Inselwelt. Erster Band. Indische Skizzen. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.
stand und ungeduldig nach ihm ausgeschaut zu haben schien, schon von Weitem entgegen; „was habt ihr im Busch zu thun, wenn ihr auf Bootswacht seid? – Wo ist Jonas?“
„Ich wollte nur –“
„Ach, da kommt er; herein mit euch, – Wetter noch einmal, das faule Leben hier an Land scheint euch zu behagen; wartet, ich will euch Beine machen, wenn ich euch wieder draußen in See habe, daß die Glieder gelenk werden. Auf euere Sitze da vorn – sind wir flott?“
„Alles in Ordnung, Sir –“
„Stoßt ab denn, und legt euch in die Riemen15, meine Jungen. Ist schon Holz heut von Land an Bord geschafft?“
„Nein, Sir!“ sagte Jonas, der gleich hinten im Boot vor dem Capitain saß, während die rasch eingesetzten Riemen das scharfgebaute Boot pfeilschnell durch den glatten Wasserspiegel trieben; „haben nichts gesehen.“
„Schon gut – macht nichts!“ lautete die kurze Antwort, und wenige Minuten später lief das Boot unter die niederhängende Fallreepstreppe. Der Capitain sprang an Bord und die Leute wollten damit unter ihre Krahnen gehn, es wie gewöhnlich aufzuheben, die Ordre aber lautete: es im Wasser zu lassen, da es wahrscheinlich gleich wieder gebraucht würde.
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Einer der Ungeduldigsten an Bord war der erste Harpunier, ein junger, kräftiger Irländer aus Galvay-Bai und dort erst kurz vor seiner Abreise verheirathet. Ihm brannte natürlich der Boden unter den Füßen, und er wollte das Schiff wieder in See haben, Beute zu machen und nach Hause zurückzukehren. Was half ihm das müßige Leben hier an Land.
Mit diesem hatte der Capitain, als er an Bord zurückkehrte, eine längere Unterredung, die den Wünschen des jungen Iren auch vollständig entsprochen haben mußte, denn er kam bald nachher mit fröhlichem Gesicht gleich hinter dem Capitain an Deck und beorderte seine Bootsmannschaft, sich fertig zu halten, kurz vor Sonnenuntergang an Land zu rudern, etwas dort abzuholen. Die vier Matrosen mit dem Bootsteurer, die er befehligte, waren ebenfalls seine Landsleute, und die Schiffsmannschaft hatte deshalb das Boot auch das Irische getauft.
An Bord der „Lucy Walker“ herrschte indessen rege Geschäftigkeit; ein paar zum Ausbessern niedergeholte Segel wurden wieder angeschlagen, Taue gespließt, Pardunen angespannt, das Deck klar gemacht und überhaupt Manches vorgenommen, das auf einen baldigen Aufbruch schließen ließ. Als zwei der Leute deshalb, Legs und Pfeife, dem Capitain selber, der mit raschen Schritten auf seinem Quarterdeck auf- und abging, um kurzen Urlaub an Land baten, der ihnen, in einzelnen Abtheilungen natürlich, fast noch gar nicht verweigert worden war, schlug es ihnen dieser rund ab und schickte sie wieder nach vorn an ihre Arbeit.
„Siehst du,“ flüsterte da der Schotte seinem Kameraden Jonas, mit dem er oben in den Marsen etwas nachzusehen hatte, zu, „siehst du, mein Junge, daß ich eine gute Nase habe? Es ist die höchste Zeit für uns, unser kleines Geschäft in Ordnung zu bringen, denn ich möchte jetzt kein Maul voll Tabak gegen eine monatliche Löhnung wetten, daß wir nicht morgen Früh mit Tagesanbruch Anker auf und Segel gesetzt hätten. Der Alte dahinten zeigt wenigstens den besten Willen, aber wir Beide, denk' ich, sollen ihm noch einen Strich durch die Rechnung machen. Das wär' ein schöner Spaß, so auf einmal, ohne nur Abschied von unsern Freunden und Mädchen am Land zu nehmen, wieder auf und davon und draußen herumrackern; nai my bonny child, hier sind auch noch Leute, die ihre Stimme dabei abzugeben wünschen, wenn sie auch nur eben den hundertzwanzigsten Theil bekommen von dem Fang und das Ganze mit ihrem Schweiß und Mark bezahlen sollen.“
„Am Ende will er gar noch heut Abend fort,“ sagte Jonas leise; „nachher wären wir aber die Angeführten.“
„Nein, das nicht,“ beruhigte ihn der Schotte; „ich habe gehört, daß er sich das Irische Boot bestellt hat, gegen Sonnenuntergang mit an Land zu fahren, und dann kommt er immer vor vier Glasen16 nicht wieder zurück; aber auf morgen Früh hat er's abgesehen. Er frug uns ja auch, als wir von Land zurückkamen, ob sie Holz an Bord gebracht hätten. Bah, so viel für deine Berechnungen,“ – und er schnalzte höchst selbstzufrieden mit den Fingern.
Jonas hatte indessen seine Arbeit oben beendet und mußte hinunter, wohin ihm der Schotte bald nachher folgte; als sich aber die Sonne mehr und mehr dem Horizonte näherte, wurde auch das Boot des ersten Harpuniers, der vorher einen seiner Mannschaft nach oben zum Ausschauen geschickt hatte, niedergelassen, und Legs, der in den Besahnwanten etwas auszubessern hatte, sah mit Erstaunen, daß unter einer Matte, auf dem Boden des Bootes, als sie durch die Einsteigenden zurückgeschoben wurde, Waffen versteckt waren. Er hatte – beschwören hätt' er's wollen, – ein paar Gewehrläufe darunter vorblitzen sehen? was zum Teufel war da wieder im Wind?
Der Koch, die Abendmahlzeit noch vor Dunkelwerden am Deck beenden zu können, und nicht gezwungen zu sein, in das dumpfige Logis hinabzusteigen, war indeß in der Cambüse emsig beschäftigt gewesen Thee zu kochen und Bananen und Brotfrucht zu braten, die mit dem kalten Fleisch von Mittag her keine üble Schiffskost abgaben. Nachdem er vorher bei dem jetzt commandirenden zweiten Harpunier die Erlaubniß eingeholt, rief sein gellender, wohlbekannter Ruf bald darauf die Leute sämmtlich nach vorn unter die Back, wo auf der Steuerbordseite des Schiffes die riesige kupferne Theekanne qualmte und der sonst in breiter hölzerner Mulde präsentirte harte Schiffszwieback jetzt fast vollkommen durch die nahrhafte, in Scheiben geschnittene und geröstete Brotfrucht verdrängt war.
Der Schotte setzte sich auch mit hin auf Deck und schenkte sich seinen Thee in den breiten, niederen Blechbecher, der den Inhalt einer gewöhnlichen Theekanne hätte mit Bequemlichkeit fassen können, vermißte dann aber sein Messer und stieg in den Raum hinunter, wo er es heute Morgen gebraucht und wahrscheinlich vergessen. Jonas indessen saß noch nicht und hatte ein kleines Faß mit seiner Wäsche zu der großen Luke gezogen, nahm die Hemden einzeln heraus, rang sie aus und legte sie auf das um den Vormast gehende Nagelbret.
„Komm her, Jonas,“ rief ihn Legs an, „hat den ganzen Tag nichts gethan und jetzt, nun der Thee an Deck steht, fällt's ihm auf einmal ein, daß er Hemden in der Brüh hat. Die Bananen werden kalt und schmecken nachher schlecht.“
„Sie werden nachher gar nicht schmecken,“ lachte Pfeife mit seiner höchsten Stimme, „denn ich glaube wir werden damit eher fertig, wie er mit seinen Hemden.“
„Glaub's, wenn man sie euch vorstellte,“ brummte Jonas, mit einem halb verschluckten Fluch; „aber der Koch hat noch mehr.“
„Hallo!“ rief Pfeife aufspringend, „da will ich mir gleich noch eine holen!“ und er kam mit seinem Blechteller zur Cambüse, den Versuch wenigstens zu machen.
„Sieh einmal das Wetter, das herauf kommt,“ rief ihm hier der Koch zu, der in der niederen Thür stand und mit dem Arm nach Osten hinüber deutete; „zum Teufel das sieht schwarz aus, und sollte mich gar nicht wundern, wenn da eine tüchtige Mütze Wind drein stäke. Jedenfalls gibts Regen und wir thun besser die Luken zuzulegen; macht, daß ihr mit eurem Essen da vorn fertig werdet.“
Der zweite Harpunier hatte indessen mit dem Fernrohr auf dem Quarterdeck gestanden, und unverwandt nach der niedrig auslaufenden Landspitze geschaut, hinter der das Boot vorher verschwunden war.
Mac Kringo stieg in diesem Augenblick die Luke herauf und als der Koch auch gerade zusprang, nahmen sie die beiden genau passenden und schließenden Lukendeckel, an den in den gegenüberliegenden Ecken angebrachten eisernen Ringen und hoben sie in die Falze.
„Koch!“ rief des Harpuniers Stimme in diesem Augenblicke von dem Quarterdeck aus.
„Ay, ay, Sir!“
„Rasch dein Essen wieder fort und in die Cambüse – all hands on deck17 – große und Vormarsraae auf – rasch mit euch, meine Jungen, werft die Falle los! – Nun, was steht ihr da, wie verhagelt? die Marsraaen auf, und schnell, oder ich mache euch Beine!“
„Halloh, was ist nun los?“ rief aber Legs, der eben einen Teller voll glücklich erbeuteter heißer Bananen in Sicherheit bringen wollte und jetzt nicht wußte, wohin damit, „was soll das heißen?“ Es blieb
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Ruder.
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Die Zeiteintheilung an Bord eines Schiffes geschieht nach Glasen, von den früheren Sandgläsern so genannt. Jede Wacht von vier Stunden hat acht Glasen; diese zu bezeichnen, wird jede halbe Stunde, bis die Wacht aus ist, einmal mehr mit dem Klöppel an die Glocke geschlagen, so daß, von zwölf Uhr z. B. an gerechnet, halb ein Uhr einmal angeschlagen wird, um ein Uhr zweimal, halb zwei Uhr dreimal, um zwei Uhr viermal u. s. f. bis vier Uhr, was man durch acht Schläge oder Glasen angiebt. Ein viertel auf Fünf beginnt dann wieder mit einem Schlag, daß vier Glasen Abends also zehn Uhr bedeuten würde.
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Die ganze Mannschaft an Deck.