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Eure Wege sind nicht meine Wege. Hermine WildЧитать онлайн книгу.

Eure Wege sind nicht meine Wege - Hermine Wild


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aber sie schlug die Augen auf und sah ihr junges Fräulein, vom raschen Laufe erhitzt, mit wirrem Haar und wunderschön, wie ein Lichtgebilde, mitten im verdunkelten Zimmer stehen. Die Kranke stand aufrecht, wie von neuer Lebenskraft beseelt. Mein Kind! – rief sie und streckte der Eintretenden beide Arme entgegen.

      War es die Stimme des Blutes, die mit überwältigender Macht zu dem Herzen des jungen Mädchens sprach? Wie Strahl und Blitz schlug es in sie ein, sie wußte, wem sie gegenüberstand, und hatte sie doch nie gekannt. – Meine Mutter! rief sie laut und stürzte mit mächtiger Bewegung der Wiedergefundenen an die Brust. Aber es war zu viel für die schwindende Kraft der schwachen Frau, und sie sank erschöpft in ihren Sessel zurück, während Leonie in bebender Ueberraschung an ihr nieder auf die Kniee glitt.

      Unterdessen hatte sich die alte Bäuerin allmählich von ihrem Staunen erholt; der strenge Befehl des Grafen fiel ihr ein und zugleich die Angst für ihren Sohn. – Ach, Fräulein Leonie, wo kommen Sie her? jammerte sie und faßte des Fräuleins Arm mit ihren zitternden Händen, sie wo möglich von der Kranken wegzuziehen. Herr Gott! was wird der Herr Graf sagen! Ach, gnädiges Fräulein, haben Sie Mitleid mit mir und meinem Sohne, der nicht zu Hause ist! – Aber mit einer ungeduldigen Geberde machte Leonie sich von ihr los, und rathlos sank die alte Frau auf ihren Stuhl zurück.

      Mit freudestrahlendem Auge betrachtete indessen die Kranke das junge Mädchen, das neben ihr auf die Kniee gesunken war. Ja, du bist mein Kind, meine Tochter! meine einzige Tochter! mein Eigen, mein süßes Eigenthum! und leidenschaftlich küßte sie des Mädchens Stirn, Haare und Hände, die sie fest an ihren Busen geschlossen hielt.

      O meine Mutter, warum das Alles? rief Leonie; aber der Ausruf verhallte ungehört, der Kranken ganzes Leben schien nur noch in ihren Augen zu liegen.

      Laß dich anschauen! sagte sie leise, aber mit aller tiefen Glut ungesättigter Leidenschaft, laß dich anschauen! Laß mich sehen, wie schön du bist! O du bist schön! Du mußtest es ja sein. – Er war es auch. – O nur einen Zug des Lebens laß mich aus deinen Augen trinken, an deinen Lippen hängt ja der volle Becher! Einen Tropfen nur von dem Ueberfluß, der deiner Jugend entflieht! O du bist glücklich! – Sei es – aber vergiß deine Mutter nicht!

      Die furchtbare Aufregung fing an, sich zu legen, sie schloß die Augen und lehnte den matten Kopf an die Polster zurück. Leonie drückte zitternd das Gesicht in die Kleider der Sterbenden.

      Düstere Gedanken schienen bei dieser die Aufwallung der ersten Freude nach und nach zu verdrängen; die dunklen, geisterhaften Augen öffneten sich von Neuem und hefteten sich mit verzehrendem Feuer auf die bebende Leonie. – Fürchte dich nicht, sagte sie endlich, und ihre Stimme klang hohl, sieh mich an – die Minuten sind mir gezählt – sieh deine Mutter an, bevor du sie auf ewig verlierst. – Deine Mutter, die der langen Marter endlich erliegt. – Ja, auch ich war einst schön und jung wie du, aber es war Einer da, der stärker war als ich – und der mich zertrat, bis ich das geworden bin, – was du jetzt an mir siehst. Aber du wirst mich rächen; Jahrelang habe ich nach diesem Augenblicke gelechzt, daß ich nicht sterben konnte ohne ihn. – Und du bist mein eigen Kind – ich habe mich nicht getäuscht, – und dein soll die Rache sein, daß ich mich noch im Grabe freuen kann! – Schwöre deiner Mutter, daß du sie rächen willst! – Schwöre! wiederholte sie fast tonlos und mit drohend erhobenem Finger, als das junge Mädchen sprachlos und bleich mit großen, schreckenvollen Augen zu ihr aufsah!

      Da wurde die Thüre aufgerissen. Leonie! rief es laut, und ein gleichzeitiger Schrei der drei Frauen gab Antwort auf den Ruf. Es war der Graf, der eingetreten war. Leonie! wiederholte er, und in seinem Tone rangen Zorn und Schrecken um die Oberhand. Rasch ging er auf sie zu, aber mit einem wüthenden Blicke warf sich, die Kranke in die Höhe und schlug beide Arme über das junge Mädchen zusammen. Was willst du? rief sie, Diese ist mein, du hast keinen Theil an ihr.

      Dein Platz ist nicht hier, Leonie, sagte jetzt der Graf mit wiedergewonnener Ruhe; entferne dich.

      Mechanisch erhob sie sich, um zu gehorchen; aber es war nur ein flüchtiger Augenblick, und wenn der Graf die düstere Leidenschaftlichkeit dieser verschlossenen Natur nicht in ihrem richtigen Maß schon früher erkannt, so bot sich ihm jetzt die Gelegenheit dazu. Regungslos stand sie vor ihm und sah ihm zum ersten Male furchtlos in die Augen in einem starren, finsteren Trotze, in dem ihre zarte Gestalt weit über natürliche Größe emporzuwachsen schien. – Ich bleibe! sagte sie leise, aber fest. Ein heiseres Lachen klang durch das Zimmer; es war die Kranke, die triumphirend zu dem Grafen hinübersah.

      Seine Augen blitzten, und eine dunkle Röthe bedeckte seine Stirne. Doch noch einmal bezwang er sich, er trat dem Lehnstuhle näher, in welchem die Kranke lag, und legte seine Hand auf Leonieʼs Haupt.

      Ich werde sie beschützen, selbst gegen dich, sagte er. Was du ihr sagen willst, paßt nicht für ein so junges Ohr. Er sah nur den Blick der Kranken, es war ihre einzige Antwort, aber dieser Blick war eben so lauernd, entschlossen und kalt, als er ihn nur je in der vollen Kraft des Lebens an ihr gesehen. Einen Augenblick dachte er daran, das Mädchen mit Gewalt fortbringen zu lassen, aber eben so schnell gab er den Gedanken wieder auf. Seine Gestalt hob sich höher, sein zürnender Blick begegnete fest dem ihrigen.

      Gut, so werde ich reden, fuhr er mit langsamer Betonung fort, und dann wähle zwischen mir und dir. Da ging eine merkwürdige Veränderung mit der Kranken vor; ihr Auge schien vor dem des gehaßten Mannes zurückzuweichen, das stechende Feuer, das ihn daraus angeglüht, erlosch nach und nach, sie schlug die bleichen Hände zitternd vor das Gesicht. Geh, hauchte sie fast tonlos, geh, Leonie, es ist besser so! und sie zog sich immer tiefer in den Lehnstuhl zurück, als schauere sie vor einem entsetzlichen Gebilde ihrer Phantasie.

      Zögernd blickte das junge Mädchen zu ihr auf. Da trat der Graf hinzu, hob sie fast mit Heftigkeit von der Erde, zog sie zurück und hielt sie an seiner Seite fest. Die Augen der Sterbenden folgten ihm mit einem furchtbar angstvollen Blicke. Jetzt wendete er sich wieder zu ihr.

      Du hast keinen Priester sehen wollen, daß er die Qualen deiner Seele zur Ruhe spreche, obgleich ich dich wiederholt darum bitten ließ. Nun bin ich selbst gekommen, dir ein Wort der Versöhnung mitzugeben in die letzte Heimath, zu welcher du nun gehst. Möge der Himmel dir ein milder Richter sein! Du weißt, ich habe dir längst verziehen.

      Da blitzten die Augen der Unglücklichen zornglühend auf. Ich will keine Verzeihung, schrie sie laut, daß es in dem Zimmer widerhallte und Jeder entsetzt von ihr zurückwich, was habe ich mit dem Himmel zu thun? Was brauche ich deine Verzeihung? Ich fühle keine Reue – was ich that, ich thäte es wieder. – O, daß es nicht gelungen ist! Jede Freude hast du mir genommen, jede Lust des Lebens hast du mir zerstört. – Fluch dir! – Fluch Allen, die in meinem Wege standen! Weg mit deiner Verzeihung! Dem Schicksal fluche ich, das mich zertrat – und Rache – Rache – ja, Rache – Die Kräfte versagten ihr, und sie sank bewußtlos zurück. Auf ein Zeichen des Grafen wurde Leonie halb ohnmächtig hinausgebracht.

      Er ließ einen Wagen kommen und fuhr mit ihr nach dem Schlosse zurück. Noch bevor er das Haus verließ, war Alles beendet, und die unglückliche Frau hatte die Ruhe gefunden, die ihr auf dieser Erde so lange Zeit gefehlt.

      Gleich nach ihrer Rückkehr auf das Schloß zog sich Leonie in ihr Zimmer zurück. Kein Wort war seit dem furchtbaren Vorgang über ihre Lippen gekommen; sie schüttelte verneinend den Kopf, als der Graf ihr rieth, die Kammerfrau bei sich wachen zu lassen, und er kam selbst ein paar Mal während der Nacht, nach ihr zu sehen. Aber sie lag, ohne sich zu rühren, und er erhielt weder Blick noch Wort. Die Einsamkeit und Stille der Nacht thaten ihr wohl. Alles brannte und tobte in ihr, und der Schritt ihres Vaters ging wie ein scharfer Messerstich durch ihr Gehirn. Dennoch saß sie am folgenden Morgen angekleidet und äußerlich gesammelt, als wäre Nichts geschehen, an ihrem Platze bei dem Frühstücktisch. Der Graf machte keine Bemerkung, nur sagte er nach dem kurzen Mahle: Ich habe mit dir zu sprechen, und schweigend folgte sie ihm auf sein Zimmer. Setze dich! sagte er, und sie gehorchte seinem Befehl. Ihr gegenüber nahm er Platz.

      Es sind diese Nacht Dinge vorgefallen, sagte er mit einem tiefen Ausdruck von Ernst, Trauer und Besorgniß, wie Leonie nie an ihm gesehen, es sind Dinge vorgefallen, die zu verhindern seit Jahren mein stetes Bemühen war. Welchen Eindruck sie auf dich gemacht, ist mir nicht möglich zu ermessen, und ich kenne dich genug, um zu


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