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Die Ahnen. Gustav FreytagЧитать онлайн книгу.

Die Ahnen - Gustav Freytag


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Fürst stand vor dem Herrenhause und empfing dort die Edlen und die freien Bauern, welche auf allen Wegen zu Fuß und Roß heranzogen und am geöffneten Tor von Hildebrand, dem Sprecher, begrüßt wurden. Wer zu Roß nahte, der stieg dort ab, und die Jungen führten sein Pferd in ein weites Gehege und banden es fest, damit die Knechte ihm den Schaum mit Stroh abrieben und alten Hafer in die Krippe schütteten. Würdig war Gruß und Anrede, in weitem Ringe standen die Gäste auf dem Hofe, eine stolze Genossenschaft, ansehnliche Männer aus zwanzig Dörfern der Gegend, alle in ihrem Kriegsschmuck, den Eschenspeer in der Hand, Schwert und Dolch an der Seite, in schöner Lederkappe, die mit Zähnen und Ohren des wilden Ebers geschmückt war; mancher ragte unter dem Eisenhut, in einem Lederkoller oder Kettenpanzer über dem weißen Hemd und in hohen Lederstrümpfen, die bis zum Leibe reichten, mancher auch, der reich war und die Ware der rheinischen Krämer beachtete, trug einen Überwurf von fremdem Zeug, das feine Haare von bunter Farbe hatte und wie das zarte Fell eines Raubtiers glänzte. Schweigend standen die Männer und freuten sich der Versammlung, nur einige, die zueinander traten, tauschten leise Worte über die Gerüchte, welche durch das Land flogen von der großen Schlacht im Westen und von bedrohlicher Zeit. Aber wer die Meinung der Menschen kannte, wie Hildebrand, der Sprecher, der merkte wohl, daß ihr Sinn kraus war und ihre Gedanken ungleich. Lange währte die Begrüßung, denn immer noch kamen einzelne, die sich verspätet hatten, bis der Sprecher an den Häuptling trat und auf den Stand der Sonne wies.

      Da führte der Wirt seine Gäste vor die Halle, feierlich betraten sie im Zuge die Stufen; am Eingang empfing sie die Hausfrau, neben ihr stand die Tochter mit den Mägden. Ehrerbietig huldigten die Männer den Frauen; die Fürstin reichte allen die Hand und fragte gebührlich nach ihren Frauen und dem Hausstand, den Männern von der Freundschaft bot sie die Wange zum Kuß. Die Häupter des Volks nahmen gewichtig Platz auf den Sesseln der Bühne und begannen ernstes Männergespräch, während der Schenk und die Diener in langer Reihe einzogen; diese trugen in Holzkannen den Frühtrunk und behagliche Zukost, weiße gewürzte Brotkuchen und Fleisch aus dem Rauchfang.

      Unterdessen rüsteten die Jungen ungeduldig auf dem Rasengrund vor dem Hofe die Bahn zu kriegerischem Spiel. Die Knaben des Dorfes begannen den Kampf, damit auch sie das Lob der Krieger erwarben, sie rannten nach dem Ziel, sprangen über ein Roß und schossen mit dem Rohrpfeil nach der Stange. Bald aber ergriff der Eifer die Jünglinge, sie warfen die Speere, sie schleuderten den schweren Felsstein und sprangen ihm nach, und als Theodulf in mächtigem Schwunge den schwersten Stein geworfen und den weitesten Sprung getan, klafterweit über die anderen hinaus, da erscholl lautes Jauchzen bis zur Halle. Und die Alten und Weisen des Volkes behielt es nicht länger auf ihren Sitzen, auch sie eilten zur Schau auf den Rasen. Groß wurde der Ring der Zuschauer, die Weiber des Dorfes standen in ihrem Festschmuck, gesondert die Männer, und im Umkreis klang immer lauter der Zuruf und das Lob der Sieger.

      Unter den Schauenden stand Ingo und achtete schweigend auf die behende Kraft. Da trat zu ihm Isanbart, ein alter Häuptling des Gaues, betrachtete ihn prüfend und begann feierlich, so daß die Rede der anderen verstummte: »Auch in deinem Volke, Fremdling, woher du auch stammst, übt sich wohl der junge Krieger in Sprung und Waffen. An deinem Auge und Arm sehe ich, daß du des Spiels nicht ganz unkundig bist; vielleicht gefällt dir‘s, unseren jungen Männern zu zeigen, was in deiner Heimat Brauch ist, wenn du auch nicht die Kunst eines Häuptlings verstehst. Bist du aus dem Ostlande, wie ich vernehme, so vermagst du wenigstens die Holzkeule zu schwingen, auch dieser Wurf erweist die Kraft des Mannes, obgleich meine Landgenossen ihn wenig üben. In der Halle sah ich über dem Sitz des Wirtes ein solches Holz.«

      Ingo antwortete dem ehrbaren Greise: »Wenn mir‘s der Fürst gestattet und die Häupter des Volkes, so will ich versuchen, was ich ehedem gelernt.«

      Der Fürst winkte, einer aus dem Gefolge sprang nach dem Hofe und trug eine Waffe aus Eichenholz herzu, vom Griffe nach rückwärts gekrümmt, vorn mit scharfer Schneide. Die Keule ging von Hand zu Hand, lachend wogen die Männer das leichte Werkzeug. »Eine Waffe dieser ähnlich trägt unser Sauhirt, um Wölfe zu schlagen«, rief Theodulf verächtlich, aber Isanbart der Greis entgegnete strafend: »Du sprichst töricht, ich sah von solchem Holz, nicht so schwer als dies, einen Schädel brechen wie einen Tonkrug.« Und er legte die Keule dem Wirt in die Hand.

      »Wer jemals in den Ostmarken über eine Walstatt geritten ist,« sprach der Fürst, »der kennt die Wunden, welche dieser Knorren schlägt. Doch von alten Kriegern habe ich gehört, daß ein Geheimnis in dem Holze liegt und daß man schwer des Wurfes mächtig wird, denn tückisch soll es dem Unvorsichtigen das eigene Haupt treffen. Nicht unwert ist dieses Holz der Hand eines Edlen, denn es war vorzeiten eines Königs Waffe, und mein Vater brachte sie aus der Fremde heim.«

      »Dann soll sie ihre Kunst dem Sohn erweisen«, rief Ingo freudig und faßte danach. Mit kurzem Armschwung warf er die Keule, sie flog in krausem Bogen durch die Luft, doch als alle meinten, daß sie zu Boden schlagen würde, fuhr sie wie durch eine Schnur gezogen wieder nach dem Manne zurück; er packte sie in der Luft am Griff und warf sie wieder hierhin und dahin, immer schneller, und immer kehrte sie gehorsam vom Schwunge in seine Hand. So mühelos und lustig schien das Spiel mit dem Eichenkloben, daß die Zuschauer näher traten und lautes Gelächter durch den Kreis ging.

      »Das ist ein Gaukelspiel des fahrenden Mannes«, rief Theodulf verachtend.

      »Es ist eines Mannes Handwehr,« versetzte der Fremde entgegen, »schwerlich ist dein Schädel fester als diese Eisenkappe.« Er sprach zu Wolf, und dieser legte in Weite eines Speerwurfs einen alten Eisenhelm auf einen Pfahl. Der Fremde maß das Ziel, wog die Waffe in schwingender Hand, warf sie im Bogen nach dem Helm und sprang in gewaltigem Satze nach. Laut krachte das berstende Metall, und doch fuhr die Keule wieder zurück, und wieder packte sie Ingo mit starker Hand und hielt sie hoch. Ein Ruf des Erstaunens scholl in dem Ringe, ein Haufe sammelte sich neugierig um den zerschlagenen Helm.

      »Wohlan,« begann Theodulf herablassend, »hast du uns deine Gewohnheit gezeigt, so versuch‘ es auch mit unserem Brauch. Führt den Springern die Rosse heran.«

      Zuerst wurden zwei Rosse nebeneinander gestellt, Kopf an Kopf und Schweif an Schweif. Die Springer traten zurück und schwangen sich mit kurzem Anlauf hinüber; fast allen glückte der Sprung, aber bei drei Rossen gelang es nur einer kleinen Zahl, und über vier sprang Theodulf allein, und als er hinter den Rossen zum Haufen der anderen zurücktrat, sah er herausfordernd den Fremden an und winkte mit der Hand zur Folge. Der Fremde neigte das Haupt ein wenig und tat denselben Sprung so sicher, daß das Feld vom Beifall widerhallte. Da rief Theodulf das fünfte Roß heran zum schweren Sprung, nur selten vollbrachte ihn einer der Behendsten. Aber der Thüring war gereizt und entschlossen, das Äußerste zu tun. Er selbst ordnete die Pferde anders, daß der Schimmel als fünfter stand, dann sah er um sich, empfing den Zuruf seiner Freunde und wagte den mächtigen Sprung. Und er kam hinüber, nur daß er beim Niedertauchen mit seinem Rücken den Schimmel streifte. Aber während er vortrat und sich über das Jauchzen des Volkes freute, tönte noch lauterer Zuruf hinter ihm und umgewandt sah er den Fremden, der diesmal schnell und mühelos in seinem Rücken den Sprung vollbrachte. Der Thüring erblich vor Zorn, er ging schweigend an seinen Platz und mühte sich vergebens, den Neid herabzudrücken, der ihm aus den Augen brach. Die Alten aber traten zu dem Fremden und rühmten seine Kunst, und der alte Häuptling begann: »Ich erkenne, Fremder, wenn mich nicht deine Gebärde täuscht, du bist nicht unkundig des Schwunges auch über sechs Rosse, den sie Königssprung nennen, und der nicht in jedem Menschenalter einem Helden gelingt. Ich sah ihn einmal, da ich jung war, mein Volk niemals.« Und er rief laut: »Führt das sechste Roß heran!« Da erhob sich im Kreise Gemurmel und die Entfernten drängten näher herzu, während die Jünglinge eilten, das Roß zu stellen. Neben Ingo aber trat die Fürstin, sie war bekümmert um die Niederlage ihres Verwandten und sprach leise zu dem Gaste: »Erwäge, Held, leicht trifft der Pfeil des Jägers den Auerhahn, wenn er die Flügel breitend seine Stimme erhebt.« Aber Ingo sah auf Irmgard, welche in froher Erwartung hinter der Mutter stand und ihn freundlich anlachte, und er antwortete mit heißen Wangen: »Zürne mir nicht, Herrin, ich bin gefordert, nicht habe ich mich in den Kampf gedrängt; ungern entsagt der Mann der angebotenen Ehre.« Er trat rückwärts zum Sprunge, hob sich gewaltig in die Luft und vollbrachte den Schwung, daß alles Volk jauchzte, und da er zurückkehrte, achtete er nicht auf die unwillige Miene der Fürstin, er freute sich, daß ihm die


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