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Die Verwirrungen des Zöglings Törless. Robert MusilЧитать онлайн книгу.

Die Verwirrungen des Zöglings Törless - Robert Musil


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Magerkeit des Körpers, – Beineberg selbst pflegte die stahlschlanken Beine homerischer Wettläufer als sein Vorbild zu preisen, – wirkte auf ihn durchaus nicht in dieser Weise. Törleß hatte sich darüber bisher noch nicht Rechenschaft gegeben und nun fiel ihm im Augenblicke kein befriedigender Vergleich ein. Er hätte Beineberg gern scharf ins Auge gefaßt, aber dann hätte es dieser gemerkt und er hätte irgendein Gespräch beginnen müssen. Aber gerade so, – da er ihn nur halb ansah und halb in der Phantasie das Bild ergänzte, – fiel ihm der Unterschied auf. Wenn er sich die Kleider von dem Körper wegdachte, so war es ihm ganz unmöglich, die Vorstellung einer ruhigen Schlankheit festzuhalten, vielmehr traten ihm augenblicklich unruhige, sich windende Bewegungen vor das Auge, ein Verdrehen der Gliedmaßen und Verkrümmen der Wirbelsäule, wie man es in alten Darstellungen des Martyriums oder in den grotesken Schaubietungen der Jahrmarktsartisten finden kann.

      Auch die Hände, die er ja gewiß ebensogut in dem Eindrucke irgendeiner formvollen Geste hätte festhalten können, dachte er nicht anders als in einer fingernden Beweglichkeit. Und gerade an ihnen, die doch eigentlich das Schönste an Beineberg waren, konzentrierte sich der größte Widerwille. Sie hatten etwas Unzüchtiges an sich. Das war wohl der richtige Vergleich. Und etwas Unzüchtiges lag auch in dem Eindrucke verrenkter Bewegungen, den der Körper machte. In den Händen schien es sich nur gewissermaßen anzusammeln und schien von ihnen wie das Vorgefühl einer Berührung auszustrahlen, das Törleß einen ekligen Schauer über die Haut jagte. Er war selbst über seinen Einfall verwundert und ein wenig erschrocken. Denn schon zum zweitenmal an diesem Tage geschah es, daß sich etwas Geschlechtliches unvermutet und ohne rechten Zusammenhang zwischen seine Gedanken drängte.

      Beineberg hatte sich eine Zeitung genommen und Törleß konnte ihn jetzt genau betrachten.

      Da war tatsächlich kaum etwas zu finden, das dem plötzlichen Auftauchen einer solchen Ideenverknüpfung auch nur einigermaßen hätte zur Entschuldigung dienen können.

      Und doch wurde das Mißbehagen aller Unbegründung zu Trotz immer lebhafter. Es waren noch keine zehn Minuten des Schweigens zwischen den beiden verstrichen und dennoch fühlte Törleß seinen Widerwillen bereits auf das äußerste gesteigert. Eine Grundstimmung, Grundbeziehung zwischen ihm und Beineberg schien sich darin zum ersten Male zu äußern, ein immer schon lauernd dagewesenes Mißtrauen schien mit einem Male in das bewußte Empfinden aufgestiegen zu sein.

      Die Situation zwischen den beiden spitzte sich immer mehr zu. Beleidigungen, für die er keine Worte wußte, drängten sich Törleß auf. Eine Art Scham, so als ob zwischen ihm und Beineberg wirklich etwas vorgefallen wäre, versetzte ihn in Unruhe. Seine Finger begannen unruhig auf der Tischplatte zu trommeln.

      – –   –   –   –   –   –   –   –   –   –   –   –  –

      Endlich sah er, um diesen sonderbaren Zustand loszuwerden, wieder zum Fenster hinaus.

      Beineberg blickte jetzt von der Zeitung auf; dann las er irgendeine Stelle vor, legte das Blatt weg und gähnte.

      Mit dem Schweigen war auch der Zwang gebrochen, der auf Törleß gelastet hatte. Belanglose Worte rannen nun vollends über diesen Augenblick hinweg und verlöschten ihn. Es war ein plötzliches Aufhorchen gewesen, dem nun wieder die alte Gleichgültigkeit folgte . . .

      »Wie lange haben wir noch Zeit?« fragte Törleß.

      »Zweieinhalb Stunden.«

      Dann zog er fröstelnd die Schultern hoch. Er fühlte wieder die lähmende Gewalt der Enge, der es entgegenging. Der Stundenplan, der tägliche Umgang mit den Freunden. Selbst jener Widerwille gegen Beineberg wird nicht mehr sein, der für einen Augenblick eine neue Situation geschaffen zu haben schien.

      ». . . Was gibt es heute zum Abendessen?«

      »Ich weiß nicht.«

      »Was für Gegenstände haben wir morgen?«

      »Mathematik.«

      »Oh? Haben wir etwas auf?«

      »Ja, ein paar neue Sätze aus der Trigonometrie; doch du wirst sie treffen, es ist nichts Besonderes an ihnen.«

      »Und dann?«

      »Religion.«

      »Religion? Ach ja. Das wird wieder etwas werden . . . Ich glaube, wenn ich so recht im Zug bin, könnte ich gerade so gut beweisen, daß zweimal zwei fünf ist, wie daß es nur einen Gott geben kann . . .«

      Beineberg blickte spöttisch zu Törleß auf. »Du bist darin überhaupt komisch; mir scheint fast, daß es dir selbst Vergnügen bereitet; wenigstens glänzt dir der Eifer nur so aus den Augen . . .«

      »Warum nicht?! Ist es nicht hübsch? Es gibt immer einen Punkt dabei, wo man dann nicht mehr weiß, ob man noch lügt oder ob das, was man erfunden hat, wahrer ist als man selber.«

      »Wieso?«

      »Nun, ich meine es ja nicht wörtlich. Man weiß ja gewiß immer, daß man schwindelt; aber trotzdem erscheint einem selbst die Sache mitunter so glaubwürdig, daß man gewissermaßen, von seinen eigenen Gedanken gefangen genommen, still steht.«

      »Ja, aber was bereitet dir denn daran Vergnügen?«

      »Eben dies. Es geht einem so ein Ruck durch den Kopf, ein Schwindel, ein Erschrecken . . .«

      »Ach hör auf, das sind Spielereien.«

      »Ich habe ja nicht das Gegenteil behauptet. Aber jedenfalls ist mir dies in der ganzen Schule noch das Interessanteste.«

      »Es ist so eine Art mit dem Gehirn zu turnen; aber es hat doch keinen rechten Zweck.«

      »Nein«, sagte Törleß und sah wieder in den Garten hinaus. In seinem Rücken – ferne – hörte er die Gasflammen summen. Er verfolgte ein Gefühl, das melancholisch, wie ein Nebel, in ihm aufstieg.

      »Es hat keinen Zweck. Du hast recht. Aber man darf sich das gar nicht sagen. Von alldem, das wir den ganzen Tag lang in der Schule tun, – was davon hat eigentlich einen Zweck? Wovon hat man etwas? Ich meine etwas für sich haben – du verstehst? Man weiß am Abend, daß man wieder einen Tag gelebt hat, daß man so und so viel gelernt hat, man hat dem Stundenplan genügt, aber man ist dabei leer geblieben, – innerlich meine ich, man hat sozusagen einen ganz innerlichen Hunger . . .«

      Beineberg brummte etwas von Üben, Geist vorbereiten – noch nichts anfangen können – später . . .

      »Vorbereiten? Üben? Wofür denn? Weißt du etwas Bestimmtes? Du hoffst vielleicht auf etwas, aber auch dir ist es ganz ungewiß. Es ist so: Ein ewiges Warten auf etwas, von dem man nichts anderes weiß, als daß man darauf wartet . . . Das ist so langweilig . . .«

      »Langweilig . . .« dehnte Beineberg nach und wiegte mit dem Kopfe.

      Törleß sah noch immer in den Garten. Er glaubte das Rascheln der welken Blätter zu hören, die der Wind zusammentrug. Dann kam jener Augenblick intensivster Stille, der stets dem völligen Dunkelwerden kurz voran geht. Die Formen, welche sich immer tiefer in die Dämmerung gebettet hatten, und die Farben, welche zerflossen, schienen für Sekunden still zu stehen, den Atem anzuhalten . . .

      »Höre, Beineberg,« sprach Törleß, ohne sich zurückzuwenden, »es muß während des Dämmerns immer einige Augenblicke geben, die ganz eigener Art sind. So oft ich es beobachte, kehrt mir dieselbe Erinnerung wieder. Ich war noch sehr klein, als ich um diese Stunde einmal im Walde spielte. Das Dienstmädchen hatte sich entfernt, ich wußte das nicht und glaubte es noch in meiner Nähe zu empfinden. Plötzlich zwang mich etwas aufzusehen. Ich fühlte, daß ich allein sei. Es war plötzlich so still. Und als ich um mich blickte, war mir, als stünden die Bäume schweigend im Kreise und sähen mir zu. Ich weinte; ich fühlte mich so verlassen von den Großen, den leblosen Geschöpfen preisgegeben . . . Was ist das? Ich fühle es häufig wieder. Dieses plötzliche Schweigen, das wie eine Sprache ist, die wir nicht hören?«

      »Ich kenne das nicht, was du meinst; aber warum sollten nicht die Dinge eine Sprache haben? Können wir doch nicht einmal mit Bestimmtheit behaupten, daß ihnen keine Seele zukommt!«

      Törleß gab keine Antwort.


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