Ritter von Harmental. Александр ДюмаЧитать онлайн книгу.
gebildet, welche Eugene und Albemarie, in ihrem voreiligen Stolze, die »Landstraße nach Paris« nannte. Villars beschloß, Denain durch Ueberrumpelung einzunehmen, den Albemarie zu schlagen, und alsdann Eugene zu bekämpfen.
Um ein so außerordentlich kühnes Unternehmen zu vollbringen, mußte nicht bloß der Feind, sondern auch die französische Armee getäuscht werden; der Erfolg dieses coup de main lag eben in dessen scheinbarer Unmöglichkeit.
Villars sprach daher laut seine Absicht aus, die Linien von Landrecies zu durchbrechen.
In einer bestimmten Stunde der Nacht brach sein ganzes Heer in dieser Absicht auf. Plötzlich aber erfolgt der Befehl, sich links abzuwenden. Drei Brücken werden in der Eil geschlagen. Villars passiert den Fluß, durchzieht Sümpfe, die man für ungangbar hielt, und wo dem Soldaten das Wasser bis zum Gürtel ging. Er erscheint wie ein Blitz vor den ersten Redouten, er nimmt sie fast ohne Flintenschuß, er wirft eine Befestigung nach der andern über den Haufen, erreicht Denain, durchschreitet den Graben, der es umgiebt, dringt in die Stadt und trifft dort auf dem Marktplatze seinen jungen Schützling, den Ritter von Harmental, welcher ihm den Degen Albemaries bringt, den er zum Gefangenen gemacht hat.
In diesem Augenblick wird Eugens Ankunft verkündet. Villars wendet sich schnell, langt vor ihm auf der Brücke an, die er passiren muß, fast Posto auf derselben und erwartet den Feind. Jetzt beginnt die wirkliche Schlacht, denn die Einnahme von Denain war nur ein Scharmützel. Eugene versucht Angriff auf Angriff; siebenmal wirft er eine besten Truppen der Artillerie und den Bayonetten entgegen, welche die Brücke vertheidigen; endlich, seine Kleider von Kugeln durchlöchert, sein Blut aus zwei Wunden dahinströmend, besteigt er sein drittes Pferd; der Sieger bei Hochstedt und Malplaquet zieht sich endlich zurück, indem er vor Zorn Thränen vergießt. Um sechs Uhr hat alles eine andere Gestalt angenommen: Frankreich ist gerettet und Ludwig XIV. wieder Ludwig der Große!
Harmental hatte sich betragen, wie jemand, der sich durch eine einzige That die Rittersporen verdienen will. Villars, der ihn mit Staub und Blut bedeckt, sieht, erinnert sich, wer ihn empfohlen. Er ließ ihn zu sich rufen, während er noch auf dem Felde der Schlacht den Bericht über dieselbe auf einer Trommel schrieb. Als er Harmental in der Nähe erblickte, hielt er einen Augenblick mit Schreiben inne und fragte: »Sind Sie verwundet?«
»Ja, Herr Marschall, aber so leicht, daß es nicht der Mühe werth ist, davon zu reden.«
»Fühlen Sie sich kräftig genug, sechzig Lieues zu Pferde zurückzulegen, und zwar im schnellsten Lauf, ohne sich auch nur eine Minute Rast zu gestatten.«
»Ich fühle mich zu allem kräftig, sobald es der Dienst des Königs und der Ihre verlangt.«
»So machen Sie sich unverzüglich auf den Weg. Eilen Sie zur Frau von Maintenon, erzählen Sie ihr Alles, was Sie mit Ihren eigenen Augen gesehen, und kündigen Sie im voraus den Courier an, der den Bericht über die gewonnene Schlacht überbringen wird. Will Frau von Maintenon. Sie zum Könige führen, so lassen Sie das geschehen.«
Harmental begriff die ganze Wichtigkeit des ihm geworbenen Auftrags, und staub- und blutbedeckt, wie er war, warf er sich, ohne die Kleider zu wechseln, auf ein frisches Pferd und sprengte auf die nächste Post; zwei Stunden darauf war er in Versailles. Villars hatte vorausgesehen, was sich ereignen würde. Bei den ersten Worten, die den Lippen des jungen Mannes entflogen, erfaßte Frau von Maintenon seinen Arm und führte ihn zum Könige. Der Monarch arbeitete gegen seine Gewohnheit mit Voisin in seinem Zimmer, denn er war ein wenig unwohl. Frau von Maintenon öffnete die Thür, führte Harmental zu den Füßen des Königs und rief mit zum Himmel emporgehobenen Händen: »Sire, danken Sie dem Ewigen, denn Sie wissen, daß wir nichts durch uns selbst sind, und daß alle Gnaden nur von Gott kommen.«
»Was gibts denn, sprechen Sie mein Herr!« rief Ludwig XIV., auf den jungen Mann blickend, der vor ihm knieete, den er aber nicht kannte.
»Sire, entgegnete der Chevalier, das Lager bei Dedain ist erobert, der Graf Albemarie ist zum Gefangenen gemacht, der Prinz Eugen ist auf der Flucht und der Marschall Villars legt seinen Sieg Ew, Majestät zu Füßen.«
Trotz der Gewalt, die er über sich selbst besaß, erblaßte Ludwig XIV. dennoch; er fühlte, daß seine Kniee schwankten, und er erfaßte den Tisch, um nicht in seinen Lehnsessel zurückzusinken.
»Was fehlt Ihnen Sire?« fragte Frau von Maintenon, indem sie sich ihm näherte.
»Ich fühle Madame, daß ich Ihnen alles verdanke,« entgegnete Ludwig XIV.,« Sie retten den König, Ihre Freunde retten das Königreich.
Frau von Maintenon neigte sich und küßte ehrfurchtsvoll die Hand des Monarchen. Ludwig XIV. trat darauf, noch immer bleich und tief bewegt, hinter den großen Vorhang, der den Salon von einem Schlafzimmer trennte, und deutlich hörte man ihn dort mit leiser Stimme ein Dankgebet sprechen. Bald darauf trat er wieder hervor, ruhig und ernst, so als ob nichts vorgefallen wäre. »Jetzt mein Herr,« sprach er, »erzählen Sie mir umständlich, was sich alles zugetragen hat.«
Harmental stattete nunmehr einen ausführlichen Bericht von jener merkwürdigen Schlacht ab, welche Frankreich gerettet hatte. Als er geendet hatte, fragte Ludwig XIV.: »Und von sich selbst, Herr, erzählen Sie nichts? Und dennoch sind Sie, wenn ich anders nach Ihren blutbefleckten und staubigen Kleidern urtheilen soll, nicht müßig geblieben?«
»Sire, ich that, was ich vermochte, erwiderte der junge Mann, mit ehrfurchtsvoller Verbeugung, »wenn übrigens von mir etwas zu berichten ist, so überlasse ich, mit Ew. Majestät Erlaubniß, dies dem Marschall von Villars.«
»Gut gesprochen, junger Mann, und sollte er es zufällig vergessen, so werden wir uns Ihrer erinnern.« Harmental zog sich freudeerfüllt zurück. Frau von Maintenon begleitete ihn bis zur Thür. Der Chevalier küßte ihr ehrerbietig die Hand, und beeilte sich alsdann Nahrung zu sich zu nehmen und der Ruhe zu pflegen; denn er hatte seit vierundzwanzig Stunden nichts genossen und nicht geschlafen.
Bei einem Erwachen ward ihm ein Päckchen überreicht, welches von dem Kriegsministerium für ihn eingegangen war, dasselbe enthielt seine Bestallung als Obrist. Zwei Monate darauf ward der Friede geschlossen; Spanien verlor die Hälfte seiner Monarchie, Frankreich aber blieb unangetastet. –
Ludwig XIV. starb und der Hof theilte sich in zwei verschiedenartige und unversöhnliche Partheien. Das Haupt der einen, der der Bastarde, war der Herzog von Maine, das der legitimen Prinzen, der Herzog von Orleans. Hätte der Herzog von Maine die Ausdauer, den kräftigen Willen und den Muth seiner Gemahlin Louise Benedicte von Condé besessen, er würde vielleicht den Sieg davon getragen haben, da er sich auf das königliche Testament stützen konnte; aber er hätte sich dann öffentlich vertheidigen müssen und der Herzog von Maine, schwach an Geist und Herz taugte nur für Dinge, die sich unter der Hand abmachen ließen. Er ward offen angegriffen und seine geheimen Schleichwege und Kunstgriffe wurden ihm nutzlos. Eines Tages ward, er und zwar fast ohne Kampf von der Höhe herabgestürzt, auf welche ihn die blinde Liebe des alten Königs gehoben hatte. Sein Fall war schwer und schmachvoll, er zog sich zurück, überließ die Regentschaft seinem Nebenbuhler und behielt von allen seinen Würden nichts, als die Oberaufsicht über die Erziehung der königlichen Kinder, den Befehl über die Artillerie und den Vortritt vor den Herzögen und Pairs.
Das Dekret des Parlaments versetzte dem alten Hof einen furchtbaren Schlag. Der Pater Letellier kam, seiner Verbannung zuvor, Frau von Maintenon flüchtete nach Saint-Cyr, und der Herzog von Maine zog sich nach der schönen Villa von Sceaux zurück.
Der Ritter von Harmental, als allerdings dabei interessirter aber dennoch ruhiger Zuschauer, hatte alle diese Intriguen mit angesehen, und immer darauf gewartet, daß sie eine Wendung nähmen, die ihm gestattete, daran Theil zu nehmen. Hätte es einem offenen Kampfe gegolten, so hätte er sich natürlich der Parthei angeschlossen, zu der ihn die Dankbarkeit trieb. Zu jung und noch zu keusch in der Politik, wenn wir uns anders dieses Ausdruckes bedienen dürfen, um stets den Mantel nach dem Winde zu hängen, blieb er dem Andenken des alten Königs und den Ruinen des alten Hofes getreu. Seine Abwesenheit vom Palais Royal, um welches jetzt alles herumkroch, das gern eine Rolle spielen wollte, ward als eine Widersetzlichkeit von seiner Seite ausgelegt, und eines Morgens empfing er demnach einen Beschluß, der seine Bestallung als Obrist zurücknahm.
Harmental