Gespräche für Freimaurer. Gotthold Ephraim LessingЧитать онлайн книгу.
sich dadurch von andern Menschen auszusondern.—Wer soll das nicht sein?
FALK
Soll!
ERNST
Wer hat, dieses zu sein, nicht, auch ausser der Freimäurerei, Antrieb und Gelegenheit genug?
FALK
Aber doch in ihr und durch sie eine Antrieb mehr.
ERNST
Sage mir nichts von der Menge der Antriebe. Lieber einem einzigen Antriebe alle mögliche intensive Kraft gegeben!—Die menge solcher Antriebe ist wie die Menge der Räder in einer Maschine. Je mehr Räder: desto wandelbarer.
FALK
Ich kann dir das nicht widersprechen.
ERNST
Und was für einen Antrieb mehr!—Der alle andre Antriebe verkleinert, verd¨chtig macht! sich selbst für den stärksten und besten ausgibt!
FALK
Freund, sei billig!—Hyperbel, Quidproquo jener schalen Reden und Lieder! Proberwerk! Jüngerarbeit!
ERNST
Das will sagen: Bruder Redner ist ein Schwätzer.
FALK
Das will nur sagen: was Bruder Redner an den Freimäurern preiset, das sind nun freilich ihre Taten eben nicht. Denn Bruder Redner ist wenigstens kein Plauderer; und Taten sprechen von selbst.
ERNST
Ja, nun merke ich, worauf du zielest. Wie konnten sie mir nicht gleich einfallen, diese Taten, diese sprechende Taten. Fast möchte ich sie schreiende nennen. Nicht genug, dass sich die Freimäurer einer den andern unterstützen, auf das kräfstigste unterstützen: denn das wäre nur die notwendige Eigenschaft einer jeden Bande. Was tun sie nicht für das gesamte Publikum eines jeden Staats, dessen Glieder sie sind!
FALK
Zum Exempel?—Damit ich doch höre, ob du auf der rechten Spur bist.
ERNST
Zum Exempel die Freimäurer in Stockholm!—Haben sie nicht ein grosses Findelhaus errichtet?
FALK
Wenn die Freimäurer in Stockholm sich nur auch bei einer andern Gelegenheit tätig erwiesen haben.
ERNST
Bei welchem andern?
FALK
Bei sonst andern, meine ich.
ERNST
Und die Freimäurer in Dresden, die arme junge Mädchen mit Arbeit beschäftigen, sie klöppeln und stükken lassen—damit das Findelhaus nur kleiner sein dürfe.
FALK
Ernst! Du weisst wohl, wenn ich dich deines Namens erinnere.
ERNST
Ohne alle Glossen dann. Und die Freimäurer in Braunschweig, die arme fähige Knaben im Zeichnen unterrichten lassen.
FALK
Warum nicht?
ERNST
Und die Freimäurer in Berlin, die das Basedowsche Philanthropin unterstützen.
FALK
Was sagst du?—Die Freimäurer? Das Philanthropin? unterstützen?—Wer hat dir das aufgebunden?
ERNST
Die Zeitung hat es ausposaunet.
FALK
Die Zeitung!—Da müsste ich Basedows eigenhändige Quittung sehen. Und müsste gewiss sein, dass die Quittung nicht an Freimäurer in Berlin, sondern an die Freimäurer gerichtet wäre.
ERNST
Was ist das?—Billigest du denn Basedows Institut nicht?
FALK
Ich nicht? Wer kann es mehr billigen?
ERNST
So wirst du ihm ja diese Unterstützung nicht misgönnen?
FALK
Misgönnen?—Wer kann ihm alles Gutes mehr gönnen als ich?
ERNST
Nun dann!—Du wirst mir unbegreiflich.
FALK
Ich glaube wohl. Dazu habe ich unrecht.—Denn auch die Freimäurer können etwas tun, was sie nicht als Freimäurer tun.
ERNST
Und soll das an allen auch ihren übrigen guten taten gelten?
FALK
Vielleicht!—Vielleicht, dass alle die guten Taten, die du mir da genammt hast, um mich eines scholastischen Ausdruckes der Kürze wegen zu bedienen, nur ihre Taten ad extra sind.
ERNST
Wie meinst du das?
FALK
Nur ihre Taten, die dem Volke in die Augen fallen;—nur Taten, die sie bloss deswegen tun, damit sie dem Volk in die Augen fallen sollen.
ERNST
Um Achtung und Duldung zu geniessen?
FALK
Könnte wohl sein.
ERNST
Aber ihre wahre Taten denn?—Du schweigst?
FALK
Wenn ich dir schon geantwortet hätte?—Ihre wahre Taten sind ihr
Geheimnis.
ERNST
Ha! ha! Also auch nicht erklärbar durch Worte?
FALK
Nicht wohl!—Nur so viel kann und darf ich dir sagen: die wahren Taten die Freimäurer sind so gross, so weit aussehend, dass ganze Jahrhunderte vergehen können, ehe man sagen kann: das haben sie getan! Gleichwohl haben sie alles Gute getan, was noch in der Welt werden wird—merke wohl, in der Welt.
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