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Die Frau in Weiss. Уилки КоллинзЧитать онлайн книгу.

Die Frau in Weiss - Уилки Коллинз


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ehrenvolle Verfahren einzuschlagen. Ich hatte allerdings nur geringe Aussicht darauf; aber nachdem ich es versucht, würde sich mein Gewissen beruhigen. Ich würde dann Alles gethan haben, was ein Mann in meiner Lage thun konnte, um dem Interesse des einzigen Kindes seines alten Freundes zu dienen.

      Das Wetter am Sonnabend war schön, ein Westwind und heller Sonnenschein. Da ich in letzterer Zeit wieder an jener Eingenommenheit und jenem Drucke im Kopfe gelitten hatte, vor denen mein Arzt mich schon vor mehr als zwei Jahren warnte, beschloß ich, mir bei dieser Gelegenheit ein wenig Extrabewegung zu verschaffen und schickte meine Reisetasche voraus, um dann zu Fuße nach der Eisenbahnstation von Euston Square zu folgen. Als ich nach Holborn hineinbog, kam ein Herr mir schnell entgegen, und da er mich sah, stand er still und redete mich an. Es war Mr. Hartright.

      Hätte er mich nicht zuerst begrüßt, so wäre ich ihm ganz gewiß so vorbeigegangen. Er hatte sich so sehr verändert, daß ich ihn kaum wieder erkannte. Sein Gesicht war bleich und abgemagert, sein Benehmen hastig und unsicher, und seine Kleidung, die mir in Limmeridge als sauber und geschmackvoll aufgefallen, war jetzt so vernachlässigt, daß ich mich geschämt haben würde, wenn ich einen meiner Schreiber so gesehen hätte.

      »Sind Sie schon lange wieder aus Cumberland zurück?« fragte er. »Ich habe kürzlich von Miß Halcombe gehört, und weiß, daß Sir Percival Glyde’s Erklärungen als befriedigend angenommen sind. Wird die Heirath bald stattfinden? Wissen Sie es vielleicht, Mr. Gilmore?«

      Er sprach so schnell und drängte seine Fragen so seltsam und verwirrt durcheinander, daß ich ihm kaum folgen konnte.

      Wie vertraut er auch durch Zufall mit der Familie zu Limmeridge gewesen sein mochte, so schien er mir doch nicht berechtigt, Auskunft über ihre Familienangelegenheiten zu erwarten, und ich beschloß daher, ihn so kurz wie möglich über Miß Fairlie’s Heirath abzufertigen.

      »Die Zeit wird’s lehren, Mr. Hartright,« sagte ich – »die Zeit wird’s lehren. Ich denke mir, wenn wir nur hübsch die Zeitungen lesen, daß wir die Vermählung schon angezeigt finden werden. Verzeihen Sie mir die Bemerkung, aber ich bedaure, daß Sie nicht so wohl zu sein scheinen, als da ich Sie zuletzt sah.«

      Um seine Augen und Lippen bebte ein momentanes Zucken, und ich machte mir beinahe Vorwürfe, ihm auf so bedeutungsvoll zurückhaltende Weise geantwortet zu haben.

      »Ich hatte kein Recht, nach ihrer Heirath zu fragen,« sagte er mit Bitterkeit, »ich muß warten, bis ich, wie andere Leute, sie in der Zeitung angekündigt sehe. Ja,« fuhr er fort, ehe ich ihm noch meine Entschuldigung machen konnte, »ich bin seit Kurzem nicht wohl gewesen. Ich bedarf einer Veränderung des Aufenthaltes sowohl, als der Beschäftigung. Sie haben einen weiten Bekanntschaftskreis, Mr. Gilmore. Sollten Sie von irgend einer Expedition ins Ausland hören, zu der man einen Zeichner gebrauchte, und keiner von Ihren eignen Bekannten Gebrauch davon zu machen wünschen, da würde ich Ihnen sehr dankbar sein, wenn Sie mich davon benachrichtigen wollten. Ich stehe dafür, daß meine Zeugnisse befriedigend sind, und es ist mir einerlei, wohin ich gehen, in welches Klima, oder wie lange ich werde fortbleiben müssen.« Während er dies sagte, blickte er auf sonderbare, mißtrauische Weise auf die fremde Menge, welche sich zu beiden Seiten an uns vorüber drängte, als ob er argwöhne, daß wir beobachtet würden.

      »Wenn ich von irgend Etwas der Art höre, will ich nicht verfehlen, es Sie wissen zu lassen,« sagte ich, und fügte dann, um ihn nicht ganz so kurz über die Fairlie’s abzufertigen, hinzu, »ich reise heute in Geschäften nach Limmeridge. Miß Halcombe und Miß Fairlie sind aber augenblicklich nicht da, sondern auf Besuch bei Bekannten in Yorkshire.«

      Seine Augen glänzten und er schien im Begriffe, Etwas zu entgegnen, aber dasselbe nervöse Zucken flog wieder über sein Gesicht. Er nahm meine Hand, drückte sie fest und verschwand, ohne ein Wort weiter zu sagen, unter der Menge. Obgleich er für mich fast ein Fremder war, blieb ich einen Augenblick stehen und sah ihm mit einem Gefühle des Bedauerns nach. Ich hatte in meinem Berufe hinreichende Erfahrungen unter jungen Leuten gemacht, um nach äußeren Anzeichen beurtheilen zu können, wann sie anfingen, auf unrechten Wegen zu gehen; und als ich meinen Weg nach der Eisenbahn fortsetzte, hegte ich, zu meinem Bedauern sage ich es, ernste Zweifel über Mr. Hartright’s Zukunft.

      IV

      Da ich mit einem Frühzuge reiste, kam ich zur Essenszeit in Limmeridge an. Die Leere des Hauses war drückend und trübe. Ich hatte erwartet, daß in Abwesenheit der jungen Damen die gute Mrs. Vesey wenigstens mir Gesellschaft geleistet hätte; aber eine Erkältung fesselte sie an ihr Zimmer. Die Diener waren so erstaunt über meine Ankunft, daß sie in lächerlicher Eile und Aufregung umherwirthschafteten und allerlei ärgerliche Versehen machten. Sogar der Kellermeister, der doch alt genug war, um es besser zu wissen, brachte mir eine Flasche Portwein, die eiskalt war. Die Berichte über Mr. Fairlie’s Befinden waren dieselben wie gewöhnlich, und als ich ihn von meiner Ankunft benachrichtigen ließ, kündigte man mir an, daß er sich freuen werde, mich am folgenden Morgen zu sehen, daß aber die unerwartete Nachricht meiner Ankunft ihn für den Rest des Abends mit Herzklopfen daniedergestreckt habe. Der Wind heulte die ganze Nacht ganz abscheulich, und in dem alten leeren Hause ließen sich allerlei seltsame krachende, stöhnende, Geräusche vernehmen. Ich schlief so schlecht wie möglich, und stand nächsten Morgens in der allerschlechtesten Laune auf, um mein Frühstück allein einzunehmen.

      Um zehn Uhr wurde ich zu Mr. Fairlie geführt Er war in seinem gewöhnlichen Zimmer, in seinem gewöhnlichen Lehnstuhle und in seinem gewöhnlichen unerträglichen Körper- und Geisteszustande. Als ich eintrat, stand sein Kammerdiener vor ihm und hielt ihm einen schweren Band von Federzeichnungen zur Besichtigung vor, der so groß und breit war, wie das Pult in meinem Bureau. Der jämmerliche Ausländer grinste auf das Unterwürfigste und war nahe daran, vor Ermüdung umzufallen, während sein Herr ganz gelassen die Blätter umschlug und ihre verborgenen Schönheiten mit Hülfe eines Vergrößerungsglases ans Licht brachte.

      »Sie allerbester der besten alten Freunde,« sagte Mr. Fairlie, sich träge zurücklehnend, ehe er mich ansehen konnte, »sind Sie ganz wohl? Wie hübsch von Ihnen, herzukommen und mich in meiner Einsamkeit zu besuchen. Sie lieber Gilmore!«

      Ich hatte erwartet, daß er den Kammerdiener nach meinem Erscheinen entlassen werde; aber er dachte nicht daran. Da stand er gerade vor seines Herrn Sessel und zitternd unter dem Gewichte der schweren Zeichnungen; und da saß Mr. Fairlie und drehte voll Seelenruhe das Vergrößerungsglas zwischen einem weißen Daumen und Zeigefinger hin und her.

      »Ich bin gekommen, um über eine sehr wichtige Angelegenheit mit Ihnen zu sprechen,« sagte ich, »und Sie werden daher verzeihen, wenn ich vorschlage, daß wir dazu lieber allein sind.«

      Der bejammernswürdige Kammerdiener blickte mich dankbar an. Mr. Fairlie wiederholte mit schwacher Stimme meine letzten drei Worte »lieber allein sind« mit allen Anzeichen des unbeschreiblichsten Erstaunens.

      Ich war nicht in der Laune für Narrheiten und beschloß daher, ihm begreiflich zu machen, was ich meine.

      »Erzeigen Sie mir den Gefallen, diesem Manne da Erlaubniß zu geben, sich zurückzuziehen,« sagte ich, auf den Kammerdiener deutend.

      Mr. Fairlie zog in sarkastischem Erstaunen seine Augenbrauen in die Höhe und spitzte verächtlich den Mund.

      »Mann!« wiederholte er, »Sie widerwärtigster aller Gilmore, was in aller Welt können Sie damit sagen wollen, daß Sie ihn einen Mann nennen? Er ist nichts dergleichen. Er mag möglicherweise vor einer halben Stunde, ehe ich meine Federzeichnungen gebrauchte, ein Mann gewesen sein und in einer halben Stunde später, wenn ich mit ihm fertig bin, wieder ein Mann werden; aber augenblicklich ist er nichts als ein Mappenhalter. Was können Sie gegen einen Mappenhalter haben, Gilmore?«

      »Ich habe allerdings Etwas dagegen und bitte Sie zum dritten Male, Mr. Fairlie, uns allein sein zu lassen.«

      Mein Ton und Benehmen ließen ihm keine andere Wahl als meinen Wunsch zu erfüllen. Er sah den Diener an und, indem er verdrießlich auf einen Sessel an seiner Seite deutete:

      »Lege die Zeichnungen nieder und geh’ hinaus,« sagte er, »und ärgere mich nicht, indem Du die Stelle verlierst. Hast Du die Stelle verloren oder nicht? Weißt Du ganz gewiß,


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