Kora. Жорж СандЧитать онлайн книгу.
Knastergeruch in den Röcken der Männer, einen etwas zudringlichen Glühweinduft im Büffetzimmer, eine etwas ländliche Staubwolke in der Luft – und dennoch, bei meiner Ehre! war es ein reizendes Fest, eine liebenswürdige Gesellschaft! Die Musik war nicht viel schlechter als in Port-Louis oder Saint-Paul,1 die Moden sicherlich nicht so hinter der Zeit zurück, noch so übertrieben närrisch als in Calcutta, und die Frauen im Allgemeinen weißer, die Männer weniger grob und weniger lärmend als dort.
Im Ganzen genommen konnte mir, der ich die äußersten Wunder der Civilisation noch nicht gesehen hatte, der ich die Oper nur in Amerika und Tanzvergnügungen nur in Asien kennen gelernt hatte, dieser nahezu öffentliche und allgemeine Ball in der Provinzialstadt wol prächtig und entzückend schön erscheinen, wenn man überdies in Betracht zieht, welche große Sensation ich mit meinem Anzuge erregte, und welchen unstreitigen Erfolg ich gleich beim ersten Anlauf zu Ende des ersten Contretanzes davontrug.
Aber die naive Freude befriedigter Eitelkeit machte bald einem Gefühle Platz, das mehr meiner leicht erregbaren, phantastischen Natur entsprach. Es trat ein Mädchen in den Saal, und ich vergaß alle andern, ich vergaß sogar meinen Triumph und meinen neuen Anzug. Ich hatte nur noch Augen und Gedanken für sie.
O, sie war wirklich wunderbar schön, und man brauchte nicht fünfundzwanzig Jahre alt zu sein und aus Indien zu kommen, um von ihrer Schönheit ergriffen zu werden. Ein berühmter Maler, der im folgenden Jahre durch das Städtchen kam, ließ den Postwagen halten, als er sie am Fenster erblickte, ließ die Pferde abspannen und blieb acht Tage lang im Gasthof zum silbernen Löwen, während er unausgesetzt alles Mögliche versuchte, um bis zu ihr zu dringen und sie zu malen. Er war jedoch nicht im Stande, ihren Eltern begreiflich zu machen, daß man aus Liebe zur Kunst das Bildniß einer Frau malen könne, ohne dabei Absichten auf ihre Tugend zu haben. Man wies ihn also höflich ab, und so ist denn von der Schönheit Kora's keine andere Spur als vielleicht im Hirn jenes großen Künstlers und im Herzen eines armen, ehemaligen Postbeamten zurückgeblieben.
Sie war von mittlerer, wunderbar ebenmäßiger Gestalt, leichtfüßig und behend wie ein Vogel, dabei aber auch gravitätisch und stolz wie eine Römerin. In Rücksicht auf das gemäßigte Klima, in welchem sie geboren worden, war ihre Gesichtsfarbe außerordentlich gebräunt, die Haut aber war fein und glatt wie das beste Wachs. Der hervorstechendste Charakterzug ihres schön gezeichneten Kopfes war etwas Unbestimmbares, etwas Ueberirdisches, das man gesehen haben muß, um es zu begreifen. Die Linien ihres Gesichts waren von wunderbarer Reinheit, die großen Augen von so mattgrüner, durchsichtiger Farbe, daß sie mehr für die Geheimnisse der Geisterwelt, als für die Dinge des wirklichen Lebens geschaffen schienen. Den Mund mit den feinen, schmalen Lippen, denen nur selten ein Wort entfiel, umspielte ein unmerkliches Lächeln, das Profil war streng und melancholisch, der Blick kalt, schwermüthig, nachdenklich, der Ausdruck ihres Gesichts schwankte zwischen Trübsinn, Langeweile und Geringschätzung. Dazu kamen noch weiche, sittsame Bewegungen, eine feine, schmale, weiße Hand, wie sie bei den Frauen aus dem Mittelstande selten ist, eine einfache, angemessene Toilette, welche einen bei einer Kleinstädterin befremdenden Geschmack verrieth, und vor Allem eine Miene voll ruhiger, unerschütterlicher Hoheit und Würde, die unter dem Diamantendiadem einer spanischen Königin erhaben gewesen wäre, bei diesem armen Mädchen, aber der Stempel des Unglücks, das Anzeichen einer außergewöhnlichen Natur und Organisation zu sein schien.
Denn sie war – – soll ich es aussprechen? Ich muß wol: Kora war die Tochter eines Dütchenkrämers!
Heilige Dame Poesie, verzeihe mir, daß ich das Wort ausgesprochen habe! Doch was thut's? – Kora würde das Schild einer Schenke geheiligt, wie ein Engel Rembrandts über einer flamändischen Gruppe würde sie sich über das gemeine Leben erhoben haben. Wie eine schöne Blume hätte sie auch in schlammigen Untiefen geglänzt. Im Kramladen ihres Vaters würde sie den Blick des großen Scott auf sich gezogen haben, dem zweifelsohne eine unbeachtete Schönheit wie sie, die reizende Idee zu dem »schönen Mädchen von Perth« eingab.
Und sie hieß Kora, sie hatte eine sanfte Stimme, einen sittigen Gang, eine träumerische Haltung. Ihr braunes Haar war das schönste, das ich in meinem Leben gesehen habe, und sie allein unter allen ihren Gefährtinnen trug es einfach in Locken gekräuselt, ohne jeden Schmuck. Aber in der Fülle dieser dichten Locken lag mehr Erhabenheit und Stolz als im Glanze eines Diadems. Auch trug sie weder ein Collier, noch Blumen am Busen. In stolzer Schönheit hob sich der braune, sammetweiche Nacken vom Spitzenbesatze des Mieders ab, und das blaue Kleid ließ ihren Teint noch gebräunter, ihr Gesicht noch düsterer erscheinen. Sie selbst schien auf den eigentümlichen Charakter ihrer Schönheit stolz zu sein.
Sie schien errathen zu haben, daß sie in anderer Weise schön war als die übrigen Damen: denn ich brauche kaum zu sagen, daß Kora mit den seltsamen Gesichtszügen und dem orientalischen Colorit, Kora, die der Jüdin Rebekka oder Shakespeares Julia ähnelte, die majestätische, leidende, etwas wildscheue Kora, Kora, die weder rosenfarben, noch vollwangig, noch herausfordernd, noch lieblich war, unter der Menge weder bemerkt noch gesucht wurde. Wie eine in der Einöde erblühte Rose, eine im Sand verlorene Perle, stand sie unter den andern Damen, und der erste Beste, dem gegenüber ihr eurer Bewunderung für Kora Ausdruck gegeben hättet, würde euch erwidert haben: »Gewiß, sie wäre so übel nicht, wenn sie nur weißer und weniger mager wäre.«
Ich fühlte mich in ihrer Nähe so verwirrt, so jählings liebebethört, daß ich ganz die Zuversicht verlor, die mein neuer Rock und die rosettenbesäete Weste mir hätten einflößen müssen. Sie schenkte diesen Gegenständen allerdings sehr wenig Beachtung, mit zerstreuter Miene hörte sie auf die faden Schmeicheleien, die ich im Schweiße meines Angesichts zu Tage förderte, ließ bei jeder Aufforderung zum Tanze nur ein leises Wort über ihre Lippen gleiten und legte in meine bebende Hand ihre schlanken Finger, deren Kälte ich trotz des Handschuhs spürte. O, wie unnahbar und stolz sie war, die Tochter des Dütchenkrämers! Wie eigentümlich und geheimnisvoll war sie, die braune Kora! Während der ganzen Nacht konnte ich ihrem Munde nicht mehr als ein halbes Dutzend einsilbiger Wörter entlocken.
Zu meinem Unglück las ich am nächsten Tage zufällig die »Wundergeschichten«,2 und – abermals zu meinem Unglück – schien kein Wesen unter der Sonne ein vollkommnerer Typus phantastischer Schönheit und deutscher Poesie zu sein, als Kora mit den grünen Augen und der schlanken Taille.
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