälle Wirtschaft, Verkehr und öffentliches Leben lahm, und es wurde überdeutlich, dass die wirtschaftliche Entwicklung des Landes ohne eine zuverlässig funktionierende Energieversorgung gefährdet war. Sowohl IT- als auch Energiewirtschaft benötigten viele gut ausgebildete Fachkräfte. Junge, potenzielle Arbeitskräfte gab es zwar genug, aber nur ein kleiner Teil davon verfügte über einen ausreichend hohen Bildungs- oder Ausbildungsstand. Vor allem ärmere Bevölkerungsschichten auf dem Land hatten kaum Zugang zu entsprechenden Bildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten.
Es lag also im staatlichen und wirtschaftlichen Interesse Indiens, Bildungs- und Ausbildungsangebote in den Städten und auf dem Land gleichermaßen zu fördern. In Städten wie Neu-Delhi oder Mumbai wurden Schulen mit modernen Informations- und Kommunikationstechnologien ausgestattet. Joost erfuhr, dass die konsequente Bildungsinitiative eines indischen Bundesstaates den anderen Bundesstaaten als Vorbild diente: Stadtschulen übertrugen ihren Fachunterricht online an immer mehr Partnerschulen auf dem Land, denn dort fehlte es an Fachlehrkräften. Als darüber hinaus kostenlose Schulmahlzeiten angeboten wurden, schickte selbst die ärmere Landbevölkerung ihre Kinder lange genug zur Schule, um einen Abschluss zu erlangen, der sie für eine Fachausbildung qualifizierte. Dieses Angebot weckte bei vielen die Hoffnung, der Armutsfalle nicht nur in den Großstädten entgehen zu können, und bremste so die Landflucht wirksam. Große Firmen unterstützten die Bildungsinitiative auf dem Land. Im Gegenzug durften sie außerhalb der Unterrichtszeiten die Informationsinfrastruktur der Schulen für die Aus- und Weiterbildung ihrer Arbeitskräfte nutzen.
Ähnliche kostengünstige Initiativen entstanden auch in Afrika, wo das traditionelle Bildungssystem kaum Schritt halten konnte mit den hohen Geburtenraten. Solche Bildungsinvestitionen – teilweise gefördert von den Industrieländern – erwiesen sich als Spirale nach oben und veränderten ganze Gesellschaften. Joost gerät regelmäßig ins Schwärmen, wenn er davon erzählt. Jan unterbricht ihn schließlich: „… und so überholten uns Indiens und Afrikas Wirtschaft im Galopp.“ „Na ja, ich glaube tatsächlich, dass sie auf dem bestem Wege sind“, entgegnet Joost, „aber keine Sorge: Bis jetzt hat unsere Wirtschaft vom Aufschwung in anderen Ländern meist profitiert. Bestes Beispiel ist doch die Firma, für die du arbeitest: Hauptsitz in Indien, Tochterfirmen in Deutschland und Amerika …“
Keno gesellt sich zu ihnen, seine erste Unterrichtsstunde an der neuen Schule ist beendet. Hanna ergreift das Wort: „Bleibt es dabei, dass Keno im September für eine Woche zu uns kommt?“ „Aber ja“, antwortet Frauke. Für Keno ist der Aufenthalt bei seinen Großeltern längst ausgemacht. „Können wir mit dem Segelboot rausfahren?“, hakt er bei seinem Großvater nach. „Aber sicher!“, freut sich Jan. Hanna erkundigt sich: „Aber verpasst du nicht zu viel Unterrichtsstoff, so kurz nach dem Schulstart?“ „Die Aufgaben erledige ich mit dem ‚Schumi‘, und am Unterricht kann ich doch virtuell teilnehmen“, erklärt Keno. „Lasst uns diesen Tag jetzt erst einmal angemessen feiern, für den Ernst des Lebens ist später noch Zeit genug“, schlägt Joost vor. „Worauf habt ihr denn Appetit? Ich reserviere uns am besten gleich einen Tisch. Unsere Küche bleibt nämlich heute kalt!“
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