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Detektiv-Geschichten. Уилки КоллинзЧитать онлайн книгу.

Detektiv-Geschichten - Уилки Коллинз


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verloren hatte.

      Ich wiederholte warm und aufrichtig, was ich ihm schon schriftlich gesagt hatte: »Ich verdanke alles, gnädiger Herr, Ihrer väterlichen Güte.« Als ich dies sagte, wagte ich mich ein wenig näher, ergriff seine welke, weiße Hand, die über die Lehne seines Stuhles hing, und brachte sie ehrerbietig an meine Lippen. Er entzog mir sanft seine Hand und stieß dabei einen Seufzer aus. Vielleicht hatte sie diese Hand zuweilen geküsst.

      »Nun erzählen Sie mir etwas von Ihnen selbst« sagte er. Ich erzählte ihm von meiner neuen Stellung und in welcher Weise ich sie erlangt hatte. Er hörte mir mit sichtbarem Interesse zu.

      »Ich täuschte mich nicht« sagte er, »als ich damals im Laden für Sie eingenommen wurde. Ich bewundere Ihr selbständiges Auftreten; es ist der rechte Mut bei einem Mädchen, wie Sie es sind. Aber Sie müssen mich etwas mehr für Sie tun lassen – eine kleine Gefälligkeit, durch welche Sie sich meiner erinnern, wenn ich nicht mehr sein werde. Was soll es sein?«

      »Machen Sie, dass es wieder besser mit Ihnen wird, gnädiger Herr, und erlauben Sie mir, dass ich zuweilen an Sie schreibe« antwortete ich; »mehr wünsche ich wirklich nichts.«

      »Sie werden aber doch wenigstens ein kleines Geschenk von mir annehmen?« Mit diesen Worten nahm er aus der Brusttasche seines Schlafrockes ein emailliertes Kreuz, das an einer goldenen Kette hing. »Denken Sie zuweilen an mich« sagte er, als er die Kette mir um den Hals legte. Er zog mich sanft an sich und küsste mir die Stirn. Es war zu viel für mich. »Weinen Sie nicht, mein teures Kind« sagte er, »erinnern Sie mich nicht an ein anderes trauriges junges Gesicht –«

      Er hielt noch einmal inne, und noch einmal dachte er an die tote Frau. Ich zog meinen Schleier nieder und eilte aus dem Zimmer.

      IV

      Am nächsten Tage war ich auf dem Wege nach dem Norden. Die Geschichte meines Lebens hellt sich wieder auf – aber wir wollen Herrn Gervasius von Damian nicht vergessen.

      Ich bitte um die Erlaubnis, einige Leute von Stand ier einzuführen: Frau Fosdyke von Carsham Hall; Witwe des Generals Fosdyke; sodann den jungen Herrn Friedrich, Fräulein Helene und Fräulein Eva, die Zöglinge der neuen Erzieherin, und endlich zwei Damen und drei Herren, die als Gäste im Hause verweilten. Besonnen und würdig, schön und gebildet – das war der Eindruck, den ich von Frau Fosdyke empfing, als sie von ihren Kindern zu mir sprach und mir ihre Ansichten über Erziehung mitteilte. Da ich diese Ansichten vorher schon von andern gehört hatte, so tat ich zwar, als wenn ich ihr zuhörte, bildete mir aber insgeheim meine Meinung über das Schulzimmer. Es war groß, hoch und vollkommen seinem Zweck entsprechend ausgestattet; es hatte ein großes Fenster und einen Balkon, die auf die Gartenterrasse und den dahinter liegenden Park hinausgingen – nach meiner geringen Erfahrung ein wundervolles Schulzimmer. Eine der beiden Türen, die es besaß, stand offen und zeigte mir ein liebliches, kleines Schlafgemach mit hellbraunen Tapeten und mit Möbeln aus Ahornholz, das für mich bestimmt war. Hier zeigten sich Reichtum und Freigebigkeit in jener wohltuenden Verbindung, die ein Geringbegüterter so selten wahrzunehmen Gelegenheit hat.

      Ich beherrschte mein anfängliches Gefühl der Verwirrung gerade zur rechten Zeit, um Frau Fosdyke über Lesen und Deklamieren Rede zu stehen, geringer geachtete Fertigkeiten, die, wie man erwarten konnte, eine gute Erzieherin wohl beizubringen verstand.

      »So lange die Organe noch jung und biegsam sind« bemerkte die Dame, »erachte ich es von großer Wichtigkeit, die Kinder in der Kunst zu üben, laut, mit entsprechender Betonung und mit richtigem Nachdruck zu lesen. In dieser Weise geübt, werden sie, erwachsen, einen günstigen Eindruck auf andere selbst in der gewöhnlichen Unterhaltung hervorbringen. Poesie, dem Gedächtnisse eingeprägt und dann vorgetragen, ist ein wertvolles Mittel zu diesem Zwecke. Darf ich hoffen, dass Ihre Studien Sie befähigt haben, meine Absichten auszuführen?«

      Etwas förmlich im Ausdruck, aber in höflicher und freundlicher Weise benahm ich Frau Fosdyke ihre Besorgnis, indem ich ihr mitteilte, dass wir in der Schule einen Lehrer der Beredsamkeit gehabt hätten. Und dann wurde mir überlassen, die Bekanntschaft mit meinen drei Zöglingen zu vervollständigen.

      Es waren dies ganz verständige Kinder, der Knabe, wie gewöhnlich, etwas schwerfälliger als die Mädchen. Ich tat – mit mancher traurigen Erinnerung an die weit teureren Zöglinge, die ich verlassen hatte – mein Bestes, sie dazu zu bringen, dass sie mich gern hatten und mir vertrauten; und es gelang mir bald, ihr Zutrauen vollständig zu gewinnen. Eine Woche nach meiner Ankunft in Carsham Hall begannen wir, uns gegenseitig zu verstehen. Der erste Tag der Woche wurde nach den von Frau Fosdyke erhaltenen Anweisungen für das Deklamieren von Dichtungen bestimmt. Ich war mit den Mädchen fertig und hatte in Fritzchens rednerischem Interesse Shakespeares Julius Cäsar gerade in Angriff genommen (entweiht sollte ich vielleicht sagen).

      Die Hälfte von Markus Antonius herrlicher Rede an der Leiche Cäsars hatte Fritz auswendig gelernt, und es war nun meine Pflicht, ihn so gut als dies bei meiner geringen Fähigkeit möglich war, zu lehren, wie er dies aussprechen sollte. Der Morgen war warm, und wir hatten unser großes Fenster offen; der köstliche Wohlgeruch der Blumen unten im Garten erfüllte das Zimmer Ich trug laut die ersten acht Zeilen vor und hielt dann inne, da ich fühlte, dass ich von dem Knaben für den Anfang nicht zu viel fordern dürfe. »Nun Fritzchen« sagte ich, »versuche, ob du die Verse so sprechen kannst, wie ich sie gesprochen habe.«

      »Tue so was durchaus nicht, Fritzchen« sagte eine Stimme aus dem Garten, »es ist alles falsch gesprochen.«

      Wer war dieser unverschämte Mensch? Unzweifelhaft ein Mann – und es lag seltsamerweise in seiner Stimme etwas, was mir nicht ganz fremd war. Die Mädchen fingen an zu kichern. Ihr Bruder war deutlicher »O« sagte Fritz, »es ist nur der Herr Sax.«

      Das einzig richtige Verhalten, das ich beobachten konnte, war, die Unterbrechung nicht zu beachten. »Fahre fort« sagte ich. Fritz sagte die Zeilen wie ein lieber, guter Knabe her, indem er meine Betonung sich so gut zu eigen machte, wie es von ihm nur erwartet werden konnte.

      »Armer Teufel« hörte ich wieder die Stimme mit ihrem aufdringlichen Mitleid für meinen aufmerksamen Zögling aus dem Garten rufen. Durch einen Blick gebot ich den Mädchen Schweigen – und äußerte dann, ohne vom Stuhle aufzustehen, meine Meinung über das unpassende Benehmen des Herrn Sax in deutlichen, entschiedenen Worten. »Ich werde genötigt sein, das Fenster zu schließen, wenn so etwas wieder vorkommen sollte.« Nachdem ich dies gesagt hatte, wartete ich auf eine Entschuldigung Die einzige Entschuldigung war Stillschweigen Es genügte mir, den richtigen Eindruck hervorgebracht zu haben, und ich fuhr in meiner Deklamation fort:

      »Hier mit des Brutus Willen und der andern

      (Denn Brutus ist ein ehrenwerter Mann, Das sind sie alle, alle ehrenwert)

      Komm' ich, bei Cäsars Leichenzug zu reden.

      Er war mein Freund, war mir gerecht und treu —«

      »O guter Gott, ich kann das nicht aushalten! Warum sprechen Sie nicht die letzte Zeile richtig aus? Hören Sie mich!«

      Würde ist eine schätzbare Eigenschaft, besonders bei einer Erzieherin. Aber es gibt Grenzen selbst für die aufs äußerste geübte Geduld. Ich eilte auf den Balkon und sah dort auf der Gartenterrasse, eine Zigarre rauchend, meinen in den Straßen Sandwichs verirrten Fremden!

      Er erkannte mich seinerseits in dem Augenblicke wieder, als ich auf dem Balkon erschien. »O Gottt« rief er im Tone des Entsetzens und sürte von der Terrasse, als wenn meine Augen wütende, ihn verfolgende Stiere gewesen wären. Nun ist es, fürchte ich, nutzlos, mich im Notfalle für eine besonnene Person auszugeben. Eine andere Frau hätte sich vielleicht beherrscht, ich aber brach in lautes Lachen aus, und Fritz und die Mädchen taten dasselbe. Es war klar, dass es jetzt nutzlos sein würde, das Erziehungsgeschäft fortzusetzen.

      Ich machte daher mein Buch zu und erlaubte den Kindern – nein, ich will die Wahrheit sagen, ich ermunterte sie – von Herrn Sax zu plaudern.

      Sie schienen nur das zu wissen, was Herr Sax ihnen selbst erzählt hatte. Vater, Mutter, Brüder und Schwestern waren alle im Laufe der Zeit gestorben. Er war das sechste und jüngste der Kinder und war demzufolge »Sextus« genannt worden, das lateinische Wort für »der sechste« wie Fritz hier einschaltete.


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