Memoiren einer Favorite. Александр ДюмаЧитать онлайн книгу.
derselben zu sein schien.
Mein Körper war bis dahin rein geblieben, wenn auch die Durchsichtigkeit meiner Seele schon getrübt war. Meine Schönheit besaß jenen Sammethauch unbestreitbarer Unschuld, welche selbst in der nackten Venus Achtung gebietet. Mit einem Worte, ich säete schon das Feuer, aber ich verbrannte noch nicht.
Einen Teil der Nacht brachte ich damit zu, daß ich vor einem kleinen Spiegel, in dem ich kaum den fünften oder sechsten Teil meiner Person sehen konnte, deklamierte und gestikulierte.
Am nächstfolgenden Tage fragte Mistreß Plowden, entweder aus Naivetät oder aus Ironie, ob ich die Gewohnheit hätte, laut zu träumen, denn meine Zimmernachbarn hätten sich beschwert, daß ich sie im Schlafe gestört. Sie bat mich daher, möchte ich nun schlafend oder wachend träumen, den Klang meiner Stimme ein wenig zu mäßigen.
Dies hieß mit anderen Worten mir befehlen, der einzigen wirklichen Freude zu entsagen, welche mir, seitdem ich auf der Welt war, beschieden gewesen.
Ich setzte meine nächtlichen Studien fort, natürlich mit gedämpfter Stimme. Mein großer Traum wäre damals gewesen, mich einem Theaterdirektor vorzustellen und mich von ihm engagieren zu lassen.
Ich dachte daran, Mr. Sheridan empfohlen zu werden. Ich hatte seinen Namen nicht vergessen, obschon ich damals noch keinen Begriff von der Berühmtheit hatte, die sich daran knüpfte. Wie solle ich aber eine solche Bitte an Mr. Hawarden stellen? Woher sollte ich den Mut nehmen, ihm zu sagen, daß ich Mr. Plowdens Kaufladen mit dem Theater, daß ich den geraden Weg, den er mir eröffnet, mit dem krummen vertauschen wollte, den er mir zu verschließen geglaubt? Ich fühlte, daß ich diesen Mut, diese Kraft niemals haben würde.
Was sollte ich tun?
Warten, das heißt mich auf eins oder das andere jener seltsamen Ereignisse verlassen, welche plötzlich die Zukunft eines Lebens verändern, und mich in dem Schiffbruche an die dünne Planke der Hoffnung anklammern.
So vergingen vierzehn Tage, vielleicht die schmerzlichsten, welche ich bis damals zugebracht.
Ich war seit etwas länger als einem Monat bei Mr. Plowden und erlitt seit ungefähr vierzehn Tagen die Qualen, welche ich soeben zu schildern versucht, als eine elegante Equipage vor der Tür des Kaufladens hielt und ein Lakai in perlgrauer und kirschroter Livree die Tür des Wagens öffnete, aus welchem eine wunderbar schön gekleidete Dame stieg.
Als ich meinen Blick auf diese Dame warf, war ich nahe daran, einen lauten Schrei auszustoßen. Es war Miß Arabella!
Mit ihrem stolzen, entschiedenen Schritt trat sie in den Kaufladen. Es war, als sähe man die Göttin der Mode und des Reichtums, oder noch besser gesagt Fortuna in eigener Person.
Sie sah mich sofort, und ihr Blick kreuzte sich mit dem meinigen, keine Muskel ihres Gesichtes aber verriet, daß sie mich erkannte.
Es setzte mich dies durchaus nicht in Erstaunen. Ohne Zweifel hatte man vergessen, ihr meinen Namen zu geben. Sie glaubte, wenn sie sich nämlich meiner überhaupt noch erinnerte, jedenfalls, ich sei noch in Wales, und das einzige, was ihre Blicke, als sie mich in London in einem Bijouterieladen des Strand bei Mr. Plowden fand, auf meine Person lenken konnte, war ein durch die Ähnlichkeit hervorgerufenes Erstaunen.
Dieses Erstaunen gab sich aber auf keinerlei Weise kund. Sie ließ sich mehrere Schmucksachen zeigen, und obschon ich mit dieser Vorzeigung beauftragt ward, so sprach sie doch mit mir wie mit einer Person, die ihr vollkommen unbekannt gewesen wäre. Ihre Wahl richtete sich auf einen Schmuck von Smaragden und Diamanten, dreitausend Pfund an Wert.
Nachdem sie ihre Wahl getroffen, sagte sie:
»Schicken Sie mir heute nachmittags fünf Uhr diesen Schmuck mit der quittierten Rechnung in mein Hotel.«
Zugleich sah sie mich an, und setzte dann zu Mr. Plowden gewendet hinzu:
»Schicken Sie diese junge Dame.«
Ich fühlte wie ein Schauer meinen ganzen Körper durchrieselte. Mr. Plowden antwortete, ihr Wunsch werde pünktlichst, erfüllt werden, und geleitete sie dann mit einer Menge Komplimenten und Verbeugungen wieder nach ihrem Wagen zurück.
»Diese junge Dame und keine andere,« sagte Miß Arabella nochmals, ehe sie m den Wagen stieg. »Verstehen Sie, Mr. Plowden? Wenn Sie mir jemand anders schicken, so bezahle ich Ihnen Ihren Schmuck nicht bloß nicht, sondern sende Ihnen denselben zurück, um nie wieder etwas bei Ihnen zu kaufen.«
»Seien Sie unbesorgt, Mylady,« sagte Mr. Plowden, »es soll alles geschehen, wie Sie befehlen.«
Miß Arabella winkte mit der Hand, und der Wagen fuhr in scharfem Trabe davon.
Ich stand da, wie vernichtet. Das unerwartete Ereignis, welches ich angerufen, ohne es auch nur bestimmt bezeichnen zu können, war, gleich jener durch den Stab eines Zauberers improvisierten magischen Erscheinungen, sofort herbeigeeilt. Ich hatte nicht Miß Arabella gesucht, sondern Miß Arabella hatte mich gefunden. Was auch die Folge dieser Begegnung sein mochte, so ward ich dem Mr. Hawarden gegebenen Wort keinesfalls untreu.
Abends um fünf Uhr ließ Mr. Plowden eine Droschke holen, denn er fand es nicht geraten, mich mit einem Schmucke von diesem Werte allein durch die Straßen von London gehen zu lassen. Es war die entscheidende Stunde, und es fand in mir ein heftiger Kampf statt. Ich war nahe daran, Mr. Plowden zu bitten, mir die Versuchung zu ersparen, der Versucher war aber in meiner Seele und behielt die Oberhand.
In Oxfordstreet Nr. 23 machte der Wagen Halt. Ich erkannte das Hotel mit dem Schweizer unter dem Tor und dem Garten im Hintergrund wieder. Der Schweizer zog mit jener wichtigen Miene, die er nie ablegte, die Klingel. Die Zofe erschien. Ich sagte, daß ich im Auftrag von Mr. Plowden käme, und ich hörte, daß bereits Befehl erteilt war, mich sofort vorzulassen.
Miß Arabella befand sich in einem kleinen Boudoir mit himmelblauen Atlastapeten und in Gold und Weiß gemalter Decke. Sie trug ein reiches türkisches Frauenkostüm mit Zechinenkopfputz und ein goldgesticktes Mieder von kirschrotem Sammet, welches einen Teil der Brust sehen ließ; ihre nackten Füße staken in orientalischen Pantoffeln, welche kirschrot und mit Gold gestickt waren wie der Gürtel.
So saß oder lag sie vielmehr auf schwellenden Polsterkissen. Sie befahl Mistreß Norton, ihrer Zofe, die Tür hinter mir zu schließen, und mich mit ihr allein zu lassen.
»Mylady,« sagte ich mit zitternder Stimme und ohne daß ich gewagt hätte die Augen zu ihr aufzuschlagen, »hier ist der Schmuck, den Sie bei Mr. Plowden ausgewählt, und die Rechnung, welche Sie verlangt. Mr. Plowden läßt Ihnen sagen, daß er die Rechnung nicht beigefügt haben würde, wenn Sie es nicht ausdrücklich verlangt hätten.«
Sie unterbrach mich.
»Also Sie sind es wirklich, Sie kleine Undankbare?« sagte sie. »Kommen Sie einmal her.«
Die Schönheit hat auf mich stets eine unwiderstehliche Gewalt ausgeübt, und die Miß Arabellas war wirklich blendend zu nennen.
Ich näherte mich ihr, kniete vor ihr nieder, wie ich vor der Göttin Venus zu der Zeit, wo die Götter auf Erden wandelten, getan haben würde, wenn ich ein junges Mädchen von Gnyda oder Paphos gewesen wäre.
»O Mylady,« sagte ich ganz überwältigt, »Sie tun mir unrecht. Mein erster Besuch in London war bei Ihnen. Um Ihnen zu gehorchen, um Ihnen auf meinen Knien zu dienen, wie ich in diesem Augenblicke tue, war ich nach London gekommen. Man hat Ihnen jedenfalls auch meinen Namen zugestellt, aber ohne Zweifel haben Sie ihn selbst vergessen.«
»Kommen Sie her!« sagte Miß Arabella nochmals.
Zugleich faßte sie mich bei der Hand, und ließ mich neben ihr auf dem Kissen Platz nehmen.
»Sie sehen doch,« fuhr sie dann fort, »daß ich Sie nicht vergessen, denn ich habe Sie ja bis in den Kaufladen dieses abscheulichen Plowden verfolgt. Warum sind Sie aber nicht wieder einmal hierher zu mir gekommen?«
Ich schlug die Augen nieder, denn ich stand im Begriff zu lügen. »Ich fürchtete, Sie wären noch nicht nach London zurück,« sagte ich.
»Aber warum haben Sie dann bei Mr. Hawarden verboten, daß man mir Ihre Adresse gebe?«
»O, das habe ich niemals