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Eure Wege sind nicht meine Wege. Hermine WildЧитать онлайн книгу.

Eure Wege sind nicht meine Wege - Hermine Wild


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zum ersten Mal zeigte sich ein Ausdruck des Entsetzens auf ihrem Gesicht.

      Laßt mich ziehen, sagte sie nach einer kurzen Pause, was habt Ihr hier von mir, wenn Ihr mich nicht tödten wollt?

      Ziehen? und wohin? frug der Graf.

      Wo mich Niemand kennt, wohin mein Name nie gedrungen ist, von wo Ihr nie mehr von mir hören sollt.

      Nein, versetzte er düster, die Zukunft meiner Kinder darf nicht der Laune des Zufalls anheimgestellt sein.

      Ich werde schweigen!

      Er schüttelte nur heftig den Kopf.

      So züchtiget mich, wenn ich rede; Ihr habt ja die Mittel dazu! versetzte sie bitter.

      Gott behüte mich davor, sie anwenden zu müssen! rief der Graf mit erhobener Hand. Nein, setzte er kalt und fest hinzu, es bleibt Alles wie bisher, und Nichts ist verändert, als dein Wächter und dein Aufenthaltsort.

      Mit unaussprechlicher Angst wandten die Augen der Fremden sich vom Grafen auf Thomas, der regungslos an der Thüre stand; doch der Diener schien nichts gehört zu haben, und die Züge des Grafen blieben unbewegt. Sie stöhnte laut auf und barg das bleiche Gesicht in die Hände. Alles war still, der Graf ging wieder auf und ab, endlich, nach einer längeren Pause, fing er wieder an:

      Es soll dir nichts abgehen, sprach er in beruhigendem Tone, weiter kam er nicht. Es war, als habe eine Schlange sie gestochen, mit solcher Heftigkeit warf die Fremde den gebeugten Kopf in die Höhe. Da war keine Spur mehr von Angst und Verzweiflung; ein wilder, wüthender Trotz hatte jeden andern Ausdruck verdrängt. Ihre Lippen bebten, ihre schwarzen Haare wallten unordentlich um das bleiche, noch immer schöne Gesicht, und aus den schwarzen Augen blitzte ein stechendes Feuer, vor dem der Graf unwillkürlich erblaßte und einen Schritt zurückwich.

      Es soll mir nichts abgehen! wiederholte sie in höhnendem Tone. Was giebt es denn, das mir nicht abginge? Daß Ihr mich den Athem des Lebens schöpfen lasset, ist das die große Gnade, die Ihr nur gewährt, für mein Glück, für meine Jugend, die Ihr mir genommen, für jeden Schatz des Lebens, den Ihr mir geraubt! Sie ballte leidenschaftlich die Hände und hob sie mit einem irren Lachen. So saget doch, Ihr versteht Euch ja darauf, saget mir, was es noch giebt, das Ihr mir nicht erbarmungslos zertreten habt. Hättet Ihr mich getödtet, es hätte Euch nicht die halbe Freude gemacht.

      Ueber des Grafen Augen schien bei diesen Worten eine Wolke zu ziehen. Mit einem furchtbaren Laute des Zornes trat er auf sie zu, faßte sie heftig am Arme und drückte sie auf den Stuhl, von dem sie sich in ihrer Aufregung halb erhoben. Zitternd vor Erschöpfung sank sie darauf zurück, aber mit ungebrochenem Trotze blickte sie noch immer zu ihm auf. Seine Brust hob sich schwer, es rollte darin ein tiefes Ungewitter, doch brach es nicht sogleich los, und ohne daß er es wußte, drückten seine Finger dunkle Flecke in den weißen, weichen Arm, den er gefaßt. Warum ich dich nicht getödtet? sagte er endlich leise, aber mit der zermalmenden Kraft, welche allem der höchste Zorn gewährt; mahne mich nicht daran! ich habe Blut genug gesehen. Unselige! was hast du aus mir gemacht! – Sie wandte erbebend das Gesicht von ihm ab; die Besinnung kam ihm wieder und er ließ sie los. Was nützen Worte? fuhr er dann nach einer Weile, dumpf aber ruhig, fort. Vorwürfe machen das Geschehene nicht ungeschehen, und wir müssen tragen, was nicht zu ändern ist. – Er schwieg, dann begann er wieder mit lauter, fester Stimme: Nein, Nichts läßt sich ändern; – was zu mildern war, habe ich gemildert; martern will ich dich nicht, aber schwören mußt du mir —

      Glauben Sie noch an Schwüre, Herr Graf? frug sie, den Kopf erhebend, doch ohne ihn anzusehen. An meine Schwüre? setzte sie höhnisch hinzu.

      Auch gut, erwiderte er, deine Unkenntniß der Sprache bürgt mir für deine Unschädlichkeit, und allem Uebrigen werde ich vorzubeugen wissen. Er trat zur Thüre, die er öffnete, und Thomasʼ Mutter, welche draußen gewartet hatte, trat jetzt herein. Sorget für sie, sagte er ihr in deutscher Sprache, auf die Fremde weisend; dann blickte er noch einmal um: Gott behüte dich! sagte er wieder auf französisch. Sie hatte das Gesicht in die Hände gelegt und rührte sich nicht. Er verließ das Gemach und trat in den Garten hinaus. In tiefen Gedanken blieb er hier stehen, die Hand an die Stirne gelegt. Es wird schwer sein, sie zu bändigen, sagte er endlich vor sich hin, als glaube er sich allein.

      Sie ist krank, versetzte Thomas, der ihm gefolgt war, sehr krank, die Paar Jahre haben schrecklich an ihr gezehrt.

      Nichts konnte mir ungelegener kommen, als diese Verheirathung des Arztes; und sie einem Andern anvertrauen – nein, das ging auch nicht an! – Er schwieg und versank von Neuem in Gedanken.

      Wer weiß, wie bald die letzte Lösung kommt, sagte Thomas halb zögernd. Der Graf antwortete nicht. Ihr kennt meinen Willen! sagte er dann, sich gegen seinen Diener wendend.

      Sie kennen mich ja, gnädiger Herr. Der Graf nickte, reichte ihm die Hand, und ohne weitere Worte schieden sie.

      Im Schlosse angekommen, lief Otto allein dem zurückkehrenden Vater entgegen. Wo ist Leonie? sagte dieser, sich nach ihr umsehend, und jetzt erst wurde das kleine Mädchen vermißt. Man rief und suchte, und die ganze Dienerschaft gerieth in Aufregung. Der Graf runzelte die Stirne und ging mit verschränkten Armen ungeduldig im Hofe auf und ab. Das Fräulein ist gern im Pfarrhause, vielleicht behielt die Pfarrerin sie über Nacht, sagte der Verwalter zu ihm. Man soll hingehen und sie zurückbringen, wenn sie dort ist, befahl der Graf. Da kam der Pfarrer selbst daher, um seinen Gutsherrn bei der Rückkehr zu begrüßen. Das Kind sei nicht bei ihm, versicherte er. Alle sahen sich bestürzt an.

      Sie streift gerne herum, meinte der Pfarrer besorgt, sie hat sich wohl gar verirrt.

      So müssen wir sie suchen! rief der Graf und schritt selbst nach dem Stalle, aus welchem schon sein Pferd vorgeführt ward. Alles lief hin und her, Otto wollte mit, und der Pfarrer hielt ihn nur mit Mühe zurück. In dieser Unruhe trat plötzlich Leonie, erhitzt und athemlos, unter das Thor des Hofes. Sie erblaßte, als sie in dem Gewühle ihren Vater hoch zu Pferde sah. Sie hatte gehofft, vor ihm nach Hause zu kommen, aber in der Eile und der Dunkelheit einen Pfad mit dem andern verwechselt. Der Graf sprang vom Pferde und trat zu ihr: Wo warst du? sagte er, seine Hand fest auf ihre Schultern legend.

      Sie sah mit den unergründlichen Augen zu ihm auf: Ich war spazieren, antwortete sie mit zitternder Stimme, die jedoch fester wurde in dem Maße, als sie ihre Fassung wieder gewann; ich war spazieren im Felde und verlor den rechten Weg.

      In des Grafen Brust stieg in diesem Augenblicke eine Wallung gegen das Kind auf, als könne er es zerdrücken; er fühlte, daß seine Hand schwerer wurde auf ihrer Schulter, und er zog sie unwillkürlich zurück.

      Solche Irrfahrten kannst du ein andermal unterlassen, sagte er kalt und wandte sich ab.

      Wie ein Pfeil schoß sie von ihm fort und athmete erst in ihrem Zimmer wieder frei auf.

      Was weiter geschah, haben wir schon erzählt. Des Dorfes Neugierde wurde rege, und Otto blieb natürlich nicht frei. Als alle seine Fragen von Thomas nichts herausbrachten, als einige Grobheiten, die dem Grafensohn schwer zu verdauen waren, wandte er sich endlich um Erklärung an seinen Vater selbst.

      Wer ist die fremde Frau, die bei dem Thomas wohnt? frug er ihn eines Tages mit der ihm eigenen Offenheit, die einen der besten Züge in seinem guten, liebenswürdigen Charakter bildete.

      Kümmre dich nicht um fremder Leute Angelegenheiten, war des Grafen barsche Antwort.

      Allein Otto war des Vaters Liebling und hatte allen Muth eines solchen.

      Die Leute sagen aber, daß du sie kennst, Papa, fuhr er unerschrocken fort.

      Diesmal erblaßte der Graf und wandte sich so jählings gegen den Knaben, daß dieser zusammenfuhr.

      Hörst du noch nicht mit dieser Dummheit auf? rief er zornig. – Und höre, fuhr er fort, indem er sich bezwang, der Thomas beklagt sich, daß du sein Haus umlagerst wie ein Dieb und ihm beständig auf dem Halse liegst; wenn mir noch etwas dergleichen zu Ohren kommt, so werde ich mich erinnern, wo unser Herrgott die Ruthe hat wachsen lassen, – das merke dir! —

      Er verließ das Zimmer, und Ottoʼs Stirne zog sich trotzig zusammen; des Thomas Angeberei lenkte indessen seine Gedanken von des Vaters unerklärlicher Heftigkeit ab.

      Der


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