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Nach Amerika! Ein Volksbuch. Fünfter Band. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.

Nach Amerika! Ein Volksbuch. Fünfter Band - Gerstäcker Friedrich


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Lager entfernt, mit halb vorgebeugtem Oberkörper lauschend stand, und jedenfalls auf seine Athemzüge horchte.

      Was hatte er im Sinn – was wollte er von ihm? – sollte er aufspringen, und dem Mann, falls er zum Angriff auf ihn fertig stand, im Einzelkampf begegnen? – aber der Hund dann, der noch immer im Zimmer lag. Und hatte der Jude auch wirklich eine feindselige Absicht gegen ihn? – war es nicht vielleicht Zufall – Sorge selbst um seinen Schlaf, die ihn an des Fremden Lager führte. Hopfgarten beschloß das zu ergründen, selbst auf die Gefahr hin den Burschen muthwilliger Weise zu einem Angriff auf sich zu treiben; er war auch kräftig, und noch in den besten Jahren, und trug der finstere Gesell da Böses gegen ihn im Schilde, ei so mochte er auch auf einen Widerstand gefaßt sein, den er sich vielleicht nicht so warm gedacht oder für möglich gehalten. So also den Mann glauben zu machen daß er wirklich sanft und fest eingeschlafen sei, damit er endlich einmal mit seinen Absichten herauskäme, fing er an laut und regelmäßig zu athmen, und blinzte jetzt nur unter den halb geschlossenen Wimpern nach ihm hinüber.

      Der Jude blieb indessen noch eine Weile, halb nach ihm hingebeugt, stehn, als ob er sich erst selber von der Wahrheit dieses scheinbaren Schlafes überzeugen wolle; dann aber, als ihm jeder Zweifel genommen sein mochte, schlich er wieder leise zum Kamin zurück, warf einen Spahn auf die jetzt nur matt glimmenden Kohlen, der bald zu einer kleinen aber hell knisternden Flamme aufloderte, ging dann in die entgegengesetzte Ecke der Hütte, wo Geschirr und andere Sachen standen, und nahm dort – Hopfgarten fühlte wie ihm das Blut einen Augenblick in den Adern stockte, und dann eiseskalt den Rücken hinabrieselte – ein langes blitzendes Messer von der Wand, dessen Schneide er flüchtig mit dem Daumen prüfte, während sein Auge die Entfernung zwischen sich und seinem Opfer abzumessen schien.

      Hopfgarten war nichts weniger als feige, ein gewisser kecker Muth – selbst wenn wir ihn Übermuth nennen wollten – hatte ihn sogar das Erleben gefährlicher Abenteuer herbeiwünschen, wenn auch nicht aufsuchen lassen, denn daß er den Mississippi auf dessen Dampfbooten nur befuhr um mit einem platzenden Kessel in die Luft zu fliegen, war jedenfalls mehr eine unschuldige Prahlerei als wirklicher Ernst gewesen; hier aber fühlte er doch wie er der jedenfalls berechneten Bosheit eines solchen Räubers gegenüber in eine Falle gegangen sei, aus der ein Entkommen, wenn nicht unmöglich, doch unwahrscheinlich war. Nichts destoweniger beschloß er sein Leben so theuer als möglich zu verkaufen. Er wußte wie wenig er sich auf seine Pistolen verlassen konnte, deren Versagen ihn ganz in die Hand des Mörders gegeben hätte, griff deßhalb rasch, und so wenig als möglich die Decke über sich bewegend, den Angriff des Feindes nicht zu beschleunigen, in seine Tasche, nahm dort den Genickfänger (sein Bowiemesser hatte er im Koffer zurückgelassen) vor, klappte ihn leise und geräuschlos auf und in die Feder, und den linken Arm dann über die Brust ziehend, einen erst dorthin geführten Stoß rasch pariren zu können, hielt er das kleine aber haarscharfe Messer, das doch wenigstens eine fünf Zoll lange Klinge führte, fest in der Faust, und erwartete mit zusammengebissenen Zähnen aber fester Entschlossenheit den Angriff.

      Sein Herz schlug dabei so laut und heftig daß er zu fürchten anfing die kleine lauernde Gestalt des Juden müsse das hören, wie er aber diesen jetzt langsam, mit vorsichtig zurückgezogenem Stahl gegen sich anschleichen sah, ja den Fuß des Mörders schon an dem seinen fühlte, als sich dieser über ihn hinbog, und mit dem linken, ausgestreckten Arm nach der Wand fühlte, sich jedenfalls dort zu stützen und seinem Stoß mehr Sicherheit zu geben, war auch fast jede Angst, die ihn bis dahin wohl noch bedrückt, verschwunden.

      Es ist eine allbekannte und oft geprüfte Wahrheit, daß eine Gefahr wirklich nur so lange existirt als sie droht, und die Hälfte, ja mehr ihrer Schrecken verloren hat, wenn sie, selbst mit voller, ungeschwächter Kraft, über uns hereinbricht.

      Nur der Schiffer auf leckem Fahrzeug ringt verzweifelnd die Hände und sinkt in die Knie, oder starrt in dumpfem Schweigen rath- und thatlos hinaus auf die ihn umtobende See – der Schiffbrüchige, dem das Meer schon sein Fahrzeug zertrümmert, während die Wogen mit den zerrissenen Planken spielen, sucht sich schwimmend, und mit zum Äußersten entschlossenen Arm die Wogen theilend, treibende Bruchstücke seines Schiffs zusammen, baut sich, mit der Fluth dabei kämpfend, ein kleines Floß, und schwimmt dann keck und trotzig auf dem weiten Meer umher, von der stürmischen See an die Küste geworfen, oder von einem zufällig in Sicht kommenden Schiff aufgelesen und gerettet zu werden.

      So war es mit Hopfgarten; wie auch ängstliche Gefühle, er mochte dagegen ankämpfen wie er wollte, ihm die Brust beengten, als er die jetzt vor ihm aufsteigende Gefahr näher und näher rücken fühlte, so schwand jeder andere Gedanke in seiner Brust als er den Stahl darauf gezückt wußte, und nur der einzige, der der Selbstvertheidigung, lebte noch in ihm. Der erste Stoß wurde jedenfalls nach seinem Herz geführt, aber der rasch aufschlagende Arm mit der wollenen Decke, die ihm allein schon Schutz gewährte, konnte den leicht zur Seite werfen und unschädlich machen; die aufwärts gehaltene eigene Klinge hatte er dann im Nu auch selbst befreit, und dem bübischen Verräther ein- oder zweimal in die Rippen gestoßen, ehe dieser im Stande war sich von dem ersten Schreck zu erholen, oder gar den Hund hätte rufen können. Den weit schwächeren Mann konnte er dann schon leicht bewältigen, und die Bestie – ei zum Teufel, wenn er erst auf den Füßen stand wollte er sich die wohl auch vom Leibe halten.

      Aber was zögerte der Alte so lang? – den linken Fuß hatte er vorgesetzt – den linken Arm gegen die Wand gestemmt, und ganz über ihn gebeugt hob er noch immer nicht den rechten Arm zum Stoß – wagte er es nicht? – Hopfgarten biß die Zähne fester und trotziger aufeinander, und sehnte sich jetzt fast nach dem Augenblick, der ihn zu eigenem Handeln rufen würde, als sich der dunkle Körper des Juden wieder zurückbog – die Hand mit dem Messer hob sich nicht, und der Mann, auch die linke jetzt wieder zurückziehend, hielt in der rechten – Hopfgarten wußte nicht ob er wache oder träume – dasselbe Brod, das er ihm vorher schon hingelegt – trat wieder zum Kamin, schnitt sich mit dem langen furchtbaren Messer ein großes Stück ab, legte das übrige indessen auf den Kaminsims, warf noch einige Kienspähne auf die Gluth, daß sie hoch aufloderten und ein helles Licht im Gemach verbreiteten, und fing dann – keinen Blick mehr nach dem Fremden hinüberwerfend – ruhig an zu essen.

      Hopfgarten holte tief Athem – es war als ob ihm ein großer Stein von der Brust fortgewälzt worden, und wie im Traum doch lag er eine ganze Weile, noch nicht im Stande, dieß völlige Gefühl der Sicherheit von der Gefahr so ganz zu trennen, in der er sich vor wenigen Secunden ja geglaubt. Aber jetzt schämte er sich vor dem Manne, der ihn so gastfrei aufgenommen und dem er, wenn auch nur noch erst in Gedanken, doch so schwarzes Unrecht angethan – ja er hätte jetzt lieber aufspringen und ihm frei und offen die Wahrheit bekennen, wie ihn um Verzeihung bitten mögen – und wäre dann ausgelacht worden. – Nein das ging nicht an; aber einen Beweis wollte er sich selber geben daß er einsähe wie Unrecht er gehabt – sich selber gegenüber etwas thun, das seinem in so schändlichen Verdacht gehaltenen Wirth dem eigenen Gewissen gegenüber sein Unrecht eingestand. Zuerst klappte er das Messer also ganz leise wieder zu und schob es in die Tasche zurück, und dann, wie aus tiefem Schlaf erwachend – diese kleine Täuschung konnte er sich nicht versagen – richtete er sich empor, warf die Decke zurück, nahm den Sack, öffnete ihn und schob seine Füße, so weit er sie bringen konnte, hinein.

      »Aha?« sagte sein Wirth, der, als er das Geräusch hörte, langsam den Kopf nach ihm wandte, »hatt' ich recht? – die Füße fangen Einem gewöhnlich Nachts an zu frieren, wenn sie den Tag über naß waren; der Sack wird sie schon warm halten.«

      »Ich denke auch – es ist doch wohl so besser,« sagte Hopfgarten beschämt, warf sich dann wieder zurück auf sein eben nicht besonders weiches Kopfkissen, zog die Decke bis zum Kinn hinauf, und war in wenigen Minuten sanft und süß eingeschlafen.

      Als er am anderen Morgen erwachte stand die Sonne schon hoch am Himmel, und auf dem Tische dampfte ein delikat duftendes Frühstück, während ein ihm ganz gut bekanntes Gesicht, das einem wunderhübschen jungen Mädchen gehörte, in dem gestern Abend ihm so wüst und öde vorgekommenen Hause schaffte und ordnete.

      »Ja wie ist mir denn?« sagte er, sich auf seinem Lager in die Höhe richtend und sich die Augen reibend, »sind Sie denn nicht – «

      »Wahrhaftig Herr von Hopfgarten!« rief das junge Mädchen in deutscher Sprache


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