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Das Bildnis des Dorian Gray. Wilde OscarЧитать онлайн книгу.

Das Bildnis des Dorian Gray - Wilde Oscar


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bekommen unsere Jugend nie wieder. Die Freude, die den Puls des Zwanzigjährigen peitscht, läßt nach. Unsere Glieder versagen, die Sinne werden seicht. Wir verkommen und werden greuliche Verpuppungen, werden verfolgt von den Erinnerungen an die Leidenschaften, vor denen wir zurückgeschreckt sind, und an die reizenden Versuchungen, denen zu erliegen wir nicht den Mut hatten. Jugend! Jugend! Es gibt in der Welt nichts weiter als Jugend!“

      Dorian Gray hörte zu, mit aufgerissenen Augen und staunend. Der Fliederzweig, den er in der Hand hielt, fiel auf den Kies. Eine Biene in ihrem Pelzkleid schoß her und umsummte ihn einen Augenblick. Dann krabbelte sie eifrig auf den kleinen Blumensternen herum. Er beobachtete sie mit dem seltsamen Interesse an gewöhnlichen Dingen, das wir in uns heranzubilden suchen, wenn wir uns vor entscheidenden Dingen fürchten, oder wenn uns ein neues Gefühl erschüttert, für das wir noch keine Formel haben, oder wenn ein schrecklicher Gedanke das Hirn umklammert und verlangt, daß wir uns ihm ausliefern sollen. Nach einer Weile schwirrte die Biene weg. Er sah sie in den bunten Trompetentrichter einer tyrischen Winde kriechen. Die Blume schien zusammenzuzucken und bewegte sich dann mit Grazie hin und her.

      Plötzlich erschien der Maler unter der Tür des Ateliers und forderte sie mit kurzen wiederholten Zeichen auf, hereinzukommen. Sie sahen sich einander an und lächelten.

      „Ich warte!“ rief er. „Kommt herein! Das Licht ist ganz prächtig, und ihr könnt eure Gläser mitbringen.“

      Sie standen auf und schlenderten den Weg zurück. Zwei grünlichweiße Schmetterlinge flatterten an ihnen vorüber, und in dem Birnbaum an der Gartenecke begann eine Drossel zu flöten.

      „Es freut Sie, mich kennengelernt zu haben, Herr Gray?“ fragte Lord Henry und blickte ihn an,

      „Ja, jetzt bin ich erfreut darüber. Ich weiß nicht, ob ich's immer sein werde!“

      „Immer! das ist ein schreckliches Wort. Ich schaudere, wenn ich es höre. Die Frauen haben es so gern. Sie zerstören sich jedes Abenteuer, indem sie ihm Ewigkeit verleihen wollen. Außerdem ist es ein sinnloses Wort. Der einzige Unterschied zwischen einer Laune und einer Leidenschaft, die ein Leben lang dauert, ist, daß die Laune ein bißchen länger dauert.“

      Als sie ins Atelier traten, legte Dorian Gray seine Hand auf Lord Henrys Arm. „Lassen Sie also unsere Freundschaft eine Laune sein“, sagte er leise und errötete über seine eigene Kühnheit. Dann bestieg er das Podium und nahm wieder seine Stellung ein.

      Lord Henry warf sich in einen bequemen Korbsessel und beobachtete ihn. Das Hin- und Herfahren des Pinsels auf der Leinwand war das einzige, die Stille unterbrechende Geräusch, nur manchmal hörte man den Schritt Hallwards, wenn er zurücktrat, um sein Werk aus der Entfernung zu prüfen. In den schrägen Sonnenstrahlen, die durch die offene Tür fluteten, tanzte der Staub in goldenen Schuppen. Über allem lagerte der schwere Duft der Rosen.

      Als etwa eine Viertelstunde vergangen war, hörte Hallward zu malen auf, betrachtete Dorian lange Zeit, sah dann lange auf das Bildnis, nagte an dem Stiel eines seiner großen Pinsel und runzelte die Stirn. „Ganz fertig“, rief er endlich, bückte sich und schrieb in großen grellroten Lettern seinen Namen in die linke Ecke der Leinwand.

      Lord Henry trat heran und betrachtete das Bild mit Kennerblick. Es war in der Tat ein wunderbares Kunstwerk und auch wunderbar ähnlich.

      „Lieber Junge,“ sagte er, „ich wünsche dir herzlich Glück. Es ist das beste Porträt unserer ganzen Zeit. Herr Gray, kommen Sie und sehen Sie selbst!“

      Der Jüngling schrak wie aus einem Traume auf. „Ist es wirklich fertig?“ murmelte er, als er vom Podium herabstieg.

      „Ganz fertig“, antwortete der Maler. „Und du hast heute glänzend Modell gestanden. Ich bin dir sehr, sehr dankbar.“

      „Das ist nur mein Verdienst“, warf Lord Henry ein. „Nicht wahr, Herr Gray?“

      Dorian gab keine Antwort, sondern trat, ohne hinzuhören, vor sein Bild und wandte sich dem Werke zu. Als er es sah, zuckte er zusammen, und seine Wangen röteten sich einen Augenblick vor Vergnügen. Ein Ausdruck der Freude blitzte in seinen Augen, als erkenne er sich selbst jetzt zum ersten Male. Bewegungslos und in Staunen versunken, stand er da und merkte dumpf, daß Hallward zu ihm sprach, ohne daß er den Sinn der Worte erfaßte. Das Gefühl seiner eigenen Schönheit kam über ihn wie eine Offenbarung. Er hatte es nie vorher empfunden. Basil Hallwards Komplimente hatte er nur für liebenswürdige Übertreibungen der Freundschaft gehalten. Er hatte sie gehört, über sie gelacht und sie vergessen. Sein Wesen hatten sie niemals beeinflußt. Dann war Lord Henry Wotton gekommen mit seinem sonderbaren Hymnus auf die Jugend, seiner schrecklichen Warnung von ihrer Flüchtigkeit. Das hatte ihn rechtzeitig aufgerüttelt, und als er jetzt dastand und das Abbild der eigenen Schönheit betrachtete, durchdrang ihn die volle Wirklichkeit jener Schilderung. Ja, der Tag mußte kommen, da sein Gesicht verrunzelt und verwelkt, die Augen trüb und farblos, die Anmut seiner Gestalt geknickt und entstellt sein würde. Das Scharlachrot der Lippen würde verblassen, der Goldglanz des Haares sich wegstehlen. Das Leben, das von seiner Seele gebildet wurde, zerstörte seinen Körper. Er würde häßlich, abscheuerregend und formlos werden.

      Als er daran dachte, durchfuhr ihn ein scharfer Schmerz wie ein Messerstich und ließ die feinsten Nerven seines Ichs erbeben. Seine Augen verdunkelten sich zu Amethysten, und ein Tränenflor umschleierte sie. Es war, als hätte sich ihm eine eiskalte Hand aufs Herz gelegt.

      „Gefällt es dir nicht?“ rief endlich Hallward, ein wenig gereizt durch das Schweigen des Jünglings, dessen Grund er nicht begriff.

      „Natürlich gefällt's ihm“, sagte Lord Henry. „Wem würde es nicht gefallen? Es gehört zu den größten Werken der modernen Kunst. Ich gebe dir jeden Betrag dafür, den du verlangst. Ich muß es haben.“

      „Es gehört nicht mir, Harry.“

      „Wem denn?“

      „Dorian natürlich“, antwortete der Maler.

      „Da hat er Glück…“

      „Wie traurig!“ flüsterte Dorian und hielt die Augen noch immer fest auf das Bild gerichtet. „Wie traurig! Ich werde alt werden und häßlich und widerlich. Aber dies Bild wird immer jung bleiben. Es wird nie über den heutigen Junitag hinaus altern… Wenn es nur umgekehrt sein könnte! Wenn ich ewig jung bliebe und dafür das Bild altern könnte! Dafür – dafür – gäbe ich alles! Ja, nichts in aller Welt wäre mir dafür zuviel! Ich gäbe meine Seele dafür!“

      „Dieser Tausch würde dir schwerlich passen, Basil“, rief Lord Henry lachend. „Das wäre schlimm für dein Bild.“

      „Ich würde mich ernstlich dagegen wehren, Harry“, sagte Hallward.

      Dorian Gray wandte sich zu ihm und sah ihn an. „Ich bin davon überzeugt, Basil. Die Kunst ist dir mehr als deine Freunde. Ich bedeute für dich nicht mehr als eine grüne Bronzefigur. Vielleicht kaum so viel, müßte ich sagen.“

      Der Maler war starr vor Erstaunen. So zu sprechen sah Dorian gar nicht ähnlich. Was war geschehen? Er schien ganz erregt. Sein Gesicht war gerötet, und die Wangen brannten.

      „Ja,“ fuhr er fort, „ich bin dir weniger als dieser Hermes aus Elfenbein oder der silberne Faun da. Die wirst du immer liebbehalten. Wie lange wirst du mich liebhaben? Vermutlich bis die erste Runzel mein Gesicht entstellt. Ich weiß jetzt, wenn man erst seine Schönheit verliert, hat man alles verloren. Dein Bild hat mich dies gelehrt. Lord Henry Wotton hat ganz recht. Jugend ist das einzige, was Wert hat auf der Welt. Sowie ich entdecke, daß ich alt werde, bringe ich mich um.“

      Hallward wurde bleich und faßte ihn bei der Hand. „Dorian, Dorian!“ rief er, „sage so etwas nicht. Ich habe nie einen Freund gehabt wie dich und werde nie wieder so einen haben. Du bist doch nicht auf leblose Dinge eifersüchtig? Du, der schöner ist als irgendeines von ihnen.“

      „Ich bin eifersüchtig auf jedes Ding, dessen Schönheit nicht stirbt. Ich bin eifersüchtig auf das Bild, das du von mir gemalt hast. Warum darf es behalten, was ich verlieren muß? Jeder Augenblick, der verfliegt, raubt mir etwas und schenkt ihm etwas. Oh, wenn es doch umgekehrt wäre! Wenn sich das Bild verändern und ich immer bleiben könnte, wie ich jetzt bin! Warum hast


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