Namenlos. Уилки КоллинзЧитать онлайн книгу.
Hatte das eitle theatralische Schattenspiel, jetzt wo es vorüber war, ernstere Folgen zu verantworten als eine unnütze Zeitverschwendung?
Die Züge auf Miss Garths Angesicht wurden härter und düsterer, sie stand mitten unter dem scherzenden Haufen um sie her allein. Noras warnende Worte, an Mrs. Vanstone im Garten gerichtet, kamen ihr wieder in den Sinn, – und jetzt zum ersten Male dämmerte der Gedanke in ihr auf, daß Nora doch wohl die Folgen in ihrem wahren Lichte geschaut hatte.
Siebentes Capitel
Den andern Morgen ganz früh begegneten einander Miss Garth und Nora im Garten und sprachen vertraulich zusammen. Die allein wahrnehmbare Folge ihrer Unterredung, als sie sich am Frühstückstische einfanden, war das absichtliche Schweigen Beider in Betreff des Themas der theatralischen Ausführung. Mrs. Vanstone verdankte, was sie über jene Abendunterhaltung hörte, einzig und allein ihrem Gatten und ihrer jüngsten Tochter. Die Erzieherin und die ältere Tochter hatten sich augenscheinlich entschlossen, den Gegenstand ganz bei Seite zu lassen.
Als das Frühstück vorüber war, und die Damen sich wie gewöhnlich zusammen in das Morgenzimmer begaben, fand es sich, daß Magdalene fehlte. Ihre Gewohnheiten waren aber so wenig an eine feste Regel gebunden, daß Mrs. Vanstone über ihre Abwesenheit weder Verwunderung, noch Unruhe empfand. Miss Garth und Nora aber sahen sich bedeutsam an und warteten stillschweigend. Zwei Stunden vergingen, und noch war Nichts von Magdalenen zu sehen. Nora stand auf, als es Zwölf schlug, und verließ ruhig das Zimmer, um nach ihr zu sehen.
Sie war nicht oben im Hause, um ihren Schmuck zu putzen und ihre Gewänder zu ordnen. Sie war auch nicht im Treibhause, nicht im Blumengarten, nicht in der Küche, um die Köchin zu plagen, nicht im Hofe, um mit den Hunden zu spielen. War sie vielleicht mit dem Vater ausgegangen? Mr. Vanstone hatte jedoch bei Tische seine Absicht ausgesprochen, seinem alten Gesellschafter, Mr. Clare, einen Morgenbesuch abzustatten und den sarkastischen Unwillen des Philosophen durch eine Erzählung von der Theatervorstellung heraufzubeschwören. Keine von den anderen Damen auf Combe-Raven wagte einen Fuß in jene Besitzung zu setzen. Doch Magdalene war ja zu Allem fähig, und Magdalene konnte also dorthin gegangen sein. Als dieser Gedanke Nora in den Sinn kam, trat sie in die Buschanlagen.
Bei der zweiten Wendung, da wo der Weg unter den Bäumen in seinen Krümmungen sich aus dem Gesichtskreise des Hauses entfernte, stand sie plötzlich Angesicht zu Angesicht Magdalenen und Frank gegenüber. Sie wandelten zusammen in der Richtung auf sie zu, Arm in Arm, ihre Köpfe nahe beisammen, ihre Unterhaltung offenbar in leisem Tone führend. Sie sahen verdächtig hübsch und seelenvergnügt aus. Beim Anblick Noras blickten Beide überrascht und blieben stehen. Frank nahm in Verwirrung den Hut ab und wandte sich rückwärts nach seines Vaters Besitzung zu. Magdalene ging vorwärts ihrer Schwester entgegen, indem sie unbefangen ihren zusammengeklappten Sonnenschirm von einer Seite zur andern schwenkte und unbefangen eine Melodie aus der Ouverture, welche vor dem Aufgehen des Vorhanges den Abend vorher gespielt worden war, trällerte.
– Ist es schon Zeit zum zweiten Frühstück!? sagte sie und sah dabei auf ihrer Uhr nach. Gewiß nicht?
– Seid Ihr, Du und Mr. Francis Clare, in den Anlagen allein gewesen seit zehn Uhr? fragte Nora.
– Mr. Francis Clare! Wie lächerlich förmlich Du doch bist! Warum nennst Du ihn nicht Frank (Fränzel)?
– Ich habe eine Frage an Dich gerichtet, Magdalene —.
– O ich Gute, wie finster blickst Du heute Morgen!
Ich glaube, Du bist böse auf mich. Hast Du mir noch nicht vergeben, daß ich gestern Abend Dich gespielt habe? Ich konnte nicht anders, meine Liebe; ich würde aus Julien Nichts haben machen können, hätte ich Dich nicht zum Muster genommen. Es ist durchaus nur eine Frage der Kunst. An Deiner Stelle würde ich mich geschmeichelt gefühlt haben durch diese Wahl.
– An Deiner Stelle, Magdalene, hätte ich mich doch zwei Mal bedacht, ehe ich meine Schwester vor einem fremden Publicum mimisch dargestellt hätte.
– Gerade darum that ichs, weil vor einem fremden Publicum! Wie konnten diese Leute Dich kennen? Also wohl an, sei nicht böse! Du bist acht Jahre älter, als ich, Du solltest mir mit wirklichem Humor vorangehen.
– Ich will Dir mit Offenheit vorangehen. Ich bin mehr, als ich sagen kann, darüber betroffen, Dich gefunden zu haben, wie ich Dich eben jetzt hier gefunden habe!
– Was soll da herauskommen, ich bin doch begierig? Du trifft mich zu Hause in den Anlagen, wie ich über das Liebhabertheater mit meinem alten Spielkameraden spreche, welchen ich schon kannte, als ich nicht größer war, als dieser Sonnenschirm. Und Das ist nun wohl eine schreiende Unschicklichkeit, nicht wahr? Honi soit qui mal y pense. Du wolltest vor einer Minute eine Antwort, da hast Du sie, meine Theure, in dem gewähltesten Normannisch-Französisch.
– Es ist mein voller Ernst, Magdalene —!
– Das glaube ich recht gern. Niemand kann von Dir sagen, daß Du jemals scherztest.
– Ich bin im Ernst betroffen —.
– O meine Liebe!
– Es ist ganz unnöthig, mich zu unterbrechen. Ich halte es für Gewissenspflicht, Dir zu sagen – und ich will Dir sagen, – daß ich darüber betroffen bin, wie ich diese Vertraulichkeit zunehmen sehen muß. Ich bin betroffen, bereits ein heimliches Einverständniß zwischen Dir und Mr. Francis Clare bestehen zu sehen.
– Armer Frank! Wie mußt Du ihn allem Anschein nach hassen. Was in aller Welt hat er Dir gethan?
Noras Selbstbeherrschung war, das zeigte sich, beinahe zu Ende. Ihre dunklen Wangen glühten, ihre feinen Lippen zitterten, ehe sie wieder sprach. Doch Magdalene schenkte ihrem Sonnenschirm mehr Aufmerksamkeit, als ihrer Schwester. Sie warf ihn hoch in die Luft und fing ihn wieder auf.
– Eins —! sagte sie und warf ihn wieder in die Höhe.
– Zwei —! und sie warf ihn noch höher.
– Drei —!
Bevor sie ihn zum dritten Male auffangen konnte, ergriff sie Nora leidenschaftlich beim Arme, und der Sonnenschirm fiel zwischen sie Beide auf die Erde nieder.
– Du behandelst mich herzlos! sagte sie. Schäme Dich, Magdalene, schäme Dich!
Der unwiderstehliche Ausbruch einer verschlossenen Natur, welche sich dazu gedrängt sieht, ihre geheime Kränkung offen auszusprechen, ist von allen sittlichen Mächten diejenige, der am schwersten Widerstand geleistet werden kann. Magdalene war plötzlich zum Schweigen gebracht. Einen Augenblick faßten sich beide Schwestern, die so unähnlich waren in Gestalt und Wesen, einander fest ins Auge, ohne daß ein Wort gesprochen wurde. Einen Moment waren die tiefbraunen Augen der älteren und die hellgrauen Augen der jüngeren Schwester fest auseinander gerichtet, Beide forschend, fest und unnachgiebig Noras Angesicht veränderte sich zuerst, Noras Haupt wandte sich zuerst hinweg. Sie ließ ihrer Schwester Arm fallen, schweigend. Magdalene bückte sich und hob ihren Schirm wieder auf.
– Ich versuche meine Ruhe zu behalten – sagte sie – und Du nennst mich herzlos, weil ich es thue. Du warst immer hart gegen mich und wirst es immer sein.
Nora schlug ihre zitternden Hände schnell zusammen. – Hart gegen Dich! – sagte sie in tiefem, traurigem Tone und seufzte bitterlich.
Magdalene wandte sich ein wenig zurück und stäubte mechanisch ihren Schirm mit dem Zipfel ihres Gartenmantels ab.
– Ja! erwiderte sie verstockt. Hart gegen mich und hart gegen Frank.
– Frank! wiederholte Nora, ging auf ihre Schwester zu und erbleichte so plötzlich, als sie vorher roth geworden. Sprichst Du von Dir und Frank, als wären Eure Interessen schon eins geworden? Magdalene! wenn ich Dich verletzte, verletzte ich ihn da? Ist er Dir so theuer und so nahe, daß Dies wirklich der Fall ist?
Magdalene wandte sich weiter und weiter rückwärts. Ein Zweig von einem Baume faßte ihren Mantel: sie drehte sich ärgerlich um, brach ihn ab und warf ihn zur Erde.
– Was für ein Recht hast Du, mich zu fragen? brach sie plötzlich heraus. Ob ich Frank gern habe, oder ob nicht, was geht das Dich an?
Als