Unter Palmen und Buchen. Zweiter Band.. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.
las Señoritas? Impossible! Que barbaridad!« stöhnte eine dicke Negerin entrüstet, als ihr vielleicht einfiel, wie sie in einem solchen Kleidungsstück aussehen würde.
Das wunderbare Fabrikat ging nun von Hand zu Hand; während aber die jungen Mädchen errötheten und unter einander kicherten, die älteren Damen mißbilligend den Kopf schüttelten, sammelten sich immer mehr Leute vor dem Hause des Herrn Renard, und mit wenigen Ausnahmen fehlte, kaum eine Viertelstunde später, keine von Evas Töchtern – hoch oder gering – um den neuen Putz in Augenschein zu nehmen.
Aber zu einem Resultat kamen sie nicht. Selbst das Wort Crinolina blieb ihnen ein Räthsel, denn Niemand wußte, was es bedeuten solle, obgleich es spanisch klang. Es waren nämlich weder Pferdehaare, noch Leinwand daran, was es allenfalls hätte bedeuten können, sondern nur Baumwolle und Eisendraht.
Endlich machte Señora Ramos' Schwarze, die bei der Versammlung nicht fehlen durfte, den Vorschlag, ihre Herrin zu fragen. Diese hatte sich in Bogota – wenn sie auch hier außerordentlich einfach ging, stets nach der neuesten Mode gekleidet, und ihr Herr bekam immer Zeitungen, in denen lauter Neues stand. Vielleicht wußten die es.
Das war ein Vorschlag zur Güte, und Renard's Frau – eine Eingeborene – wurde augenblicklich abgesandt, um eine Aufklärung, wenn irgend möglich, zu erbitten, indessen die Damen in äußerster Spannung auf dem Posten blieben. Sie mußten doch erfahren, wie dieses neue Kleidungsstück getragen würde.
Nach einer Viertelstunde endlich – und wie lang ihnen diese wurde! – kehrte sie zurück und das Räthsel war gelöst. Dies Drahtgeflecht stellte nur einen Unterrock vor – die anderen Kleider wurden darüber gezogen, um recht hübsch und weit auszublähen. – Das war das ganze Geheimniß, aber die Lösung befriedigte die Damen noch nicht, denn nun wollten sie auch einmal sehen, wie das wunderliche Ding getragen würde, und ob es praktisch wäre – das heißt, ob es vornehm aussähe.
Hier aber fand sich eine andere Schwierigkeit, denn Niemand wollte es anfangs anprobiren – selbst Señora Renard weigerte sich hartnäckig. Eine alte Negerin erbot sich endlich – gegen angemessene Vergütung natürlich – die Probe an sich machen zu lassen. Sie trotzte allen Schrecken. Renard aber war klug genug, darauf nicht einzugehen, denn er wollte die neue Mode, von der er später einen erklecklichen Profit hoffte, nicht gleich von vornherein lächerlich und dadurch unmöglich machen. Endlich bewog er ein junges allerliebstes Mädchen von Halbblut durch das Opfer eines buntseidenen Tuches, die Crinoline unter ihr Kleid zu ziehen. Die Toilette wurde im Laden selber, unter der Beihülfe von Renard's Frau, gemacht, die Thüre indeß verhangen, und die rings versammelten Frauen hielten schon unberufene Neugierige ab, daß sich nicht ein oder der andere junge Bursche gelüsten ließ, durch die allerdings zahlreichen Ritzen des Hauses zu schauen, denn im Stande wären die es gewesen.
Es war ein großer Moment im Leben dieses einfachen Naturvolkes, als Juanna, wie das junge Mädchen hieß, endlich im vollen Staat und Glanz aus der Mattenthür des Ladens trat, denn da sich ihr Kleid als zu kurz und eng erwiesen, hatte ihr Madame Renard für die Probe ihr bestes Sonntagskleid geborgt, das mit seinen rothen und grünen Blumen ordentlich glänzte und funkelte. Verschämt und kichernd ging die junge Dame ein paar Mal vor dem Laden auf und ab, immer dann und wann selbst staunend auf die Pracht niederzuschauen, die sie umgab. Wen störte es, daß sie bloße Füße hatte, und daß ihr das volle lockige schwarze Haar wild und ungeordnet um die Schläfe hing?
Die Damen fingen wirklich schon an, Geschmack an der Sache zu finden. Wie viel schöner sah man das Muster auf einem Kleid, wenn man es so ausgespannt tragen konnte, und wie vornehm schaute das arme einfache Ding, das Mädchen, in dem Gestell aus – und wie viel Zeug brauchte man für einen einzigen Rock.
Juanna selbst wünschte sich in ihrem ungewohnten Staat auch der kranken Schwester zeigen, die daheim lag und Nichts von all den Herrlichkeiten zu sehen bekam. Leichtsinniger Weise erlaubte es ihr Renard – wohnte sie doch nur schräg gegenüber – und Juanita flog der eigenen Wohnung zu, an der – wie bei allen übrigen Häusern, nur eine schmale Leiter – oft nur ein eingekerbter Baumstamm – lehnte, um an diesem auf und ab zu steigen.
Die Meisten der Neugierigen folgten ihr, kaum aber war sie drei oder vier Stufen hinauf gestiegen, als die Zuschauer unten in ein schallendes Gelächter ausbrachen. Das arme Kind merkte jetzt, daß ihr Kleid, das ihr sonst glatt am Körper niederhing, weit auf der Leiter ausblähte. Aengstlich drückte sie es zusammen, aber die elastischen Reifen wichen aus – was sie auf der einen Seite niederdrückte, stand auf der anderen um so viel weiter ab. Vor Scham tief erröthend, sprang sie endlich von der Leiter mit einem Satz hinab, um die häßlichen Reifen so rasch als möglich los zu werden.
Das gab der Crinoline den Todesstoß, denn daran hatte bis jetzt noch Niemand gedacht. Welche Frau oder welches Mädchen hätte mit einem solchen Putz ihr Haus je verlassen oder wieder dahin zurückkehren können? Es war rein unmöglich, denn an allen Häusern lehnten diese Leitern, und Monsieur Renard that das Einzige, was er mit der Crinoline überhaupt thun konnte – denn kaufen wollte sie jetzt Niemand – er hing sie in seinen Laden unter Siebe, eiserne Töpfe, Besen und andere dergleichen im Handel vorkommende Dinge, an der Decke auf, und nahm sich vor, mit dem nächsten Dampfer nach Panama an seinen Correspondenten zu schreiben, ihm doch um Gottes Willen keine weitere Nachsendung derartiger Moden zu machen.
Juanna hieß aber von dem Tag an nur La Crinolita in der ganzen Stadt, und lange noch standen die Leute vor dem Hause und lachten und plauderten mit einander, bis endlich ein tüchtiger Regenschauer sie in ihre Häuser trieb, und sie von dort aus, über die Straße hinüber und unter einander, aber doch unter Dach, das höchst interessante Gespräch über die merkwürdige Neuigkeit fortsetzen konnten. An Mosquera's Flotte dachte Niemand mehr.
Drittes Capitel.
Der Alarm
So rückte der Abend heran. Der Regen hatte aufgehört und am westlichen Horizont wurde eben noch ein rother Gluthstreifen sichtbar, den die untergehende Sonne auf ihrer Bahn nach sich zog, als plötzlich ein Canoe um die nördliche Landzunge bog und, von den Rudern der darin Sitzenden getrieben, wie ein Pfeil über das Wasser dahin und der Landung zuschoß.
»Mosquera!« hieß der Schreckensruf, der gleich darauf durch die kleine, noch ebenso ruhige Stadt zuckte – »Mosquera! – Draußen segeln die Schiffe an und Tomaco ist vom Feinde bedroht.«
Das war ein Durcheinanderlaufen, und wie sich Alles noch vor wenigen Stunden lachend und jubelnd um Renard's Laden gedrängt hatte, so rannten die Leute jetzt nach dem Strande, um von den eingelaufenen Fischern das Nähere über die beunruhigende Kunde zu hören. Selbst Señor Ramos befand sich diesmal unter den Neugierigen. Aber der Bericht, den die Seeleute geben konnten, lautete immer noch unbestimmt, wenn er auch das Schlimmste fürchten ließ.
Sie hatten draußen an der Punta Mariana gefischt, und befanden sich schon wieder auf dem Heimweg, als sie zwei Fahrzeuge bemerkten, die gegen den Wind aufkreuzten und augenscheinlich auf Tomaco zuhielten. Das eine war ein Schooner gewesen, das andere eine Galeotte. Wie sie näher kamen, hatten sie auf dem Schooner eine Flagge aufgezogen, da sie aber von ihnen fortwehte, konnten sie die Farben nicht erkennen, und wahrscheinlich sollte das ein Zeichen sein, daß man sie an Bord verlangte, um dort vielleicht als practicos oder Lootsen zu dienen.
Aus Furcht davor hatten sie sich in die Ruder gelegt und waren geflohen, während das kleinere Fahrzeug, die Galeotte, sobald sie das an Bord merkte, versuchte, ihnen den Weg abzuschneiden. Aber das ging freilich nicht; sie selbst hielten sich in seichtem Wasser, wohin ihnen das tiefer gehende Segelschiff nicht folgen durfte, wenn es nicht auf den Grund gerathen wollte, und als es wenden mußte, trieb es der ungünstige Wind viel mehr zurück, als daß es Fortgang gemacht hätte.
»Und wann könnten sie hier sein?«
Keinen Falls vor morgen früh, denn von der letzten Punta aus hatten sie die beiden Kriegsfahrzeuge nur noch in weiter Ferne gesehen, und ohne Lootsen an Bord durften sie nicht wagen, in dunkler Nacht hier einzulaufen.
Das war der einzige Trost, den sie mitbrachten, aber am nächsten Morgen konnten die Bewohner von Tomaco darauf rechnen, den unwillkommnen Besuch der Feinde da zu haben.
Was nun thun? Ihr erster