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Die Ahnen. Gustav FreytagЧитать онлайн книгу.

Die Ahnen - Gustav Freytag


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du Übles gegen mich in das Ohr raunst.«

      Das Gesicht Tutilos flammte in Zornesröte, als er sich erhob. »Du aber, Abt Bernheri, gedenke nicht, das Wichtigste den Brüdern zu verbergen und im Rücken des Klosters die Wahl zu treffen über den König, dem wir in Zukunft dienen sollen. Kein Wort hat dein Bote berichtet von dem Kampf, der sich um die Krone erhebt, und doch ist dies die nächste Sorge und eine größere als um Hufen und Burgen. Meine nicht, Bernheri, mich zu hintergehen. Wenn du auch Abt bist, du selbst würdest es schwer entgelten, denn mein ist die Sorge, daß das Heiligtum nicht durch dich mit Unehren beladen wird.«

      »Sorgst du so eifrig um den Vorteil der Brüderschaft,« rief Herr Bernheri ebenfalls zornig, »so sorge auch, daß der Reiter, welcher dir die Botschaft des Markgrafen zugetragen hat und der verborgen im Gasthause liegt, spurlos verschwinde, bevor ihn meine Reisige ergreifen. Dich selbst könnte ich Verräter nennen; ein Wink von mir, und du kehrst nur zum Gericht in das Kloster zurück. Aber seit vielen Jahren habe ich die Bosheit deines Wesens ertragen, und auch jetzt gedenke ich, weil ich älter und klüger bin als du, dich zu behandeln wie einen Trunkenen, von dem geschrieben steht, er weiß nicht, was er tut.«

      Tutilo verließ das Zimmer ohne Gruß, der Abt ging heftig auf und ab, endlich ergriff er die Kanne, setzte sie aber mit einem Seufzer wieder hin. »Selbst der Wein schadet zornigem Gemüt, und ich begehre nicht, unwilliger auf ihn zu werden, als ich bereits bin.«

      »Ich aber bringe dir«, begann Reinhard, ein Pergament aus der Kutte ziehend, »den Gruß des Königs und seine Mahnung, daß du die Reisigen des Klosters ohne Verzug sammelst und durch die Wälder von Fulda zu seinem Heere sendest. Damit auch du seine Gnade erkennst, o Herr, sendet er dir, was du lange ersehnt und erbeten hast, die Schenkung des Bannwaldes um St. Peter, der bisher Königsgut war. Du mögest sorgen, mahnt der König, daß die Treue des Klosters sich ebenso bewähre wie des Königs Gnade.«

      Schnell griff Herr Bernheri nach der Urkunde: »Die besten Hirsche zwischen Fulda und Main halte ich in diesem Pergament«, aber bald verdüsterte sich sein Blick. »Du hast gesehen, mein Bruder, wie jener unholde Mann gesinnt ist; nach allen Seiten murrt er den Leuten Arges in die Ohren und hat die Knechte Wigberts ganz vom König abgewandt, nicht weiß ich, ob ich noch Herr bin im Kloster und über meine Schildträger. Dennoch will ich tun, was ich vermag, indem ich den Konvent zusammenrufe. Du aber eile dem Tutilo nach und rühme unterdes im Kloster die Schenkung, damit die Unzufriedenen mein Herrenwort williger anhören.«

      Während der Abt dem Mönch die letzten Befehle gab, erscholl auf den Feldwegen, die zum Kloster hinführten, Jauchzen und Gesang; die Brüder und Mannen auf dem Petersberg drängten zum Tore hinaus und sahen neugierig in das Tal hinab. Hochbeladen in langer Reihe kamen die Heuwagen heran, auf den Wiesenbäumen darüber saßen und ritten die Buben des Dorfes schreiend und die Arme schwenkend. Hinter den Wagen schritten zwei Spielleute mit Sackpfeife und Fidel, sie führten, eine lustige Weise spielend, die Schar der Arbeiter. Denn Männer und Frauen, mit Laub und Wiesenblumen bekränzt, hielten einander an den Händen und sprangen trotz der Arbeit des heißen Tages lustig den Reigen; vom Pfade ab zogen sie die Kette bald seitwärts über die Flur, bald zwischen den Wagen hindurch. Ihnen folgten die Herren des Klosters, voran die beiden Schulen; auch die Schüler sprangen und tanzten durcheinander, manche saßen zu Pferde und trieben die Gäule zu lustigen Sätzen. Sogar die Väter gedachten nicht sehr ihrer Würde, mehr als einem war das Haupt schwer, so daß er von den anderen geleitet werden mußte, und man merkte auch, weshalb er so unsicher schwankte, denn ganz am Ende fuhr ein Wagen mit leeren Fässern, welche zwischen den Brettern kollerten, und mit Trinkgefäßen, deren Henkel an die Leiterbäume gehängt waren. Endlich hob ein Bruder sein lateinisches Trinklied an, und viele stimmten ein und sangen die Schlußverse mit kühnen Bewegungen der Arme, und eilte eine Magd, die sich verspätet hatte, bei dem langen Zuge der Väter vorbei, dann geschah es wohl, daß einer der Begeisterten sie in den Arm kniff oder auch in die Backen. So wälzte sich der Schwarm schreiend und singend dem Kloster zu. Die untergehende Sonne warf ihr goldenes Licht auf heiße Gesichter und glänzende Augen, die Treiber knallten mit ihren Peitschen um die Wette, sogar die Tiere schritten lustiger vorwärts.

      Plötzlich stockte der Zug an dem Kreuzwege, wo ein Pfad von Osten heranlief, die Buben auf den Heuwagen sprangen empor und wiesen in die Ferne, die Wagen hielten an, die vordersten Knechte schrien nach rückwärts, Spiel und Gesang endete in einem Mißton. Denn von dem Seitenweg her tönte wilder Klageruf widerwärtig in die Festfreude. Langsam bewegte sich eine andere Abteilung der Klosterleute vom Holze her dem Flußtale zu, mit gesenkten Häuptern und Wehgeschrei trugen sie einen undeutlichen Gegenstand heran. Die Leute im Zuge verstanden wohl, was der Ruf bedeutete, dort war einer erschlagen, und die Rüstigen liefen über das Feld dem trauernden Haufen entgegen. Zu einem wirren Knäuel vereinigten sich die beiden Haufen. Die Knechte peitschten ängstlich ihre Gespanne zu schnellerem Schritt, um sie in den Klosterhöfen zu bergen, die anderen umstanden entsetzt eine Bahre, auf der ein todwunder Mann lag. Schnelle Fragen und Antworten folgten einander, Heugabeln und Messer wurden geschwenkt, und an Stelle des lateinischen Schelmenliedes klang wilder Racheruf über das weite Tal. Tutilo spornte sein Roß zu schnellen Sätzen. Als der gefürchtete Mönch in das Gedränge stob, fuhren die Leute auseinander, im nächsten Augenblick aber begann wieder Wehgeschrei und Totenklage. Der Mönch sprang ab, beugte sich über den Mann und sah nach der schweren Kopfwunde. Dann gebot er, ihn in das Krankenhaus des Klosters zu tragen, und forderte Bericht über die Missetat. »Wo sind die Gespanne?« fragte er, unruhig um sich blickend, »wo ist Hugbald?«

      »Die Gespanne geraubt, die Knechte geschlagen und fortgeführt, Hugbald gefangen und mit ihm der Scholastikus Immo«, riefen ihm die Leute entgegen, bis auf seinen Wink der alte Bruder Bardo vortrat und stöhnend das ganze Unheil verkündete. Die Waldwiesen, auf denen Bardo die Heumahd zu ordnen hatte, lagen weitab von den übrigen Gründen, welche aus den Höfen des Klosters bewirtschaftet wurden. Sie waren neuerer Erwerb, doch niemand hatte beim Auszuge geahnt, daß dort ein Feind laure. Ungestört hatten die Arbeiter in den Tagen zuvor gemäht und das Heu gewendet, nur von einem Bewaffneten begleitet, wie bei fernen Feldarbeiten auch im Frieden Brauch war. Aus Vorsicht hatte heut Hugbald geboten, daß die Knechte ihre Rosse abspannen und, während die Heuhaufen gesetzt wurden, unter Aufsicht eines Reisigen auf freier Höhe, von der weite Umschau war, zusammenhalten sollten, bis er selbst das Einbringen gebiete. Als er endlich gekommen war, begleitet von dem Schüler Immo, hatten die Knechte ihre Gespanne zu den Wagen zurückgeführt. »Schon vorher war uns unheimlich geworden,« kündete Bardo, »denn wir hatten in der Ferne hinter den Büschen einzelne Bewaffnete erkannt, welche hin und her ritten. Gerade als sich der Zug der beladenen Wagen in Bewegung setzte, brach ein Schwarm Reiter aus dem Holz und ritt über die Felder auf die Gespanne zu. Unsere Reisigen hoben die Wurfspeere und warfen sich ihnen entgegen, auch die Knechte ergriffen die Heugabeln und sprangen gegen die fremden Reiter, aber klein war die Zahl der Unseren, im Nu waren sie umringt. Der Mann, welcher auf der Bahre liegt, fiel sogleich vom Rosse in sein Blut, nur Hugbald schoß den Wurfspeer und schlug mit dem Schwerte, drei waren gegen ihn, doch der Jüngling Immo fuhr wie ein Wirbelwind zwischen sie, ich sah zwei vom Pferde stürzen und die ledigen Tiere laufen. Ganz tapfer hielt sich unser Scholastikus, und er hatte den Hugbald frei gemacht, aber dieser rief: »Wie mag ich zurückkehren ohne die Wagen« und warf sich aufs neue einem andringenden Haufen entgegen, bis er entwaffnet und mit Weiden gebunden war, und gleich ihm der Jüngling Immo; darauf wurden auch die Knechte übel geschlagen und gefesselt. Mit großem Gefolge stob Graf Gerhard, den wir alle kennen, heran und rief mit zornrotem Gesicht: »Verderben über euch, ihr Wigbertleute, mein ist das Heu, mein die ganze Markung. Nichtig ist die Schenkung, deren ihr euch von meinem Vater her mit Unrecht rühmt; die Gespanne und eure Dienstleute treibe ich fort, eine geringe Entschädigung sind sie für den Verlust, den ich durch viele Jahre von euch erlitten. Läßt sich noch einer von euch Geschorenen auf dieser Flur blicken, so sollen ihm meine Gewappneten die Haut über die Ohren ziehen. Ihr Mönche aber wandelt stracks zurück, nur die heulenden Mägde lasse ich euch. Und saget eurem Abt: will er seine Dienstleute lebend wiedersehen, so soll er sich eilen, das Lösegeld zu senden, denn ich gedenke sie nicht lange im Kerker zu füttern. Hinweg mit euch, denn euer Anblick ist mir verhaßt.« So ritt er mit einem Fluche aufwärts dem Buchenwald zu, und hinter ihm zogen die Heuwagen und die Gefangenen. Wir aber standen weinend um den gefällten Mann, mühsam trugen wir mit den Weibern seinen Leib auf den Baumästen hierher.«


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