Der Richter und sein Henker. Grieche sucht Griechin / Судья и его палач. Грек ищет гречанку. Книга для чтения на немецком языке. Фридрих ДюрренматтЧитать онлайн книгу.
steckte die Hände in die Manteltaschen und blickte von neuem auf den Geschwindigkeitsmesser. „Ja, Tschanz“, sagte er, „Schmied war gebildet, konnte Griechisch und Lateinisch und hatte eine große Zukunft vor sich als Studierter, aber trotzdem würde ich nicht mehr als Hundert fahren.“
Kurz nach Gümmenen, bei einer Tankstelle, hielt der Wagen jäh an. Ein Mann trat zu ihnen und wollte sie bedienen.
„Polizei“, sagte Tschanz. „Wir müssen eine Auskunft haben.“
Sie sahen undeutlich ein neugieriges und etwas erschrockenes Gesicht, das sich in den Wagen beugte.
„Hat bei Ihnen ein Autofahrer vor zwei Tagen angehalten, der seinen Wagen den blauen Charon nannte?“
Der Mann schüttelte verwundert den Kopf, und Tschanz fuhr weiter. „Wir werden den nächsten fragen.“
An der Tankstelle von Kerzers wußte man auch nichts.
Bärlach brummte: „Was Sie treiben, hat keinen Sinn.[63]“
Bei Erlach hatte Tschanz Glück[64]. So einer sei am Mittwochabend dagewesen, erklärte man ihm.
„Sehen Sie“, meinte Tschanz, wie sie bei Landeron in die Straße Neuenburg-Biel einbogen, „jetzt wissen wir, dass Schmied am Mittwochabend über Kerzers-Ins gefahren ist.“
„Sind Sie sicher?“ fragte der Kommissär.
„Ich habe Ihnen den lückenlosen Beweis[65] geliefert.“
„Ja, der Beweis ist lückenlos. Aber was nützt Ihnen das, Tschanz?“ wollte Bärlach wissen.
„Das ist nun eben so. Alles, was wir wissen, hilft uns weiter“, gab der zur Antwort.
„Da haben Sie wieder einmal recht“, sagte darauf der Alte und spähte nach dem Bielersee. Es regnete nicht mehr. Nach Neuveville kam der See aus den Nebelfetzen zum Vorschein. Sie fuhren in Ligerz ein. Tschanz fuhr langsam und suchte die Abzweigung nach Lamboing.
Nun kletterte der Wagen die Weinberge hinauf. Bärlach öffnete das Fenster und blickte auf den See hinunter. über der Petersinsel standen einige Sterne. Im Wasser spiegelten sich die Lichter, und über den See raste ein Motorboot. Spät um diese Jahreszeit, dachte Bärlach. Vor ihnen in der Tiefe lag Twann und hinter ihnen Ligerz.
Sie nahmen eine Kurve und fuhren nun gegen den Wald, den sie vor sich in der Nacht ahnten. Tschanz schien etwas unsicher und meinte, vielleicht gehe dieser Weg nur nach Schernelz. Als ihnen ein Mann entgegenkam, stoppte er. „Geht es hier nach Lamboing?“
„Nur immer weiter und bei der weißen Häuserreihe am Waldrand rechts in den Wald hinein“, antwortete der Mann, der in einer Lederjacke steckte und seinem Hündchen pfiff, das weiß mit einem schwarzen Kopf im Scheinwerferlicht[66] tänzelte.
„Komm, Ping-Ping!“
Sie verließen die Weinberge und waren bald im Wald. Die Tannen schoben sich ihnen entgegen, endlose Säulen im Licht. Die Straße war schmal und schlecht, hin und wieder klatschte ein Ast gegen die Scheiben. Rechts von ihnen ging es steil hinunter. Tschanz fuhr so langsam, dass sie ein Wasser in der Tiefe rauschen hörten.
„Die Twannbachschlucht“, erklärte Tschanz. „Auf der andern Seite kommt die Straße von Twann.“
Links stiegen Felsen in die Nacht und leuchteten immer wieder weiß auf. Sonst war alles dunkel, denn es war erst Neumond gewesen. Der Weg stieg nicht mehr, und der Bach rauschte jetzt neben ihnen. Sie bogen nach links und fuhren über eine Brücke. Vor ihnen lag eine Straße. Die Straße von Twann nach Lamboing. Tschanz hielt.
Er löschte die Scheinwerfer, und sie waren in völliger Finsternis[67].
„Was jetzt?“ meinte Bärlach.
„Jetzt warten wir. Es ist zwanzig vor acht.“
Fünftes Kapitel
Wie sie nun warteten und es acht Uhr wurde, aber nichts geschah, sagte Bärlach, dass es nun Zeit sei, von Tschanz zu vernehmen, was er vorhabe.
„Nichts genau Berechnetes, Kommissär. So weit bin ich im Fall Schmied nicht, und auch Sie tappen ja noch im dunkeln, wenn Sie auch einen Verdacht haben.[68] Ich setze heute alles auf die Möglichkeit, dass es diesen Abend dort, wo Schmied am Mittwoch war, eine Gesellschaft gibt, zu der vielleicht einige gefahren kommen; denn eine Gesellschaft, bei der man heutzutage den Frack trägt, muß ziemlich groß sein. Das ist natürlich nur eine Vermutung, Kommissär Bärlach, aber Vermutungen sind nun einmal in unserem Berufe da, um ihnen nachzugehen.“
Die Untersuchung über Schmieds Aufenthalt auf dem Tessenberg durch die Polizei von Biel, Neuenstadt, Twann und Lamboing habe nichts zutage gebracht, warf der Kommissär ziemlich skeptisch in die überlegungen seines Untergebenen ein.
Schmied sei eben einem Mörder zum Opfer gefallen[69], der geschickter als die Polizei von Biel und Neuenstadt sein müsse, entgegnete Tschanz.
Bärlach brummte, wie er das wissen wolle?
„Ich verdächtige niemanden“, sagte Tschanz. „Aber ich habe Respekt vor dem, der den Schmied getötet hat; insofern hier Respekt am Platz ist.“
Bärlach hörte unbeweglich zu, die Schultern etwas hochgezogen: „Und Sie wollen diesen Mann fangen, Tschanz, vor dem Sie Respekt haben?“
„Ich hoffe, Kommissär.“
Sie schwiegen wieder und warteten; da leuchtete der Wald von Twann her auf. Ein Scheinwerfer tauchte sie in grelles Licht. Eine Limousine fuhr an ihnen Richtung Lamboing vorbei und verschwand in der Nacht.
Tschanz setzte den Motor in Gang.[70] Zwei weitere Automobile kamen daher, große, dunkle Wagen voller Menschen. Tschanz fuhr ihnen nach.
Der Wald hörte auf. Sie kamen an einem Restaurant vorbei, dessen Schild im Lichte einer offenen Türe stand, an Bauernhäusern, während vor ihnen das Schlußlicht des letzten Wagens leuchtete.
Sie erreichten die weite Ebene des Tessenbergs. Der Himmel war reingefegt, riesig brannten die sinkende Wega, die aufsteigende Capella, Aldebaran[71] und die Feuerflamme des Jupiter am Himmel.
Die Straße wandte sich nach Norden, und vor ihnen zeichneten sich die dunklen Linien des Spitzbergs und des Chasserals ab, zu deren Füßen einige Lichter flackerten, die Dörfer Lamboing, Diesse und Nods.
Da bogen die Wagen vor ihnen nach links in einen Feldweg ein, und Tschanz hielt. Er drehte die Scheibe nieder, um sich hinausbeugen zu können. Im Felde draußen erkannten sie undeutlich ein Haus, von Pappeln umrahmt, dessen Eingang erleuchtet war und vor dem die Wagen hielten. Die Stimmen drangen herüber, dann ergoß sich alles ins Haus, und es wurde still. Das Licht über dem Eingang erlosch. „Sie erwarten niemand mehr“, sagte Tschanz.
Bärlach stieg aus und atmete die kalte Nachtluft. Es tat ihm wohl[72] und er schaute zu, wie Tschanz den Wagen über die rechte Straßenseite hinaus halb in die Matte steuerte, denn der Weg nach Lamboing war schmal. Nun stieg auch Tschanz aus und kam zum Kommissär. Sie schritten über den Feldweg auf das Haus im Felde zu. Der Boden war lehmig und Pfützen hatten sich angesammelt, es hatte auch hier geregnet.
Dann kamen sie an eine niedere Mauer, doch war das Tor geschlossen, das sie unterbrach. Seine rostigen Eisenstangen überragten die Mauer, über die sie zum Hause blickten.
Der Garten war kahl, und zwischen den Pappeln lagen wie große Tiere die Limousinen; Lichter waren keine zu erblicken. Alles machte einen öden Eindruck.[73]
In der Dunkelheit erkannten sie mühsam, dass in der Mitte
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