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Der Müller von Angibault. Жорж СандЧитать онлайн книгу.

Der Müller von Angibault - Жорж Санд


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von Blanchemont war in den Augen der Familie Bricolin bis jetzt immer ein problematisches Wesen geblieben, welches man nie gesehen hatte und welches man sicherlich nie sehen würde. Ihren Mann hatte man gekannt, man hatte ihn aber nicht geliebt, weil er hochmütig war, nicht geachtet, weil er verschwenderisch, und nicht gefürchtet, weil er stets Geld bedurfte und sich dasselbe um jeden Preis zu verschaffen suchte. Seit er gestorben, hatte man geglaubt, man werde jetzt nur noch mit Geschäftsträgern zu tun haben, in Betracht nämlich, dass der Verstorbene, ein nicht sehr schmeichelhaftes Portrait von seiner Frau entwerfend, öfters geäußert hatte:

      »Frau von Blanchemont ist ein Kind, welche sich nie mit Geschäften befasst und nie fragt, woher das Geld komme, wenn es nur da ist.«

      Dabei ist noch zu bemerken, dass der gute Mann die Gewohnheit hatte, alle Verschwendung, welche ihm seine Maitreffen verursachten, auf Rechnung seiner Frau zu setzen. Man kannte demnach den wahren Charakter der jungen Witwe ganz und gar nicht, und Frau Bricolin glaubte zu träumen, als sie dieselbe plötzlich in Person mitten in den Pachthof von Blanchemont treten sah. War diese wunderliche Erscheinung für das Glück der Familie Bricolin von guter oder schlimmer Vorbedeutung? Kam sie, um Untersuchungen anzustellen und Rechenschaft zu fordern? Während die Pächterin, ihren verwirrten Gedanken überlassen, Marcelle musterte mit der Miene eines Bockes, der sich beim Anblick eines fremden Schäferhundes in Verteidigungszustand setzt, hatte Rose Bricolin, durch die liebliche Gestalt und das einfache Benehmen der Fremden schnell für sie eingenommen, den Mut gefasst, derselben einige Schritte entgegenzugehen.

      Indessen zeigte die Großmutter sich am unbefangensten. Nachdem die erste Überraschung vorüber war und sie ihren altersschwachen Kopf mit der Frage angestrengt hatte, was wohl hier zu tun sei, näherte sie sich Marcelle mit derber Offenheit und hieß sie beinahe mit den nämlichen Worten, wenn auch mit weniger Herzlichkeit und Artigkeit, wie die Müllerin von Angibault, willkommen. Ihre Schwiegertochter und Enkelin beeilten sich hierauf, ein wenig beruhigt durch die sanfte und wohlwollende Art, womit Marcelle sich für zwei oder drei Tage zu Gaste bat, während welcher sie, wie sie sagte, sich mit Herrn Bricolin über ihre Angelegenheiten unterhalten wollte, die junge Witwe zum Frühstück einzuladen. Die ablehnende Antwort Marcelles stützte sich auf das treffliche Frühmahl, welches sie eine Stunde zuvor in der Mühle von Angibault eingenommen und die Erwähnung dieses Umstandes lenkte endlich die Blicke der drei Damen Bricolin auf den großen Louis, der an der Türe stehen geblieben war und ein Gespräch über Mehl mit der Magd angeknüpft hatte, um einen Vorwand zu haben, ein wenig zu zögern. Der Ausdruck der drei Weiberblicke war ein sehr verschiedener. Der Blick der Großmutter war freundlich, der ihrer Schwiegertochter höchst verächtlich, der von Rose aber unbestimmt und unbeschreiblich, wie wenn sie innerlich von gemischten Empfindungen bestürmt worden wäre.

      »Wie«, schrie Frau Bricolin in beleidigendem und spöttischem Ton, nachdem Marcelle ihre Abenteuer während der vergangenen Nacht kurz geschildert hatte, »Sie sind also in der Mühle über Nacht geblieben? Und wir wussten nichts davon! Ei, warum hat Sie denn dieser Dummkopf von Müller nicht sogleich hieher gebracht? Ach, mein Gott, was für eine schlechte Nacht müssen Sie gehabt haben, gnädige Frau!«

      »Im Gegenteil eine ganz gute. Ich wurde behandelt, wie eine Königin, und bin Herrn Louis und seiner Mutter sehr verpflichtet.«

      »Das wundert mich nicht«, sagte die Großmutter, »die große Marie ist ja eine gar brave Frau und hält ihr Haus so reinlich! Sie ist eine Jugendgespielin von mir und wir haben, mit Ihrer Erlaubnis zu sagen, mitsammen die Schafe gehütet. Wir waren damals ein paar hübsche Märchen, obschon jetzt nichts mehr davon zu sehen ist, nicht wahr, gnädige Frau? Wir konnten weiter nichts, als spinnen, stricken und Käse machen, das war alles. Beim Heiraten gingen wir verschiedene Wege: sie nahm einen viel ärmern Mann, als sie war, und ich einen viel reicheren, als ich. Damals heiratete man sich nämlich noch aus Liebe, heutzutage aber heiratet man sich bloß noch aus Interesse, und die Taler vertreten die Stelle der Neigung. Es ist aber dadurch wohl nicht besser geworden, nicht wahr, gnädige Frau?«

      »Ich bin ganz Ihrer Meinung«, versetzte Marcelle.

      »Ei, Gott, Mutter, was schwatzt Ihr da an die gnädige Frau hin?« sagte die Pächterin verdrießlich. »Glaubt Ihr denn, Eure alten Geschichten werden ergötzlich für sie sein? He, Müller«, setzte sie in befehlshaberischem Ton hinzu, »geht doch und seht, ob Herr Bricolin in dem Kaninchengehege oder in seinem Haferfeld hinter dem Hause ist. Sagt ihm, er möchte herkommen, um die gnädige Frau zu begrüßen.«

      »Herr Bricolin«, entgegnete der Müller mit einem hellen Blick und einer Art munteren Trotzes, »befindet sich weder im Kaninchengehege noch auf dem Haferfeld, denn ich bemerkte im Vorübergehen, dass er mit dem Herrn Pfarrer im Pfarrhaus einen Schoppen oder eine Halbe aussticht.«

      »Ach ja«, sagte die Mutter Bricolin, »er wird wohl im Pfarrhof3 sein. Der Herr hat nach dem Hochamt immer großen Hunger und Durst und liebt es, wenn man ihm bei Befriedigung desselben Gesellschaft leistet. Louis, mein Sohn, sag’ mir, wärest du wohl so gefällig, ihn zu holen?«

      »Auf der Stelle«, erwiderte der Müller, welcher sich bei dem Befehl der Pächterin vorhin nicht von der Stelle gerührt hatte, und lief weg.

      »Wenn Ihr den da gefällig findet«, murmelte die Pächterin und warf ihrer Schwiegermutter einen zornigen Blick zu, »so seid Ihr nicht sehr wählerisch.«

      »O, Mama, das kann man nicht sagen«, bemerkte mit sanfter Stimme die schöne Rose, »der große Louis hat ein gutes Herz!«

      »Und was habt ihr denn mit seinem guten Herzen zu schaffen?« entgegnete die Pächterin mit wachsender Entrüstung. »Was habt denn ihr beide seit einiger Zeit mit ihm?«

      »Aber, Mama. Du behandelst ihn ja seit einiger Zeit so ungerecht«, erwiderte Rose, welche, des Schutzes der Großmutter gewiss, ihre Mutter nicht sehr zu fürchten schien. »Du schnautzest ihn immer so an und weißt doch, dass der Vater viel auf ihn hält.«

      »Und du noch mehr«, sagte die Pächterin, »geh’ und räume, anstatt zu räsonieren, lieber deine Kammer auf, welche das besteingerichtete Gemach im Hause ist. Die gnädige Frau wird vor dem Mittagessen noch ein wenig ausruhen wollen. Aber die gnädige Frau wird uns entschuldigen, dass sie bei uns nicht zum Besten logiert ist. Erst im vergangenen Jahre hat der selige Herr von Blanchemont seine Einwilligung gegeben, dass das neue Schloss, welches ebenso verfallen aussah wie das alte, ein wenig hergestellt werden solle, und erst seit der Erneuerung unseres Pachtes konnten wir anfangen, uns etwas besser einzurichten. Aber noch ist nichts fertig, die Zimmer sind noch nicht vollständig tapeziert und wir erwarten noch Möbeln und Betten, die von Bourges kommen sollen. Einiges ist auch schon angekommen, aber noch nicht ausgepackt. Sie finden uns überhaupt in einem rechten Wirrwarr, denn die Arbeitsleute haben alles drunter und drüber gemacht.«

      Die Unordnung im Innern des Hauses, welche Frau Bricolin in gemeldeter Weise eingestand, hatte die nämlichen Ursachen, wie die, welche Marcelle außerhalb des Hauses wahrgenommen hatte. Sparsamkeit mit Trägheit verbunden verhinderte die nötigen Ausgaben und schob den Augenblick, in welchem man sich eines Luxus, den man wünschte, den man vermochte und sich dennoch nicht zu gestatten wagte, erfreuen wollte, stets auf ungewisse Zeit hinaus.

      Das Gemach, in welchem man von der Besitzerin des Schlosses überrascht worden, war das unangenehmste und unreinlichste des neuen Schlosses, düster und verräuchert über und über. Es war zugleich Küche, Speisesaal und Wohnzimmer. Die Hühner hatten freien Zutritt, weil die Türe in den Hof beständig offenstand, und es war eine unaufhörliche Beschäftigung der Pächterin, dieselben hinauszujagen, wie wenn es für sie Bedürfnis gewesen, sich über das immer wiederkehrende Hereinkommen des Geflügels in Zorn zu versetzen. Man empfing hier auch die Bauern, mit welchen man jeden Augenblick dies und das abzumachen hatte, und da die kotigen Schuhe und das unachtsame Gebaren derselben den Boden und die Möbeln unausweichlich hätten beschmutzen müssen, so hatte man sich begnügt, plumpe Strohstühle und hölzerne Bänke auf die bloßen und täglich zehnmal umsonst abgeflößten Steinplatten zu stellen. Das Fliegengeschmeiß, welches in Scharen aus dem Hofe hereinfiel, und das Feuer, welches zu jeder Stunde und zu jeder Jahreszeit in dem ungeheuren, mit Kesselhaken von verschiedenster Größe gezierten Kamin brannte, machten dieses Gelass fast unausstehlich. Aber


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Es findet sich hier im Originale ein durch einen sprachlichen Irrtum der Mutter Bricolin veranlasstes Wortspiel zwischen presbytère und précipitère, welches im Deutschen verloren gehen musste. A. d. Übers.

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