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Eine Mutter. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.

Eine Mutter - Gerstäcker Friedrich


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haben.«

      »Ist seine Frau eine Deutsche?«

      »Ja, mein Herz, da fragst Du mich zu viel; ihrem Ansehen nach jedenfalls, denn wenn ich nicht irre, hat sie blonde Haare. Aber wir werden ja sehen. Behagt uns der Umgang nicht oder stellt sich etwas dagegen heraus, so giebt es Mittel und Wege genug, ihn in der freundlichsten Weise wieder abzubrechen oder wenigstens zu erschweren, und sind unsere Befürchtungen unbegründet, so haben wir vielleicht einen sehr angenehmen Zuwachs unserer, doch eben nicht sehr zahlreichen Gesellschaft erhalten.«

      Sie hatten in diesem Augenblick die Stelle erreicht, an welcher der Maulwurfsfänger sein frugales Mittagsbrod verzehrte.

      »Guten Tag, Herr Graf! Guten Tag, Frau Gräfin!« sagte der Bursche, ohne sich übrigens in seiner Beschäftigung stören zu lassen oder dieses Mal auch nur eine weitere Ehrfurchtsbezeigung für nöthig zu halten, als ein etwas Höherschieben der alten Mütze mit dem Rücken der Hand, in der er das Messer hielt.

      »Guten Tag, mein Mann!« sagte der alte Herr, während die Gräfin ihn durch die Lorgnette betrachtete, und war schon halb vorüber, als er noch einmal stehen blieb und, den Kopf zurückwendend, fortfuhr: »Hör' einmal, Freund, der Förster beklagt sich fortwährend über Dich und liegt mir stets in den Ohren, ich solle Dir das Betreten meiner Grundstücke verbieten.«

      »Nachher soll ich die Maulwürfe wohl von der Grenze aus mit Sympathie vertreiben?« lachte der Bursche still vor sich hin und schob wieder ein Stück Brod und Wurst in den Mund.

      »Von den Maulwürfen ist hier keine Rede,« erwiderte der alte Herr, weniger vielleicht durch die Antwort, als durch das heute so unehrerbietige Benehmen des alten Burschen gereizt; »wie mir der Förster sagt, fängst Du aber auch noch andere Dinge, als Maulwürfe, und meine Leute haben jetzt strengen Befehl, Dir auf den Dienst zu passen. Erwischen sie Dich dabei, oder beträgst Du Dich auch nur ein einziges Mal selbst verdächtig, so nimm Dich in Acht!«

      »Werde so frei sein,« brummte der Mann vor sich hin.

      »Auch verbiete ich Dir von jetzt an, Dich nach Sonnenuntergang hier herumzutreiben; Du kannst Deine Maulwürfe bei Tage fangen, und nun Gott befohlen!« setzte er rasch hinzu, als ob er fürchte, noch eine Antwort zu erhalten. Er hatte sich mit dem Menschen schon zu lange aufgehalten.

      Damit wanderte er mit der Gräfin wieder langsam den Kiesweg entlang, der dem Schlosse zuführte, und der Maulwurfsfänger, den Kopf ihnen nachgedreht, sah noch eine ganze Weile hinter ihnen drein. Endlich wandte er sich gegen seinen Hund und sagte: »Hast Du's gehört, Spitz, was der gnädige Herr Graf befohlen?«

      Der Spitz trippelte ein paar Mal mit den Vorderfüßen, hob dann die Nase in die Höhe und nieste kurz.

      »So? Na, das ist mir lieb,« erwiderte sein Herr, »nun thu mir auch den Gefallen und richte Dich danach. Weißt Du, was es setzt, wenn sie Dich wieder einmal nach Sonnenuntergang hier erwischen, heh, weißt Du's?«

      Der Spitz trippelte stärker und nieste noch einmal.

      »Na, dann brauchen wir über die Sache kein Wort mehr zu verlieren,« nickte der Alte und lachte still vergnügt vor sich hin, fuhr aber dabei in seinem Selbstgespräch, ohne sein Kauen jedoch zu unterbrechen, fort: »Merkwürdig doch, wie die Kinder oft mit einem geladenen Schießgewehr spielen, und wie leicht kann's losgehen und bläst ihnen dann die ganze Ladung mitten in's Gesicht hinein! Und die Frau Gräfin, wie sie den Staub hinter sich vom Kieswege auffegt; eigentlich sollte der Gärtner seinen Arbeitsweibern auch so ein Ding, so eine Crinoline und Schleppe hinten dran kaufen, dann könnte er das Rechen sparen das ganze Jahr, und schickte die nur jeden Morgen spazieren durch den Park. Frauenvolk, Frauenvolk,« rief er kopfschüttelnd, indem er seinem Spitz ein Stück Wurst zuwarf, das dieser geschickt fing und schwanzwedelnd verzehrte, »'s ist nicht zu glauben; und wie sie mich mit der Lorgnette betrachtete, – muß doch ein verdammt schwaches Gedächtniß haben, denn nahe genug hat sie mich doch schon gesehen – und nicht einmal mit der Brille; 's ist merkwürdig, und der Hochmuthsteufel scheint ihr alle anderen Dinge rein aus dem Kopf gejagt zu haben, denn mir steht sie noch vor Augen, als ob es erst gestern gewesen wäre.«

      Der Spitz knurrte und drehte den Kopf nach rechts.

      »Hallo,« fuhr der Maulwurfsfänger fort, indem er rasch dorthin sah, »wer kommt da? Besuch? Na, nicht zu uns Beiden, Spitz; so vornehm treiben wir's nicht mehr.«

      Es waren ein Herr und eine Dame, hinter denen etwa fünfzig Schritte weiter zurück ein Diener in Livrée folgte.

      »Ich dachte es, Helene,« sagte Graf Rottack, als er mit ihr auf dem Weg herankam, »daß wir ein wenig zu früh eingetroffen wären; aber die Herrschaften sind jetzt nach dem Hause zurückgekehrt, um uns zu erwarten, und siehst Du, da drüben liegt es schon. Nur jetzt Herz gefaßt,« setzte er leise hinzu, »nur jetzt keine Schwäche gezeigt, denn es ist das erste und deshalb auch für Dich das peinlichste Begegnen; aber da zeige auch, daß Du die Seelenstärke besitzest, die Du mir ja schon so oft bewiesen.«

      »Hab' keine Furcht, Felix,« erwiderte Helene, »ich werde Dein Vertrauen rechtfertigen. Ich bin stark, und wenn ich auch das Gefühl nicht abschütteln kann, daß mir im Innern genau so ist, als ob es mir die Brust zusammenschnüren wolle, äußerlich soll man mir nichts anmerken, ich stehe Dir dafür. Nur vor der allerersten Begrüßung scheu' ich mich; aber auch das geht ja rasch vorüber, und ich fürchte fast, die Frau Gräfin wird mir das sehr erleichtern.«

      Sie waren während dieses Gesprächs dicht an den Maulwurfsfänger hinangekommen, der aber keinen Blick mehr auf sie warf und ruhig sein Mahl beendete. Erst als sie dicht vor ihm standen und Felix ihn anredete, sah er auf, und sein Blick haftete fest und wie erstaunt auf dem lieben Antlitz der jungen Frau.

      »Lieber Freund,« redete ihn indessen Felix an, »können Sie mir nicht sagen, ob diese Fußspuren, die von einem Herrn und einer Dame herrühren und ganz frisch sind, dem Grafen und der Gräfin Monford gehören? Es wurde uns gesagt, sie gingen im Park spazieren.«

      »Dort hinten können Sie noch in den Büschen das lichte Kleid der Gräfin erkennen,« sagte der Mann, der aber in diesem Augenblick ganz sein früheres mürrisches Wesen abgelegt zu haben schien. Wie seiner selber unbewußt, zog er dabei die Mütze vom Kopf und starrte den ihren Weg mit einem freundlichen »Danke!« Verfolgenden nach, als ob er eine Erscheinung gesehen hätte.

      »Wunderbar,« murmelte er dabei leise vor sich hin, »hol' mich der Teufel, wunderbar; und gerade in diesem Augenblick, genau so, als ob es ein Geist gewesen wäre – und gerade an der Stelle!«

      Der dem jungen Paar folgende Diener kam gerade vorbei und nickte dem unter dem Baum Sitzenden grüßend zu. Er war schon vorüber, ehe ihn der Alte anrief:

      »Ach, lieber Herr, können Sie mir nicht sagen, wer die junge, schöne Dame da vorn war?«

      »Meine Herrschaft, die Frau Gräfin Helene mit dem Herrn Grafen Rottack,« sagte der Mann und ging weiter; und der Alte blieb kopfschüttelnd in seiner Stellung und schnitt sogar ganz in Gedanken dem Hund die Überreste seines Mahles entzwei, das ihm dieser, ohne daß er es bemerkte, aus den Fingern herausnahm.

      Rechts vom Schlosse und kaum hundert Schritt davon entfernt erhob sich ein kleiner Hügel, auf dem in früheren Jahrhunderten ein alter, wie die Sage ging, noch von den Römern gebauter Wartthurm stand. Der Platz war jetzt mit zur Anlage gezogen, der alte Thurm aber mit seinen unverwüstlichen Quadern im Eingange mit nicht geringer Schwierigkeit erweitert und zu einer Aussicht über das darunter hinlaufende Thal benutzt worden.

      Es gab auch kaum einen Punkt in der ganzen Nachbarschaft, von dem man einen freundlicheren Blick über das drunten ausgebreitete Haßburg mit seinen Gärten und Anlagen und die dahinter weitgedehnten und meist bepflanzten und bebauten Hänge gehabt hätte.

      Um den alten viereckigen Thurm herum lief eine kleine, niedere und mit Epheu dicht bewachsene Ringmauer, und selbst von hier aus waren Einschnitte durch die aus dem Bergabhang stehenden Bäume gemacht und die Zweige derselben künstlich so verschnitten worden, daß man wie durch einzelne Medaillons einen Blick hinaus in's Freie gewann. Immer aber blieb die Ringmauer zu hoch von Bäumen umgeben, um von hier unten aus eine freie Aussicht zu gewähren, und der Platz, so reizend er an sich sein mochte, wurde deshalb auch nur wenig benutzt.


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