Läufig. Amy BlankenshipЧитать онлайн книгу.
die ihn in der Höhle gefangen gehalten hat.â
In diesem Moment teilten sich die dünnen Wolken über ihnen, sodass einige Strahlen des Mondes auf sie scheinen und die Schatten erzeugen konnten, die ihre wahre Identität verrieten. Dean musste von Kriss' Perfektion wegschauen⦠er musste immer wegschauen.
âNun, vielleicht lässt er uns dabei helfen, es ihr zurückzuzahlenâ, meinte Kriss. âEs ist schon lange her, aber gemeinsam könnten wir sie vermutlich besiegen.â
âIch bezweifle es.â Dean schielte hinüber in die Richtung, in die der Gefallene Engel verschwunden war. âJedes Mal, wenn ich in seine Nähe komme, kann ich seine Wut und seine Angst fühlen.â
Kriss starrte in dieselbe Richtung, kannte die Wahrheit. âVielleicht hat er einen guten Grund, uns zu fürchten.â Er wollte gerade erwähnen, dass der andere ein Hybrid war⦠kein reinblütiger Gefallener Engel, aber Dean unterbrach ihn.
âDas ist egal, denn er vertraut uns nicht.â Dean trat wieder zurück an die Dachkante und blickte über die Stadt.
Er wusste, dass Kriss dachte, dass er alles durchschaut hatte. Also war dieser Gefallene Engel kein Vollblut⦠er war es beinahe, und das zählte. Dean hatte in den letzten Tagen mehrmals in seine Seele geblickt, und das Böse, das die meisten Hybriden zu Dämonen machte, fehlte. In Deans Augen machten ihn das zu einem von ihnen. Wenn er es sich genau überlegte, sollte er Kriss diese kleine Sache vielleicht noch mitteilen.
âEr ist mehr Vollblut als Hybrid, weiÃt du. Seine Seele ist anders als unsere, aber das Böse lebt dort nicht⦠im Moment ist sie nur voller Angst, Misstrauen und Sehnsucht. Ich hoffe, dass du dich nicht so sehr verändert hast, dass du das Gute in ihm nicht sehen kannst.â
Er wusste, dass Kriss nie böswillig Hybride gejagt und zerstört hatte, ohne einen guten Grund dafür zu haben. Kriss war einer der letzten Gefallenen Engel gewesen, die hierhergeschickt worden waren, lange nachdem die Dämonenkriege geendet hatten⦠war in diese Welt verbannt worden, nur um einen Teil der männlichen Population loszuwerden. Kriss wusste das nicht, aber Dean war viel, viel älter als er.
Dean war einer der Anführer der Rebellion gewesen, die den Dämonenkrieg beendet hatte⦠hatte sogar einige der Reinblüter in die Unterwelt geschickt, für ihr sinnloses Massaker an Hybriden, die nicht dämonisch waren. Einige Dinge waren Sünden, egal, wie man sie betrachtete.
Kriss erinnerte sich plötzlich daran, wie er Kane umbringen hatte wollen, nur um dann eine zerfetzte, aber merkwürdig reine Seele zu finden. Er hatte nie eine solche Besonderheit gesehen. Wenn Kane ein Mensch oder ein Dämon gewesen wäre, mit so groÃem Schaden an seiner Seele angerichtet⦠würde er das reine Böse sein. Er hätte das reine Böse sein sollen. Er fragte sich, ob Dean recht hatte⦠dass er vielleicht seine Fähigkeit, diese Dinge zu beurteilen, verloren hatte.
Nachdem er so lange unter den Menschen gelebt hatte, hatte er gelernt, dass sogar die besten Absichten immer eine Schattenseite hatten. Er hatte schon längst entschieden, dass der Tod nur für die echte Gestalt des Bösen war, und dass der Rest es sich untereinander ausmachen musste.
âWie lange willst du ihm nachspionieren?â, fragte Kriss neugierig.
âBis er einsieht, dass ich keine Gefahr binâ, antwortete Dean kryptisch.
Kriss legte seinen Kopf zur Seite und betrachtete Dean, wobei er mehrere Schusslöcher in seiner Kleidung sah. âWas, zur Hölle, hast du getan? Du riechst nach Rauch und das sind keine Mottenlöcher in deinen Kleidern.â
âLass mich dich etwas fragen.â Dean sah Kriss nicht an. âBist du wirklich wegen mir hier? Oder brauchst du nur eine Ablenkung, weil du deine Gefühle für Tabatha verdrängen musst?â
Kriss streckte seine Hand aus, packte Deans Arm und wirbelte ihn herum, sodass sie einander ins Gesicht sahen. âWieso musst du immer Streit suchen?â, wollte er wissen.
Dean riss seinen Arm aus Kriss' Griff los. âVielleicht weil ich in deine Seele blicken kann, wo du blind bist.â
Kriss wandte seinen Blick ab und als er wieder hochschielte, war Dean weg.
*****
Kane öffnete leise Tabathas Schlafzimmerfenster und kroch hinein. Er hatte sie durch das Fenster beobachtet, aber ihm gefiel es nicht, wie er ihre Unruhe fühlen konnte, und die Tatsache, dass er ihre Gedanken nicht lesen konnte, machte ihn verrückt. Alles, was er hören konnte, war ein ganz leises Flüstern aus ihrem Kopf.
Er sah hinauf zur Decke, während er sich fragte, wessen geniale Idee es gewesen war, dass sie die einzige sein sollte, die er nicht belauschen konnte, wenn sie doch die einzige war, die er wirklich hören wollte. Kane behielt die Dunkelheit um sich, während er sich in den Türrahmen der offenen Schlafzimmertür lehnte und zusah, wie sie vom Sofa zur Stereoanlage ging.
Tabatha drehte das Radio leiser. Sie hatte gehofft, dass die Hintergrundmusik ihr helfen würde, damit sich die Wohnung nicht so leer anfühlte, aber es nervte sie nur. Sie vermisste ihren Mitbewohner.
Kriss war schon früher wochenlang verschwunden und sie wusste, dass er auf sich selbst aufpassen konnte, aber das hatte sie nie davon abgehalten, sich Sorgen zu machen. Diese Dämonin, ihre Haut kribbelte schon bei dem Gedanken an sie, hatte Dean in ihrer Falle festhalten können, auch wenn es nur für ein paar Stunden gewesen war. Es war schwer zu akzeptieren, dass es dort drauÃen Dinge geben konnte, die Kriss ernsthaft verletzten könnten.
Wieder streiften ihre Finger über ihre Schulter und über ihre Brust, wo sie verletzt worden war, aber sie fühlte nichts als makellose Haut. Sie hatte gedacht, dass sie so hinterlistig war, dass sie Kane denken lieÃ, dass sie seiner Gedankenkontrolle verfallen war⦠doch war er der, der zuletzt lachte. Und doch, er hatte ihr gesagt, dass sie sich nicht daran erinnern sollte, wie sie Misery gesehen hatte⦠aber dennoch erinnerte sie sich. Langsam hob sie ihre Finger hoch zu ihren Lippen, wünschte sich, dass sie sich erinnern könnte, was genau Kane mit ihr gemacht hatte.
Vielleicht war sie die ganze Zeit unter seiner Gedankenkontrolle gewesen, aber erinnerte sich aus irgendeinem Grund nur an einen Teil davon. Er hatte gesagt, dass er auf sie aufgepasst hatte⦠ihr gefolgt war. Tabatha fühlte, wie die kleinen Härchen in ihrem Nacken sich aufstellten und das Zimmer zu schrumpfen schien.
Während sie ihre Finger von ihren Lippen senkte, flüsterte sie: âKane, bist du hier?â
Kane umklammerte den Türrahmen, um sich davon abzuhalten, zu ihr zu gehen, aber keine Macht der Welt konnte verhindern, dass er antwortete: âJa.â
Seine Stimme klang so gepresst, dass Tabatha herumwirbelte, nach ihm suchte. Sie fühlte irgendetwas zwischen Enttäuschung und Angst, als sie ihn nicht direkt hinter ihr stehen sah. âBin ich so böse, dass du dich vor mir verstecken musst?â Ihr Atem ging ein wenig schneller und sie fragte sich innerlich, ob sie gerade mit dem Feuer spielte.
Kane lieà die Dunkelheit von seiner Gestalt gleiten und beobachtete sie, als ihr Blick auf ihm landete. âVielleicht bin ich der Böse.â
Tabatha schluckte. Er sah ein wenig gefährlich aus, so wie er in der Tür zu ihrem Schlafzimmer stand⦠das musste sie zugeben. âVielleicht würdest du dich weniger böse fühlen, wenn du an der Tür geklopft hättestâ, überlegte sie, während sie sich fragte, wie lange er schon in ihrer Wohnung war. Als sie fühlte, wie ihre Knie weich wurden, drehte sie sich um und zwang sich dazu, ruhig zum Sofa zu gehen und sich hinzusetzen.
âHättest du mich hereingelassen?â, fragte Kane neugierig, als er das Zimmer betrat. Er bemerkte, wie sie sich umdrehte und die FüÃe auf das Sofa hob, sie an sich zog, während sie sich an die