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Leiden und Freuden eines Schulmeisters. Jeremias GotthelfЧитать онлайн книгу.

Leiden und Freuden eines Schulmeisters - Jeremias  Gotthelf


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etwas, an das das arme Weberchen nicht gedacht, das er sich aber mit blutendem Herzen müsse gefallen lassen, weil er halt nichts anders zu machen wüßte und mit solchen Großgrinde nicht prozedieren.

      Wenn diese wüßten, wie manchmal das arme Weberlein in seinem feuchten Keller bei feiner mühseligen Arbeit bei Kreuzer und Pfennig ausrechnet, was er lösen sollte, und wie er eben so oft seinen Gewinn gegen seine Schulden hält oder seine Bedürfnisse, und das Schifflein emsiger fliegt, weil ihm angst wird, es möge es nicht geben; und wie das ein wichtiger Tag. ist, wenn der Vater ein Wubb abmacht und damit auf Burgdorf oder Langenthal zu wandert, und wie auf einen halben Vierer unendlich viel ankommt und wie Weib und Kind bang auf die Heimkunft harren, und was der lange Christen gesagt und gegeben, und wie die ganze Haushaltung entweder seufzt, wohl oder übel schläft, je nachdem der Christen bei guter oder böser Laune gewesen — wenn sie das alles wüßten, sie würden sicher zuweilen einen Schoppen weniger zum Überfluß trinken und einen Vierer mehr zur Notdurft geben, oder sie müßten dann steinern sein durch und durch und um und um. So mußte endlich mein Vater seine Selbständigkeit auf- und sich einem der Herren als Weber zu eigen geben. Nur was man selbsten pflanzte, verwob er auf seine Rechnung und wenn er einmal ein eigenes Wubb wegtragen konnte, so hatte er einen ganz andern Schritt und trug auch den Kopf ganz anders; und wenn er dann dieses Wubb keinem Händler zu geben brauchte, sondern irgend einer Frau in der Stadt anhängen konnte, dann kam er wohl auch mit dem Hütchen auf der Seite und einem kleinen Stecher heim. Einmal hatte er einen großen; da hatten wir Kinder Spaß und Freude. Er hatte einer Frau Tuch verkauft und die hatte ihm, weil eben ihr alter Weber gestorben, zu weben gegeben. Der Vater hatte sich anfangs geweigert, es zu nehmen, weil sein Herr verdammt puckt war und keinen Tag auf die Arbeit warten wollte, und seine Arbeiter beim geringsten Verzug auspudelte, ärger als ein Pascha mit drei Roßschweifen. Endlich nahm er doch eine Partie Garn, weil er mehr Verdienst dabei sah und durch früheres und späteres Arbeiten den andern nicht aufzuhalten hoffte. Als er der Stadtfrau das Tuch brachte und vormessen wollte nach Webersitte, machte die ein gar schlaues Gesicht und sagte: »Ja, Weber, ich bin auch nicht dumm. Wenn dWeber schon schlimme Vögel sind, so können sie mich doch nicht mehr überlüpfe. Ich will darum absolut nicht, daß du mir den Daumen missest zu der Elle und mich so an Ellen verkürzest.« »Ja, Frau, das mache ich Euch, wie Ihr befehlet«, hatte mein Vater gesagt, ohne zu lachen. Beide schieden zufrieden miteinander; die Batzen aber, die der ausgelassene Daumen an vermehrtem Weberlohn ihm eingetragen, hatte mein Vater vertrunken und darum den tüchtigen Säbel heimgebracht.

      Mein Vater bildete sich ein, sein Verdienst solle den Zins machen und der Rest verwandt werden zu Abbezahlung der Schulden; der ganze Hausbrauch und alle Ausgaben sollten vom Ertrag des Gütchens bestritten werden. Er behauptete, andere seien keine Weber, hätten überhaupt keinen Nebenverdienst, aber Schulden wie er und nicht mehr oder besseres Land; — die müßten also auch gelebt und Zins haben. Und woher müßten diese beides nehmen als aus dem Lande? Er rechnete daher alle Jahre mit der Kreide und im Kopf, wie es nun anders gehen müsse, welches Pöstchen er ablösen wolle und wie er dann das andere Jahr ein noch größeres abzahlen werde. Aber er rechnete alle Jahre falsch und mußte froh sein, wenn er schlüpfen konnte ohne neue Schulden. Der gute Weber hatte nur das Einnehmen im Kopf, aber nicht die Ausgaben; — die schneite es ihm unerwartet zu zu unbeliebigem Nachtrag. Es mußte z.B. der Zimmermann ein neues Bschütti-Loch machen, weil das alte einfiel. Das kostete Geld und deswegen gab er der Frau manchen Tag kein gutes Wort. Die Kuh wollte nicht mehr trächtig werden; sie mußte vertauscht, Geld zugeschossen werden. Er sagte: »Frau, jetzt kannst sehen, daß es mit dieser nicht eben so geht, wie mit der alten — sonst geht es dir nicht gut.« Es kamen Krankheiten über die Kinder, die machten Auslagen; Krankheiten in den Flachs, die verminderten die Einnahmen; und die Frau mußte alle Tage ihre Brummelsuppe schlucken. Und wenn dann noch eine Kindbetti dazu kam, dann mußte sie alle Tage hören: sie könne nichts anders als jung ha! und wenn sie, wie es auf dem Lande der Brauch ist, zu Ader lassen wollte, so mußte sie alle ihre Schliche anwenden, um zu den vier oder fünf Batzen zu kommen, welche zu der üblichen Kur nötig sind. Die Weiber bilden sich nämlich ein, wenn man Blut auslasse, so sei oben darauf wenigstens ein Schoppen roter Wein nötig und ein Bitzli Fleisch; und der Doktor, welcher diese Kur am besten zu verordnen weiß, bei dem lassen die Weiber am liebsten zu Ader. So sah man vor einiger Zeit an bestimmten Tagen eine Menge stattlicher Weiber an einem gewissen Orte stattlich einherschreiten, und keine ging ohne ein gefülltes Säcklein heim; und eine Menge minder stattliche Weiber trank wenigstens den genannten Schoppen Roten. Es war nicht Sonntag, nicht Märit; aber es war Aderlaßtag, und der Doktor an selbem Orte verstund das Aderlassen besser als alle. Er verordnete nämlich den Vermöglicheren nicht bloß einen Schoppen, sondern eine förmliche Kur, die mehrere Tage dauern sollte und darin bestand, daß die Weiber während dieser Zeit grünes Fleisch und ein Glas guten Wein brauchen sollten. Das war den Weibern das Rechte, und sogar die Kinder, denen ein gutes Müetti immer einen Teil von dem, was es ißt und trinkt, zukommen läßt, freuten sich auf diese Tage und fragten oft: »Müetti, wotsch nit bald ga Bluet use lah?« Der Doktor, der Schalk, vergaß sich aber auch nicht; zum Aderlaß gab er mit bedeutsamer Miene ein klein Tränklein, welches notwendig mit den andern Sachen zu gebrauchen sei, und so zog er über den gewohnten Aderlaßbatzen noch drei Batzen für unschuldige Kräuter, und verschaffte sich so nicht nur stattliche Weiber zum Aderlassen, sondern auch eine stattliche Einnahme, daß er auch für sich die Kur brauchen und grünes Fleisch essen und guten Wein trinken konnte, so viel er wollte.

      Die Behandlung des Vaters nahm die Mutter so hin, ohne daß es oft Streit gegeben hätte. Sie stichelte zuweilen auch wieder, sagte z. B., es sei komod, am Schatten zu sitzen und zu befehlen, klagte bei einer Nachbarin etwa, ihr Mann sei der unerchantisch wüestisch Hung, den es geben könne, und nie wüster, als wenn sie mit em Ching gehe. Später mußten dann die Kinder hören, was sie gegen den Vater auf dem Herzen halte.

      So war unsere Haushaltung nicht bekannt als eine störrige, zweispaltige, sie war nur was tausend andere auch waren. Diese täglichen Reibungen, dieses freudlose Ringen mit des Lebens Mühen und Nöten hatte die Gemüter versäuret durch und durch, so daß alles im schlimmsten Lichte angesehen, bitter aufgenommen wurde, am bittersten das Glück des Nächsten. Wenn einer ein Erbe gemacht oder einen guten Schick, so ergoß sich die Galle der Eltern auf alle erdenkliche Weise, und der Vater hustete noch einmal so viel als sonst. Unglück mochten sie aber jedem gönnen, und es nahm sie immer Wunder, daß es nicht schon früher eingetroffen oder nicht ärger gekommen sei. Die größte Freude hatte meine Mutter, wenn irgend ein Mädchen schwanger wurde, und Keiner es wollte; dann wußte sie über Mädchen, Eltern und über die jetzige Welt zu schimpfen wie ein Buch. Aus diesem allem kann man schließen, daß Beide nicht besonders viel eigentliche Religion hatten. Sie schimpften zwar oft über die Welt, und wenn sie jemand recht herunter machen wollten, so sagten sie: Er glaube an keinen Gott und an keinen Teufel. Sie ließen uns Kinder beten, und mitten drin sagte die Mutter: dort geht der D... Schelm, der uns unsere Äpfel gestohlen hat! Der Vater ging öfters in die Kirche, weil er im Dorfe etwas zu verrichten hatte und gerne etwas Neues vernahm, besonders im Winter, wenn man Schweine zu verkaufen hatte, zu hören was sie gelten. Die Mutter hingegen ging höchstens alle zwei Jahre einmal zum Nachtmahl. Wir fürchteten es allemal; denn am Morgen ehe sie ging, war sie von einer Hässigi ohne Gleichen; sie turnierte in der Küche herum wie wild, und das Kind, das ihr vor die Füße lief, erhielt Schläge. Wenn sie heim kam, hatte sie gewöhnlich auf den Pfarrer zu schimpfen: der sei auch einer auf die neue Mode, man verstehe sich gar nicht auf ihn. Ehemals hätte man das Abendmahl ausgelegt, wie es einem so wohl mache, und wie man selig werden könne, wenn man es genieße, wie ja darum Christus für alle gestorben sei, wo das glaubten, und wie die Seligkeit so schön sei und im Himmel alles glitzert und es lustig sei dort. Der wisse von dem Allem nichts zu sagen, sondern sage nur immer, man solle das thun, und jenes nicht thun, und eine Frau hatte ihr heute gesagt: der Pfarrer habe letzthin gesagt, er wisse nicht, wie es im Himmel sei. Ob man denn einen solchen Lappi zum Pfarrer machen solle, sie frage! Ehedem wäre er nicht gut gewesen für einen Schulmeister; jetzt mache man selligi Pfarrer. Da wundere es einem nicht, wenn der Unglauben so überhand nehme, wenn der Pfarrer nicht mehr wisse, wie es im Himmel sei. Das werde doch wohl in der Gschrift stehen. Die Mutter und der Vater hatten keinen Begriff davon, daß die Religion etwas sei für alle Tage und für das Haus, daß sie im Grunde nichts anders sein solle, als der Urquell all unseres Denkens, Redens, Handelns,


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