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Pfarre und Schule. Dritter Band.. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.

Pfarre und Schule. Dritter Band. - Gerstäcker Friedrich


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und Einer durch den Anderen beschützt wurden – Gerechtigkeit herrscht jetzt im Lande, Herr Oberpostdirector, und denken Sie sich Ihr fürchterliches Loos, wenn Ihnen Gerechtigkeit würde.«

      »Sie häufen Beleidigungen auf Beleidigungen,« sagte Herr von Gaulitz mit leiser, heiserer Stimme, verließ seinen Platz am Tisch, und ging mit raschen Schritten im Zimmer auf und ab –

      »Und Ihre Antwort?« frug Wahlert ernst.

      Der Gutsherr, dessen Gesicht eine Leichenfarbe angenommen hatte, blieb plötzlich stehen, sah den jungen Mann mit einem Blick des tiefsten, bittersten Hasses an, den dieser jedoch mit einem trotzigen Lächeln erwiederte, und sagte schnell:

      »Sie können mir Nichts beweisen, Herr, nicht das Mindeste – alle Ihre Beschuldigungen sind falsch – falsch, wie die Hölle, in der sie gebraut wurden. – Wagen Sie es, mit solchen Klagen gegen den Oberpostdirector von Gaulitz vor Gericht zu treten – wagen Sie es, aber ›der Herr wird seine Feinde vernichten, und die in den Staub werfen, so wider Ihn die Waffen ergreifen – das Licht des Gottlosen wird verlöschen, und der Funke seines Feuers wird nicht leuchten.‹«

      »Herr Oberpostdirector,« erwiederte ihm leise der junge Mann, »ich könnte Sie vielleicht selbst mit Bibelversen schlagen, läge mir daran, einen Wortstreit mit Ihnen zu haben. ›Ein falscher Zeuge bleibt nicht ungestraft, und wer Lügen frech redet, wird nicht entrinnen‹ – was sagen Sie z. B. zu der Stelle. – Doch genug der Worte – Thaten will ich jetzt, und die letzte Frage möchte ich hiermit an Sie richten – wollen Sie sich meiner Forderung fügen?«

      »Was wollen Sie von mir!« sagte der Oberpostdirector, die Nägel seiner linken Hand noch immer mit den Zähnen beschneidend, während er sich halb von dem jungen Manne abwandte, als ob er den Blick desselben nicht ertragen könnte – »was ist es – was fordern Sie?«

      »Nichts für mich,« entgegnete ihm Wahlert ruhig, »nur die Unterschrift dieser Zeilen.«

      Der Oberpostdirector nahm sie schweigend aus seiner Hand, und überflog sie rasch mit dem Blick –

      »Sind Sie wahnsinnig?« frug er da rasch und plötzlich – »halten Sie mich für einen Crösus?«

      »Ich weiß, daß der Herr Oberpostdirector gute Geschäfte mit Geld auf Zinsen zu leihen nicht verschmäht, und arme Teufel, die von ihm ein Capital geborgt, plötzlich sehr geschickt und zur rechten Zeit um ein halbes oder ganzes Procent zu erhöhen weiß – natürlich nur der ›schlechten Zeiten‹ wegen, aber stets unter Androhung der Aufkündigung des Capitals. Was sind dreihundert Thaler jährlich für ein armes Mädchen, deren Lebensglück auf das Schändlichste, Nichtswürdigste zerstört und vernichtet wurde, und die dieser Summe nur eigentlich zu Nichts weiter bedarf, als – um nicht auch noch betteln zu gehn.«

      »Es thut mir leid, daß sich Marie Meier in so traurigen Umständen befindet,« versicherte der Oberpostdirector – »und ich will gern Alles thun, was –«

      »Wollen Sie dieses Papier unterschreiben?« frug ihn Wahlert eintönig.

      »Was in meinen Kräften steht, will ich thun,« sagte von Gaulitz – »aber das – das ist zu viel.«

      »Zu viel für ein Menschenleben,« lachte der Doctor im zornigen Unmuth – »es wäre wahrlich eine Verlockung, sich dem Teufel zu verschreiben, wenn man nur vermuthen müßte, daß solche Menschen einst in den Himmel kämen. Doch genug der Worte, ich habe Sie nicht aufgesucht, um mit Ihnen zu feilschen und zu handeln und um Procente zu streiten. Meine Frage gilt einfach dem Mann, dem ich als Mann gegenüber stehe, und die Alternative ist die, daß ich mich von hier aus auf ein Pferd werfe und morgen früh schon in der Residenz die Klage gegen den Oberpostdirector von Gaulitz beim Criminalgericht eingebe, und daß ich die Zeugen stelle, darauf können Sie sich verlassen. Einfach also Ihre Antwort – hier ist das Papier – dort steht Feder und Dinte – wollen Sie, oder nicht?«

      »Mit der Pistole auf der Brust« – sagte verlegen der Gutsherr.

      »Bitte um Verzeihung, Herr von Gaulitz,« erwiederte mit besonderem Nachdruck der junge Mann »ich bin unbewaffnet – die Pistole wäre nur – Ihr Gewissen, die Ihnen hoffentlich geladen und gespannt bis zu Ihrer letzten Todesstunde vor den Schläfen stehen soll. – Ich bitte um Ihre Entscheidung.«

      »Dreihundert Thaler jährlich? –«

      »Bis zu ihrem Tod – in dem Fall aber hundert Thaler an ihren Vater.«

      Der Oberpostdirector ging mit verschränkten Armen wohl fünf Minuten lang rasch und schweigend im Zimmer auf und ab; Wahlert lehnte an der Ecke eines Spieltisches und sprach kein Wort, störte sein Nachdenken durch keinen Laut, durch keine Bewegung, nur sein Auge haftete mit seiner Adlerschärfe auf ihm, und folgte ihm, wohin er sich wandte, und es schien fast, als ob der Gutsherr das wisse, und der Blick gerade es sei, der ihn so unruhig herüber und hinüber jage, denn nicht ein einziges Mal schlug er das Auge zu dem so unwillkommenen Besuch empor. Endlich, doch wohl einsehend, daß ihm hier wirklich nur die Wahl zwischen öffentlicher Schmach und einem, wenn auch bedeutenden Geldopfer liege, schien sein Entschluß gefaßt. Er trat an den Tisch auf dem, neben dem Dintenfaß das Dokument lag, ergriff die Feder – und noch zögerte seine Hand.

      Wahlert schaute mit der gespanntesten Aufmerksamkeit auf ihn hinüber – plötzlich zuckte ein triumphirendes Lächeln über seine Züge – das Kritzeln der hastig geführten Feder kündete ihm seinen Sieg. Im nächsten Augenblick reichte ihm der Oberpostdirector das Blatt hinüber – er warf einen Blick darauf, verbeugte sich, faltete es zusammen, schob es in seine Brusttasche und öffnete eben die Thür, das Zimmer wieder zu verlassen, als draußen eine wildverstörte, blutbedeckte, von Lumpen umhangene Gestalt mit der aufgezogenen Jagdflinte in der Hand in die Thüre sprang, und eine heisere Stimme in kaum hörbaren Lauten frug –

      »Wo ist der Herr?«

      »Heiliger Gott!« rief Wahlert und trat, entsetzt über den schaurigen Anblick, auf den Vorsaal hinaus, der Oberpostdirector aber, durch den Ausruf aufmerksam gemacht, folgte ihm rasch, sah zuerst die Gestalt, die er wahrscheinlich nicht einmal gleich erkennen mochte, erstaunt an und rief dann, mehr überrascht als bestürzt: –

      »Fritz Holke – was machst Du in dem Aufzug hier? – Mensch wie siehst Du aus?«

      »Retten – Schützen Sie mich!« war aber Alles, was der arme Teufel vor Erschöpfung und Angst und Aufregung über die Lippen bringen konnte – »ich habe – ich habe einen Menschen – erschossen – den Müllerburschen aus – aus der Rauschenmühle – sie werden – sie werden gleich hier sein – großer allmächtiger Gott, ich bin ein Mörder!«

      Wahlert war an die Seite und etwas zurückgetreten, und ein schweigender aber wachsamer Zeuge der folgenden Scene.

      »Ein Mörder?« rief der Gutsherr jetzt wirklich bestürzt, und blickte die Leidensgestalt, in deren Antlitz jeder Zug die Wahrheit der Worte bestätigte, forschend an, »Mensch, Du siehst fürchterlich aus!«

      Fritz erzählte jetzt mit flüchtigen Worten, und so gedrängt als möglich, den ganzen Vorfall, wie er von den Bauern mishandelt, mit was er bedroht worden, und endlich nur in letzter Verzweiflung, seiner selbst fast unbewußt, nach der Waffe gegriffen und die Mündung dem vorspringenden Feind drohend vorgehalten habe – dann war der Schuß gefallen – der Mann – als er sich nach ihm umschaute, gestürzt, und weiter wußte er selber Nichts mehr, weder von sich selbst noch von der ihn umgebenden Welt – Flucht war sein einziger Gedanke gewesen, Flucht, vor dem Erschlagenen fast mehr als den verfolgenden Menschen, und er, der Gutsherr, der ihm selber befohlen habe, streng gegen alle Wildfrevler zu verfahren, sei der Mann, der ihn schützen werde, schützen müsse vor der Rache der Bauern.

      »Nun das hätte mir noch gefehlt!« rief jetzt der Herr von Gaulitz, der in dem Interesse, das er an der athemlosen Erzählung seines Jägerburschen nahm, die Anwesenheit des dritten Mannes ganz vergessen zu haben schien. – »Ich soll mich in deine Streitigkeiten mit dem Bauergesindel mischen, und wohl gar noch einen Mörder und Todtschläger in meinem Hause beherbergen, daß sie mir nachher das Dach über dem Kopf anstecken? – nein wahrhaftig nicht – wer hieß Dich gleich abdrücken, der, der Blut vergießt, des Blut soll wieder vergossen werden, steht


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