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Der Kunstreiter, 3. Band. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.

Der Kunstreiter, 3. Band - Gerstäcker Friedrich


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Tier neben der Stelle ein – aber Herr von Silberglanz war nicht da.

      Neben der Eiche, auf einer hölzernen Bank, von der er den Schnee hinweg gekehrt, neben ein paar roh behauenen mächtigen Steinblöcken, die der Volksmund als den Opferaltar der hier früher hausenden Heiden bezeichnete, saß der alte Forstwart Barthold und stand ehrerbietig grüßend auf, als er die »Frau Baronin« erkannte.

      »Guten Tag, Forstwart,« sagte die Dame und nickte ihm zu, während ihr Blick ungeduldig den schmalen Pfad hinabflog, auf dem sie den hierher bestellten Herrn von Silberglanz erwarten mußte. »Wie geht's? – was habt Ihr da?«

      »Einen Fuchs, gnädige Frau,« sagte der alte Mann, indem er seinen Ranzen öffnete, aus dem die Lunte des überlisteten Raubtieres heraushing. »Ich habe ihn heute morgen ausgegraben, denn das ist böses, nichtsnutziges Raubzeug, das im Winter wie im Sommer nur in einem fort zusieht, wo es was zu stehlen findet. Wir haben unter den Menschen auch solch Gesindel, nur daß man sie nicht immer gleich am Pelz draußen so gut erkennen kann, wie die da.«

      »Seid Ihr schon lange hier, Forstwart?«

      »Nein, gnädige Frau – etwa eine Viertelstunde.«

      »Ihr seid nicht vom Dorfe heraufgekommen?«

      »Nein – gerade von der andern Seite aus dem Walde. Nur als ich die Glocke unten hörte, die dem alten Tobias das Geleite zur letzten Ruhestätte gibt, da setzte ich mich hier auf die Bank und horchte den Tönen. Es klingt ja so heilig und erhebend, wenn man die Glocken kann im Walde anschlagen hören, noch dazu von einem solchen Platze aus, wie dieser, wo sie in früheren Jahrhunderten ihren Götzen Opfer schlachteten und von dem lieben Herrgott da oben nichts wissen wollten. Sonntagmorgens bin ich fast immer hier, besonders im Sommer, und mit dem Geläute unten, dem Singen der Vögel und dem Rauschen des Waldes müßte das ein verstockter Mensch sein, der da nicht von Herzen beten könnte.«

      Georgine hörte kaum, daß er sprach. Ihr Blick schweifte unruhig über ihn hin und an den Stämmen der Bäume vorüber. Wenn er sein Wort nicht hielte! dachte sie mehr, als daß sie es durch die halb geöffneten Lippen murmelte, und fast unwillkürlich ballte sich die Rechte zornig um die gehaltenen Zügel. Das Pferd scharrte indessen ungeduldig den Schnee und blies den Dampf aus seinen feinen Nüstern in die klare Luft hinein.

      »Aber, Mama,« sagte Josefine, »du hältst so lange still. Wird es deinem Fingal nicht schaden?«

      Der alte Forstwart, der seinen Blick schon lange ernst und aufmerksam auf der Kleinen hatte haften lassen, lächelte, als er die Worte hörte.

      »Sieh, wie besorgt das kleine gnädige Fräulein schon um das arme Tier ist! Das ist recht; das zeigt ein gutes Herz, und was wir an dem geringsten seiner Geschöpfe tun, wird uns der Herr da oben auch wieder zugute halten.«

      »Fahren wir jetzt wieder nach Hause zurück, Mama?« fragte die Kleine, als Georgine den Schlitten langsam um die Eiche lenkte, das in der Tat warm gewordene Tier etwas in Bewegung zu halten.

      »Nein,« sagte die Frau, »wir besuchen vielleicht einmal den Storchhof oder Kleinmarkstetten.«

      »So weit?«

      Der Schlitten hielt wieder neben dem Forstwart – Georgine zerbrach sich den Kopf, wie sie den lästigen Menschen entfernen könnte.

      »Tätet Ihr mir einen Gefallen, Forstwart?«

      »Mit dem größten Vergnügen, gnädige Frau.«

      »Ginget Ihr wohl einmal jetzt – oder schicktet gleich, wenn Ihr nicht selber gehen könnt, irgend einen der Holzmacher auf das Gut hinüber, dort zu bestellen, daß ich möglicherweise mit meiner Tochter nach Kleinmarkstetten hinüber gefahren wäre und in dem Falle die Nacht nicht nach Hause käme, denn die Tour wäre für mein Pferd hin und zurück zu groß. Sie möchten sich also nicht ängstigen.«

      »Sehr wohl, gnädige Frau – soll pünktlich besorgt werden,« sagte der Forstwart, ohne sich jedoch von der Stelle zu rühren.

      »Nun? – ist noch etwas?«

      »Hm – gnädige Frau – Sie lachen mich vielleicht aus, und – ich bin auch wohl ein alter Tor – aber – ich hätte auch eine Bitte an Sie – oder vielmehr an das kleine gnädige Fräulein.«

      »An mich?« sagte Josefine erstaunt.

      »Ja,« sagte der alte Mann, und sein gutmütiges, faltiges Gesicht rötete sich leicht, »es ist nicht viel,« setzte er aber rasch hinzu, »nur bitten möchte ich Sie, mir ein einzig kleines Mal – die Hand zu geben.«

      »Gern!« rief das fröhliche Mädchen, indem sie ihre Hand aus dem Muff zog und dem Alten reichte.

      Der alte Forstwart nahm sie, sah dabei dem Kinde recht treuherzig in die Augen, und das kleine Händchen dann an die Lippen drückend, sagte er freundlich: »Dank, mein kleines gnädiges Fräulein, Dank, tausend Dank, aber Sie glauben gar nicht, gnädige Frau, wie wohl der Anblick dieses jugendfrischen Gesichtchens mit den großen hellen Augen meinem alten Herzen tut. Es erinnert mich an die Zeit, wo die beiden jungen Herren Grafen hier bei uns wohnten, und aus den Augen da ist es mir immer, als ob der jüngste der beiden, das liebe, herzige Kind, herausschauen wollte. Ich habe den kleinen Burschen damals zu lieb gewonnen, ihn je wieder vergessen zu können.«

      »Welcher beider junger Grafen?« sagte Georgine, die damit das Gespräch abzubrechen wünschte.

      »Der jungen Grafen Geyerstein.«

      »Der beiden jungen Grafen? hat Geyerstein noch einen Bruder?« fragte Georgine in dem Interesse, das sie plötzlich an der Sache nahm.

      »Allerdings,« erwiderte der alte Mann, »einen jüngeren Bruder, und die beiden jungen gnädigen Herren waren als Kinder hier. Der jüngste von ihnen aber…«

      »Wie hieß der?«

      »Georg.«

      »Georg?«

      »Ja, gnädige Frau – der jüngste von ihnen kam aber nie wieder zurück – er soll draußen in der Fremde gestorben sein,« setzte er mit einem schmerzlichen Seufzer hinzu, »und das Kind da, wie es mich so lieb und mitleidig ansieht, gemahnt mich immer, als ob ich den jungen lieben gnädigen Herrn wieder vor mir sähe. Es ist freilich eine lange Zeit her, und ich bin alt – recht alt seither geworden. – Aber ich schwatze hier und schwatze, wo ich den Befehl Ew. Gnaden ausführen sollte. Gott schütze das liebe, kleine Haupt und streue ihm nur Blumen auf den Weg, gebe ihm Gesundheit, ein langes Leben und ein glückliches Alter mit seinem besten Segen!« Und eine tiefe Verbeugung machend, trat der alte Mann von dem Schlitten zurück, nahm dann seinen Ranzen wieder auf, sowie sein Gewehr und schritt langsam der Richtung nach dem Gute zu.

      »Sein Bruder!« flüsterte Georgine leise und erschreckt vor sich hin, »sein Bruder – und das mir ein Geheimnis, mir, der Gattin – hätte ich das ahnen können – und wenn ich nun – zu spät!« stöhnte sie dann, ihr umherschweifender Blick fiel in dem Moment auf die Gestalt des Herrn von Silberglanz, der, unter seiner Pelzlast keuchend, im Schnee herangewatet kam. Er schaute aber nicht nach ihr hin, sondern den Weg zurück, und als sie den Kopf dahin wandte, bemerkte sie noch den alten Forstwart, der den Fremden gesehen hatte und jedenfalls abwarten wollte, was er hier suche, solange die gnädige Frau noch da hielt.

      »Meine beste gnädige Frau!« rief das zierliche, im Schnee watende Männchen endlich, als er näher kam, »ich muß unendlich bedauern, wenn Sie auch nur eine Sekunde auf mich gewartet haben, aber der Schnee war« – sein Blick fiel auf Josefine, und er blieb mitten in seiner Rede stecken – »Ihre – Ihre Fräulein Tochter?«

      »Nun?« sagte Georgine kalt.

      »Diese – diese Ueberraschung…«

      »Wünschen Sie noch uns zu begleiten?«

      »Aber, gnädige Frau, welche Frage!« rief Herr von Silberglanz erschreckt.

      »Sie werden dann hintenaufstehen müssen.«

      »Erlauben Sie mir nur, daß ich meine Pelzstiefel geschwind anziehe. Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, das war ein Schnee hier herauf, daß ich beinahe stecken geblieben wäre.«

      »Im Pfad?«

      »Ich


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